Was aber überall völlig fehlt, das ist die pazifistische Propaganda im Alltag, auf der Gasse, in der Vierzimmerwohnung, auf öffentlichen Plätzen – der Pazifismus als Selbstverständlichkeit“
-Kurt Tucholsky, Über wirkungsvollen Pazifismus,1927
Seit der Coronavirus-Pandemie im Jahr 2020 hat sich die bereits bestehende globale Krise zu einer aggressiveren Dimension verschärft. Die Finanzkrise- und die Unfähigkeit, sie zu lösen wurde vom politischen herrschenden Apparat zum Anlass genommen, die sogenannte Austeritätspolitik zu vertiefen und zu verteidigen. Die Verwirklichung einer keynesianischen Wende (aktualisierter New-Deal-Politik) in der Investitionspolitik, die auf friedliche, internationale Beziehungen, die Überwindung der Armut und eine sinnvolle Austauschbeziehungen zwischen Menschen und Natur ausgerichtet ist, wird bekämpft. Gleichzeitig gehen die Kosten der Profitakkumulation von einer von der arbeitenden Mehrheit abhängigen Minderheit durch Sozialabbau zulasten der Mehrheit der Bevölkerung. Diese Logik geht nicht auf.
Um diese Verhältnisse um jeden Preis aufrechtzuerhalten, werden primitive militärische Mittel – wenn auch mit größerem Zerstörungspotenzial – als Lösung für internationale Konflikte eingesetzt. So ist der Ausbau des militärisch-industriellen Komplexes in vollem Gange, insbesondere in den NATO-Ländern.Folglich wird die regionale Kriegseskalation durch hetzerische Propaganda auf der Grundlage von
Feindbildern, einem verstärkten Irrationalismus und patriotischem Stolz angeheizt. Als aggressivere Phase der Reaktion auf die Krise tritt die Mobilisierung für den Krieg ein.
In Deutschland hat diese Logik historische Ausmaße angenommen. SPD und Grüne – ursprünglich fortschrittliche Parteien – haben sich mit dem Konzept der „Zeitenwende“ auf abenteuerliche imperialistische Kreuzzüge begeben.. Rechte und rechtsextreme Kräfte feiern, verbreiten und verstärken sich gegenseitig. Symptomatische Dekadenzerscheinungen – primitives Menschenbild, teilweise selbstverschuldete Handlungsunfähigkeit, entsprechend begünstigende Passivität – machen sich in der Verunsicherung breit. Vor diesem miserablen Hintergrund ist es von großer Bedeutung, das nicht eingelöste Potenzial der Solidarität zu betrachten und diesem nachzugehen.
Die Charta der Menschenrechte der Vereinten Nationen, die aus der Befreiung vom Faschismus (1945) hervorgegangen ist, ist ein Imperativ, der schrittweise einen Weg zu weitreichenden und grundlegenden Reformen bietet. Die internationale Gemeinschaft verfügt somit über die Instrumente, sowohl institutionelle Strukturen zu bestreiten als auch nicht-institutionelle Organisationsformen zu organisieren.
Durch zivilen Widerstand, Massenaufklärung, Völkerverständigung und einen pazifistischen Impetus kann die bestehende Unzufriedenheit organisiert und auf globaler Ebene produktiv gelenkt werden.
Als sozialistische Jugendorganisation sehen wir unsere historische Aufgabe in einer bestimmten Perspektive der gesellschaftlichen Transformation und in einer bestimmten Verantwortung gegenüber einem bestimmten Teil der Gesellschaft: dem Sozialismus und der Jugend.
Aus der Tradition der Friedensbewegung heraus ist die Notwendigkeit eines aufgeklärten Menschenbildes zur zivilen Konfliktlösung ein lebendiger Imperativ für die heutigen Kämpfe gegen alle Formen von Gewalt. Das Erkennen der wahren Form und des Inhalts von Gewalt ermöglicht seine Benennung und bekräftigt einen pazifistischen Impetus.
Die Verbreitung dieser Wahrheit ist der gestaltende Teil unserer Verantwortung und strukturiert die Wege, auf denen friedensbewegte Menschen zusammenkommen können. Antimilitarismus gewinnt so an Tiefe und baut die militaristischen Sümpfe geistig und strukturell ab.
Vor diesen Hintergrund haben wir einige praktische Aufgaben vor uns:
Wir sollen im Sinne der aus der Befreiung vom Faschismus hervorgegangenen 4Ds (Demilitarisierung, Denazifizierung, Demokratisierung und Demonopolisierung) über die – nach menschlichen Maßstäben – Nutzlosigkeit der Bundeswehr in Schulen, auf Messen, auf öffentlichen Plätzen und in anderen Einrichtungen aufklären. Wir kämpfen dafür, dass die Besuche der Jugendoffiziere durch geschichtsbewusste politische Debatten der Schüler:innen in den Klassenzimmern ersetzt werden. Gut finanzierte zivile Einrichtungen mit friedensrelevanten Inhalten und ausreichendem Personal brauchen keine Befehle oder strenge Anweisungen.
Wir wollen die Kampagne für Zivilklauseln in Zusammenarbeit mit dem Studierendenverband Die Linke.SDS an den Universitäten im ganzen Land ausweiten. Durch eine vom Militarismus befreite und damit freie und friedliche Forschung und Wissenschaft betreiben und aufklären.
Wir beauftragen den BSp*R aus diesem Beschluss eine Friedensposition für die Website der Linksjugend [’solid] zusammenfassend herauszubilden.
Und wir rufen dazu auf zu den Ostermärschen, den internationalistischen Demonstrationen und den Demonstrationen „gegen Rechts“ zu gehen und sich in deren Koordination und Gestaltung einzumischen – zum Beispiel mit Friedensfahnen, Plakaten und perspektivbildenden Bannern. Und mit entsprechenden Publikationen über die niederen Zwecke derjenigen, die vom Krieg profitieren, und das höhere Ziel derjenigen, die durch erlerntes Ethos, kollektives Handeln und historischen Optimus, wenn er in die Praxis umgesetzt wird, Frieden und sozialen Fortschritt in der Welt entfalten.
Durch die steigenden Umfrageergebnisse der AfD und die vom Journalist*innenkollektiv
„Correctiv“ veröffentliche Recherche über ein Treffen von Vertreter*innen der AfD und
Werteunion, Kapitalist*innen und Aktivist*innen der neuen Rechten, auf der über
massenhafte Deportationen deutscher Staatsbürger*innen mit Migrationshintergrund
phantasiert wurde, ist die Gefahr einer Faschisierung in Deutschland stärker in den
öffentlichen Diskurs gerückt. Vielerorts gab es daraufhin große Proteste gegen die
AfD. In der linken Debatte bleibt aber unklar, wie eine kluge linke Strategie gegen
Faschismus aussieht und wie man Faschismus genau versteht.
Was ist Faschismus?
Faschismus ist ein Sammelbegriff für verschiedene rechtsradikale Massenbewegungen,
die in den letzten 100 Jahren – ausgehend vom italienischen Faschismus – entstanden
sind, deren Ideologie sowie für die von diesen Bewegungen etablierten politischen
Systeme. Ihrer sozialen Herkunft nach rekrutierte sich der Faschismus aus
deklassierten und enttäuschten Teilen aller Klassen, dabei insbesondere aus dem
Kleinbürgertum, das besonders von Krise und sozialem Abstieg bedroht war.
Faschistische Ideologie war durch extremen Nationalismus, Antikommunismus,
Militarismus sowie Ethnozentrismus geprägt, der die Form von Rassismus und/oder
Antisemitismus annehmen konnte. Faschisten konstatierten eine nationale Krise,
hervorgerufen durch eine Niederlage der eigenen Nation in der internationalen
Staatenkonkurrenz und/oder durch die Einebnung althergebrachter gesellschaftlicher
Hierarchien. Zur Überwindung dieser Krise propagierten Faschisten eine nationale
Wiedergeburt. Der Faschismus unterschied sich von anderen Formen extrem rechter
Politik durch seinen massenpolitischen Charakter, seine umstürzlerische Strategie und
seine scheinrevolutionäre und pseudo-antikapitalistische Rhetorik. Die
Organisationsstruktur der faschistischen Partei war durch das Führerprinzip
gekennzeichnet und sie verfügte über paramilitärische Kampfbünde. Der Faschismus als
Herrschaftssystem mündete stets in der Zerschlagung der Arbeiter*innenbewegung mit
terroristischen Mitteln, die Vernichtung der bürgerlichen Demokratie mit allen ihren
Rechten und Freiheiten, der Unterdrückung jedweder Opposition – auch der bürgerlichen
– und der vollständigen Unterwerfung der Lohnabhängigen unter das Kommando von
Kapitalist*innen und Großgrundbesitzer*innen. In der fortgeschrittenen Phase
faschistischer Herrschaft fand eine Verschmelzung der Eliten von Industrie, Banken,
Militär und Beamtenschaft mit der Führungsgruppe der faschistischen Partei statt.
Faschistische Bewegungen entstanden in historischen Situationen, die sich in
vielerlei Hinsicht von der heutigen Situation unterscheiden. Der Klassencharakter,
die Ideologie und Praxis von Parteien wie der AfD weisen neben Gemeinsamkeiten auch
viele Unterschiede zum historischen Faschismus auf. Eine Analyse des historischen
Faschismus kann uns aber dabei helfen, strategische Schlussfolgerungen für den Kampf
gegen die AfD zu ziehen.
Analyse des historischen Faschismus
Der Vergleich zwischen dem italienischen und deutschen Fall verdeutlicht den Kontrast
zwischen zwei grundsätzlich verschiedenen Typen von historischen Situationen, in
denen der Faschismus an die Macht gelangte:
Die Arbeiter:innenbewegung in Italien fand sich nach dem ersten Weltkrieg in einer
Position der besonderen Stärke. Ein Konjunkturaufschwung führte zu niedriger
Arbeitslosigkeit und infolgedessen zu hoher Streikbereitschaft und steigenden Löhnen.
Die Arbeiter*innenbewegung führte einen – mit Antonio Gramsci gesprochen –
Bewegungskrieg und befand sich in einer Offensive des Klassenkampfes. Der Bestand des
kapitalistischen Herrschaftssystem war ernsthaft durch eine militante
Arbeiter*innenbewegung gefährdet. In dieser Situation kam der Faschismus in Form
einer unmittelbaren Reaktion der Kapitalist*innen und Großgrundbesitzer*innen zur
Rettung des kapitalistischen Systems. Paramilitärische Kampfbünde vor allem
kleinbürgerlicher Klassenherkunft wurden von den herrschenden Klassen unterstützt, um
die Arbeiter*innenbewegung terroristisch niederzuschlagen.
In Deutschland hingegen kam der Faschismus in einer Situation der relativen Schwäche
der Arbeiter*innenbewegung an die Macht, bei der gleichzeitig der bürgerlich-liberale
Status Quo durch eine vom Kapitalismus verursachte schwere Wirtschaftskrise ins
Wanken geriet. Hohe Arbeitslosigkeit, infolgedessen niedrige Streikbereitschaft und
sinkende Löhne – verstärkt durch die Austeritätspolitik einer bürgerlichen Regierung
– führten zu einer schwachen Verhandlungsposition der Arbeit gegenüber dem Kapital.
Die Arbeiter*innenbewegung befand sich in einem Stellungskrieg und in der Defensive.
In dieser Situation, in der zugleich eine glaubhafte Alternative von links fehlte, da
die SPD sich zum Teil an der katastrophalen Austeritätspolitik beteiligte und die KPD
selbst zu schwach war, um das kapitalistische System zum Umsturz zu bringen, sowie
unwillens war, die Austeritätspolitik auf reformerischem Wege zu beenden, konnte der
Faschismus die in breiten Teilen der Bevölkerung herrschende Unzufriedenheit für
seine Agenda nutzen und so vor allem durch parlamentarische Wahlen und weniger durch
Gewalt an Bedeutung gewinnen. An die Macht gelangte der Faschismus in Deutschland
schließlich durch ein Bündnis der faschistischen Partei mit den alten Eliten aus dem
Militär, der Großgrundbesitzer*innenklasse sowie Teilen der Kapitalist*innenklasse.
Insbesondere in Krisensituationen schafft es der Faschismus durch ein
scheinrevolutionäres Programm aus deklassierten und enttäuschten Teilen aller Klassen
Anhänger*innen zu rekrutieren. Dabei arbeiten Faschisten mit einer Rhetorik, die ein
„Wir“ und ein „die Anderen“ konstruiert und soziale Unterschiede innerhalb des „Wir“,
innerhalb der „Volksgemeinschaft“, zu überwinden verspricht. Anstatt beispielsweise
als Arbeiter*innenklasse gegen Ausbeutung zu kämpfen, verspricht man eine ideelle –
nicht aber materielle – Einebnung des Klassengegensatzes zum Zweck des gesteigerten
Erfolgs der Nation in der Staatenkonkurrenz. Dadurch politisiert der Faschismus
Unzufriedenheit ganz anders als linke Klassenpolitik, kanalisiert die Wut weg vom
eigenen Chef hin zu als fremd und bedrohlich dargestellten Gruppen und tastet die
kapitalistische Ordnung und die bürgerliche Herrschaft nicht an. Linke Klassenpolitik
versucht stattdessen, individuelle Unterdrückungs- und Ausbeutungserfahrungen in den
Kontext einer grundlegenden Systemkritik einzubetten.
Ideologisch zeichnet sich der Faschismus durch ein naturalistisches und
antirationales Bild vom Menschen und der Welt aus: Herrschafts- und
Ausbeutungsverhältnisse werden von Faschisten nicht als geschichtlich geworden, von
Menschen gemacht und somit als veränderbar verstanden, sondern als ewig, von Natur
aus gegeben und damit als unhinterfragbar aufgefasst. Der Faschismus propagiert, eine
„natürliche Ordnung“ zu schaffen, in der jede und jeder dem von der Natur aus
vorbestimmten Platz in der sozialen Hierarchie zugeordnet wird. Er bedient sich in
seiner Rhetorik eines – mit Ernst Bloch gesprochen – „Wärmestroms“, der an die
Gefühle der Menschen und populäre Mythen anknüpft, im Gegensatz zu einem
„Kältestrom“, der an die menschliche Vernunft appelliert. Diese naturalistische und
antirationale Ideologie verknüpft der Faschismus mit einer hochmodernen
Organisationsform und einem ausgesprochen ausgefeilten Zweckrationalismus in
Strategie und Taktik.
Aktuelle Lage
Mit der AfD hat sich eine Partei mit faschistischem Potential in der deutschen
Parteienlandschaft etabliert. Anfangs beschworene Brandmauern wurden allmählich
aufgegeben, was erste Kooperationen auf Kommunal- und Landesebene zeigen, wie bspw.
die Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten in Thüringen mit
AfD-Stimmen. Die AfD ist der parlamentarische Arm der radikalen Rechten und trägt
ihre Positionen in die Parlamente, was verschiedene personelle Überschneidungen zur
neuen Rechten in Europa wie der „Identitären Bewegung“ zeigt.
Die AfD weist sowohl Gemeinsamkeiten als auch erhebliche Unterschiede zum
historischen Faschismus auf. Vom historischen Faschismus unterscheidet sie sich
dadurch, dass sie ihre Wähler*innen nicht mehr vor allem im Kleinbürgertum findet,
das im Gegensatz zur ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts demographisch keinen
relevanten Teil der Bevölkerung mehr ausmacht. Stattdessen wählen vor allem
Arbeiter*innen die AfD – nicht selten solche, die von sozialem Abstieg bedroht sind
oder bereits sozial abgestiegen sind, wie die hohen Wahlerfolge der AfD in
strukturschwachen Regionen zeigen. Das kleinbürgerliche Element lässt sich allein
noch im Führungspersonal der AfD erkennen, das sich überwiegend aus den bürgerlichen
Mittelklassen rekrutiert, wie etwa aus Kleinunternehmer*innen (Tino Chrupalla),
Vermögensverwalter*innen (Alice Weidel, Peter Boehringer), Rechtsanwält*innen
(Stephan Brandner) und beamtete Lehrer*innen (Björn Höcke).
Wenngleich das wirtschaftspolitische Programm der AfD neoliberal geprägt ist und
damit auf eine Kräfteverschiebung zugunsten des Kapitals und auf Kosten der Arbeit
abzielt, hat der weit überwiegende Teil der Kapitalist*innenklasse im Gegensatz zum
historischen Faschismus derzeit kein Interesse an einer Machtübertragung an die AfD.
Insbesondere der nun in das öffentliche Bewusstsein gerückte Deportationsplan der
AfD, der etwa ein Siebtel der Bevölkerung in Deutschland betreffen würde, ist nicht
im Verwertungsinteresse des Kapitals, das in Zeiten von Arbeitskräftemangel dringend
auch auf migrantische Arbeiter*innen angewiesen ist. Die euroskeptischen Positionen
der AfD schrecken das Kapital ebenfalls ab, weil die deutsche Wirtschaft
exportorientiert ist und daher den EU-Binnenmarkt als Absatz für ihre Waren braucht.
Diese manifesten Unterschiede zwischen der AfD-Programmatik und den Interessen des
Kapitals bedeuten aber keineswegs, dass sich die Kapitalist*innenklasse nicht mit der
AfD arrangieren wird, wenn die AfD in Regierungsverantwortung kommt. Länder, in denen
Parteien wie die AfD bereits an der Macht sind, wie etwa Ungarn oder Italien, zeigen
aber, dass diese Parteien radikale Forderungen, die im direkten Widerspruch zu den
Interessen des Kapitals stehen, schlichtweg nicht umsetzen. Auch verfügt die AfD über
keine paramilitärischen Kampfbünde, die eine potentiell revolutionäre
Arbeiter*innenbewegung terrorisiert, die es derzeit und auf absehbare Zeit nicht
gibt. Geraten Parteien wie die AfD als stärkste Kraft dauerhaft in
Regierungsverantwortung, kommt es bisher auch nicht zu schlagartigen Entmachtungen
der Parlamente und zur sofortigen Kriminalisierung jeder Opposition. Vielmehr hat man
es, wie etwa in Ungarn, mit einem schleichenden Prozess der autoritären Formierung
von Staat und Gesellschaft sowie der Aushöhlung bürgerlicher und sozialer Rechte
sowie rechtsstaatlicher Prinzipien zu tun, wenngleich die bürgerliche Demokratie ihre
formelle Hülle beibehält. Die Gemeinsamkeiten mit dem historischen Faschismus
beziehen sich vor allem auf die Ideologie – insbesondere den Ethnozentrismus – und
die Art und Weise, wie soziale Unzufriedenheit politisiert und in systemkonforme
Bahnen gelenkt wird.
Der Grund für die steigenden Umfrageergebnisse der AfD in den letzten Monaten sowie
die damit verbundenen Wahlerfolge auf kommunaler und Landesebene liegen in der
sozialen Krise, die wesentlich durch die Austeritätspolitik der regierenden
Ampelkoalition verursacht wird. Diese Legitimitätskrise des hegemonialen Blocks
vermag die politische Linke aufgrund interner Zankereien nicht zu füllen, sodass
dieses Vakuum von rechts gefüllt wird. Als besonderes negatives Verdienst der
Ampelkoalition muss hervorgehoben werden, dass sie es geschafft hat, jedweden
Klimaschutz in breiten Teilen der Bevölkerung mit einer Verteuerung von Energie und
Lebensmitteln in Verbindung zu bringen. Die AfD kann sich in den Augen breiter Teile
der Bevölkerung gegenüber der katastrophalen Klima- und Wirtschaftspolitik der
Ampelkoalition als glaubhafte Alternative inszenieren, indem sie eine Rückkehr zu
fossilen Energieträgern propagiert und die menschengemachten Ursachen des
Klimawandels leugnet. Auch die Existenzängste von Arbeiter*innen, die durch den
möglicherweise erfolgenden Wegfall von Industriearbeitsplätzen aufgrund der
ökologischen Transformation der Wirtschaft verursacht wird, sind ein gefundenes
Fressen für die AfD.
Diese krisenhafte Situation alleine macht natürlich niemanden automatisch zum
Rechtsradikalen – beim Prozess der Faschisierung spielen auch sozialpsychologische
Prozesse eine Rolle. Für uns als politische Linke macht es jedoch Sinn, sich weniger
auf die subjektiven Faktoren zu konzentrieren, sondern die begünstigenden
gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zu bekämpfen.
Antifaschistische Strategie
Um unserem Anspruch als antifaschistischer Jugendverband gerecht zu werden, reicht es
nicht aus, Nazis doof zu finden: Gegen rechts hilft am besten eine starke Linke, die
die sozialen Ursachen, die für den Aufstieg der Rechten verantwortlich sind, wirksam
bekämpft, statt sich nur auf moralische Appelle zu verlassen. Wir müssen deshalb am
Aufbau einer starken, klassenkämpferischen Linken arbeiten.
Um die sozialen Ursachen des rechten Aufstiegs anzugehen, gilt es, die
Austeritätspolitik der Ampelkoalition zu bekämpfen. Dazu müssen wir uns in aktuellen
Klassenkämpfen für konkrete Verbesserungen und gegen die Kürzungspolitik einbringen.
Langfristig müssen wir auch alle Institutionen angreifen, die eine Austeritätspolitik
festschreiben. Dazu gehören die Schuldenbremse, ein ungerechtes Steuersystem, das vor
allem auf die Besteuerung von Löhnen und Konsum statt auf große Vermögen und
Kapitalrenditen abzielt, den Status der Europäischen Zentralbank als eine von
demokratischer Kontrolle „unabhängigen“ Institution, die sich einseitig auf
Preisstabilität fokussiert und den Kampf gegen Arbeitslosigkeit vernachlässigt, und
ein reaktionäres Streikrecht, das es Arbeiter*innen verbietet, politische und wilde
Streiks zu führen. Darüber hinaus müssen wir als radikale Linke eine systemische
Kritik in die Bewegungen einbringen, welche über die Forderungen nach mehr
Sozialstaat und ein Ende des Austeritätsregimes hinausgehen. Krisen sind dem
Kapitalismus immanent, also kann am Ende nur eine Überwindung dieses krisenhaften
Systems uns vor seinen potentiellen Folgen dauerhaft schützen.
Beim Klimaschutz darf die politische Linke das Soziale nicht vernachlässigen. Die
beste Prävention gegen rechte Sozialdemagogie sind niedrige Lebensmittel- und
Energiepreise. Wir dürfen Arbeiter*innen nicht das Gefühl vermitteln, dass ihnen mit
Klimaschutz etwas weggenommen wird. Dieses Gefühl nämlich ist ebenfalls willkommener
Nährboden für die AfD. Vielmehr gilt es, etwa durch eine Ausfinanzierung des
öffentlichen Personenverkehrs Pendler*innen neue Formen des „öffentlichen Luxus“ zu
ermöglichen. Insbesondere die Beteiligung an Kampagnen wie „Wir fahren zusammen“, die
von der Gewerkschaft ver.di und der Klimagerechtigkeitsbewegung „Fridays for Future“
initiiert worden ist, kann dafür einen wichtigen Beitrag leisten. Darüber hinaus
müssen wir als politische Linke ein realistisches und sozialverträgliches Konzept zur
ökologischen Transformation der Wirtschaft vorlegen, das die Verbindung zu den
Arbeiter*innen und Gewerkschaften aktiv sucht, statt sich über diese hinwegzusetzen.
Wenngleich sich die konkrete Tätigkeit von Arbeiter*innen ändern wird, muss unsere
Botschaft lauten: Jeder Arbeitsplatz bleibt erhalten!
Obwohl es mit der Austeritätspolitik eine Gemeinsamkeit zwischen der aktuellen und
historischen Wirtschaftslage gibt, die der NSDAP zur Macht verhalf, gibt es auch
entscheidende Unterschiede, an die eine antifaschistische Strategie anknüpfen kann.
Die im Gegensatz zur Situation Anfang der 1930er Jahre aktuell – trotz
austeritätsbedingter Rezession – niedrige Arbeitslosigkeit und der
Arbeitskräftemangel führt zu einer tendenziell vorteilhaften Verhandlungsposition der
Arbeit gegenüber dem Kapital. Auch möchten Arbeiter*innen die Reallohnverluste durch
die Inflation wieder wettmachen. Diese beiden Faktoren haben zu einer mächtigen
Streikwelle geführt, die bis zum jetzigen Zeitpunkt anhält. Gewerkschaftliche Streiks
führen Arbeiter*innen mit und ohne Migrationshintergrund durch gemeinsame
Organisations- und Kampferfahrungen zusammen. Sie wirken damit einem rassistischen
Bewusstsein, an das die AfD anknüpfen kann, entgegen. Durch die Unterstützung von
Streikposten und – darüber hinaus – die Erarbeitung einer langfristigen Strategie,
wie wir uns als Verband in Gewerkschaften und Arbeitskämpfe einbringen können, kann
die Linksjugend [’solid] einen wichtigen Beitrag dazu leisten.
Gleichzeitig gilt es aber auch, Faschisten konkret entgegenzutreten – auf der Straße,
in öffentlichen Diskussionen, in den Parlamenten und auf der Familienfeier. Gegen
zunehmende rechte Gewalt stellt sich die Frage der konkreten Verteidigungsfähigkeit,
gegen rechte Diskurshegemonie insbesondere im digitalen Raum braucht es eine linke
Medienstrategie.
Die zwei Notwendigkeiten – einerseits durch den Aufbau einer starken
klassenkämpferischen Linken und das Aufzeigen einer Systemalternative, die die
Ursache des Rechtsrucks angeht, gleichzeitig aber andererseits möglichst großen und
deshalb notwendigerweise breiten Gegenwind zur extremen Rechte zu organisieren –
führte Linke historisch immer wieder vor schwere bündnispolitische Entscheidungen.
Das eine Extrem – Sektierertum – ist historisch beispielsweise in Form der
Sozialfaschismusthese wirksam geworden. Die Linie der KPD, alle Kräfte von SPD bis
NSDAP zu unterschiedlichen Flügeln des gleichen Feindes zu erklären, wurde sowohl in
der akademischen Geschichtsschreibung als auch in der Geschichtsschreibung der
kommunistischen Bewegung selbst einhellig als schwerer Fehler mit dramatischen
historischen Konsequenzen benannt, weshalb die KPD und die Dritte Internationale
diese Linie auch später einhellig verwarf und durch die gegensätzliche
Volksfrontstrategie ersetzte. Andererseits zeigte sich immer wieder, auch aktuell,
dass eine kritiklose Einreihung der politischen Linken in Bündnissen, die bis weit
ins bürgerliche Spektrum hineinreichen, oft dazu beiträgt, linke Alternativen zur
herrschenden Politik unsichtbar zu machen und den Aufstieg faschistischer Kräfte
sogar noch weiter zu unterstützen.
Bündnisfähigkeit und Eigenständigkeit stellen dabei ein Spannungsverhältnis dar, das
sich nicht einseitig auflösen lässt. Hier die richtige Antwort zu finden, braucht
immer eine konkrete Analyse der konkreten Situation und lässt sich nicht
überhistorisch-abstrakt klären. Klar ist aber, dass rein negative Bündnisse, die
keine Positionen außer abstraktem Antifaschismus haben, am Ende dem Rechtsruck nicht
nachhaltig Einhalt gebieten werden können. In jeder Situation braucht es also eine
Verbindung von antifaschistischen Positionen mit Forderungen nach einer sozialeren
und demokratischeren Gesellschaft. Auch in breiteren Bündnisformationen treten wir
für eine sozialististische Perspektive ein.
Beschluss des XVI. Bundeskongresses II. Tagung vom 23.-24. Februar 2024
Vor dem nächsten Bundeskongress wird die Antragsberatungskommission an einem neuen
Ansatz für die Priorisierung von Anträgen arbeiten. Dieser Ansatz kombiniert die
Priorisierung durch die Kommission selbst mit direkten Abstimmungen unter den
Delegierten des Bundeskongresses.
Die Kommission wird weiterhin Anträge nach ihrem Inhalt gruppieren und solche
priorisieren, die beispielsweise aufgrund ihrer Dringlichkeit, ihrer allgemeinen
politischen Bedeutung, ihres starken Rückhalts im Verband oder ihrer unmittelbaren
Auswirkungen auf die Verbandsarbeit in naher Zukunft besonders wichtig sind. Dadurch
soll vermieden werden, dass nur besonders umstrittene Anträge behandelt werden,
während wichtige, aber weniger emotionale Anträge vernachlässigt werden und die
Handlungsfähigkeit des Verbands gefährdet wird.
Zu inhaltlichen Anträgen oder Themenfeldern, die sich nicht durch genannte Faktoren
hervorheben, soll eine direktdemokratische Priorisierung stattfinden. Konkret heißt
das, dass die Antragsberatungskommission eine Abstimmung zu Beginn des
Bundeskongresses vorbereitet, bei der der Bundeskongress direktdemokratisch
entscheiden kann, welche Anträge oder Themenfelder in welcher Reihenfolge behandelt
werden.
Beschluss des XVI. Bundeskongresses II. Tagung vom 23.-24. Februar 2024
Die neoliberale Wende, die verstärkt seit den 1980er Jahren von Regierenden in den
entwickelten kapitalistischen Ländern eingeleitet worden ist und die auf eine
Kräfteverschiebung zugunsten des Kapitals und auf Kosten der Arbeit abzielte, zeigt
sich auch in der Schuldenbremse.
Die Schuldenbremse ist dabei eine verfassungsrechtliche Regelung, die die
Kreditaufnahme durch öffentliche Haushalte stark einschränkt. Sie wurde in
Deutschland erstmals 2009 auf Wirken der Großen Koalition durch eine Änderung des
Grundgesetzes im Bund verankert. Im nachfolgenden Jahrzehnt folgten viele
Bundesländer dem Beispiel des Bundes. In dieser Form ist sie in Deutschland
einzigartig. Keine andere entwickelte Industrienation verfügt über eine vergleichbare
Institution.
Durch die Schuldenbremse werden öffentliche Haushalte faktisch daran gehindert,
öffentliche Güter auszufinanzieren, Sozialleistungen bedarfsgerecht bereit zu stellen
und dringend benötigte Investitionen, wie etwa im Hinblick auf die ökologische
Transformation der Wirtschaft, zu tätigen. Sie ist eine in der Verfassung
festgeschriebene Austeritätspolitik. Das zeigt sich auch aktuell, wo die
Ampelkoalition bei vielen Sozialausgaben kürzt, um die Schuldenbremse einzuhalten.
Die dadurch vertiefte soziale Ungleichheit bildet erst den Nährboden, auf denen die
AfD ihre menschenverachtende Konkurrenzideologie ausbreiten kann. Der AfD gelingt es
dadurch, den gesellschaftlichen Diskurs sowie die Bundesregierung nach rechts zu
drängen, was sich etwa in der Verschärfung des Asylrechts zeigt.
Im Interesse der Arbeiter*innenklasse gilt es, die Schuldenbremse abzuschaffen. Dazu
ist aber eine Analyse über die ökonomische Wirkungsweise der Schuldenbremse
notwendig. Auch muss herausgearbeitet werden, welche Klassen und Klassenfraktionen
ein Interesse an einer Abschaffung der Schuldenbremse haben, um so bündnispolitische
Schlussfolgerungen daraus zu ziehen.
Analyse der Schuldenbremse
Im Gegensatz zu den Einschätzungen einiger linker Gegner*innen der Schuldenbremse,
wonach es sich bei der Schuldenbremse um eine irrationale Ideologie handelt, die der
Wirtschaft klassenübergreifend nur Nachteile verschaffe, stärkt die Schuldenbremse
die Verhandlungsposition des Kapitals gegenüber der Arbeit in dreifacher Hinsicht:
Erstens werden durch die Schuldenbremse Sozialausgaben gekürzt und die Ausgaben für
öffentliche Güter eingespart, wie man derzeit etwa an den Bürgergeld-Kürzungen der
Ampelkoalition sieht. Dadurch wird die Marktabhängigkeit von Arbeiter*innen erhöht.
Das bedeutet, dass Arbeiter*innen ihre Bedürfnisse im geringeren Ausmaß durch die
Inanspruchnahme von Sozialleistungen und von (meist vergünstigten oder kostenlosen)
öffentlichen Dienstleistungen decken können. Um ihre Bedürfnisse dennoch zu
befriedigen, werden Arbeiter*innen abhängiger vom Einkommen, das sie aus dem Verkauf
ihrer Arbeitskraft auf dem Arbeitsmarkt erzielen. Dadurch sinkt der Reservationslohn,
d.h. die Mindesthöhe des Lohns, zu dem ein Arbeitnehmer gerade noch bereit ist, seine
Arbeitskraft zu verkaufen. Damit sinkt das Lohnniveau und steigen die Profite der
Kapitalist*innen. Die Arbeiterschaft wird durch die verstärkte Marktabhängigkeit
zudem diszipliniert und Arbeitskämpfe werden im Keim erstickt, was die Autorität der
Kapitalist*innen stärkt.
Zweitens verhindert die Schuldenbremse eine Wirtschaftspolitik, die für
Vollbeschäftigung sorgt. Das bedeutet, dass der Staat durch die Schuldenbremse stark
eingeschränkt wird, öffentliche Investitionen zu tätigen und den Massenkonsum zu
subventionieren, um dadurch die effektive Nachfrage bis zu einem Punkt zu steigern,
an dem Vollbeschäftigung erreicht sein würde. Wie der polnische, von Karl Marx und
John Maynard Keynes beeinflusste Ökonom Michał Kalecki allerdings bemerkte,¹ würde
durch eine Politik der Vollbeschäftigung die disziplinierende Wirkung von
Arbeitslosigkeit auf die Arbeiter*innenklasse verloren gehen. Die Drohung des Chefs,
jemanden bei allzu laxer Arbeitsmoral „aufs Pflaster zu werfen“, wäre bei
Vollbeschäftigung, bei der Arbeiter*innen ohne viel Mühe einen anderen Arbeitsplatz
finden würden, nicht sehr wirkungsvoll. Die Schuldenbremse ist damit wiederum der
bester Garant für die Aufrechterhaltung der Autorität von Kapitalist*innen in ihren
Betrieben. Auch würde mit Vollbeschäftigung die Streikbereitschaft der Arbeiter*innen
steigen. Steigende Löhne und sinkende Profite wären die Folge, was ebenfalls nicht im
Klasseninteresse der Kapitalist*innen liegt.
Drittens schränkt die Schuldenbremse ganz allgemein die Handlungsfähigkeit des
Staates ein und macht staatliche Wirtschaftspolitik abhängiger von den Wünschen der
Kapitalist*innen. In einer Rezession wird dem Staat durch die Schuldenbremse die
Möglichkeit genommen, durch öffentliche Investitionen und Ankurbelung des
Massenkonsums die Krise zu überwinden. Stattdessen muss der Staat die Bedingungen für
private Investitionen verbessern. Dies gibt den Kapitalist*innen eine mächtige
indirekte Kontrolle über die Regierungspolitik. Die Schuldenbremse zwingt die
Politiker*innen in Regierungsverantwortung automatisch nach der Pfeife des Kapitals
zu tanzen.
Darüber hinaus gibt es aus Sicht der Kapitalist*innenklasse auch gute Gründe für eine
Abschaffung der Schuldenbremse:
Erstens wird der Staat durch die Schuldenbremse in seiner Rolle als ideeller
Gesamtkapitalist eingeschränkt. Kapitalist*innen sind in vielerlei Hinsicht von einer
gut funktonierenden öffentlichen Infrastruktur abhängig sowie von – zumeist in
öffentlichen Bildungseinrichtungen – ausgebildeten Arbeitskräften. Eine mangelnde
öffentliche Infrastruktur wirkt als Bremse fürs private Geschäft.
Zweitens verhindert die Schuldenbremse öffentliche Investitionen in die ökologische
Transformation der Wirtschaft. Wie der Brandbrief von 50 namhaften deutschen
Unternehmen (u.a. Puma, Rossmann, Telekom und Thyssenkrupp) vom Januar 2024 zeigt,
haben Teile der Kapitalist*innenklasse ein Interesse an einem klimafreundlichen Umbau
der Wirtschaft. Dies tun sie aber nicht aus schlechtem Gewissen, sondern weil der
„Standort Deutschland“ in Bezug auf klimafreundliche Technologien in der
internationalen Konkurrenz abgehängt zu werden droht, wie der Verweis auf die
Vereinigten Staaten und China im Brandbrief zeigt, die „gewaltige Summen in die
Transformation“ investierten. Die unterzeichnenden Unternehmen fordern daher eine
„Weiterentwicklung der Schuldenbremse“, also eine Aufweichung dieser, wenngleich
nicht ihre Abschaffung.²
Drittens kann eine Politik, die auf eine Stärkung der Kaufkraft abzielt – die aber
durch die Schuldenbremse verhindert wird – insbesondere in Zeiten einer Rezession den
Unternehmen dabei helfen, ihren Absatz zu steigern. Davon profitieren insbesondere
Branchen, die unmittelbar für den Konsum produzieren. Es gilt allerdings zu beachten,
dass eine Stärkung der effektiven Nachfrage auch zu steigenden Löhnen auf Kosten der
Profite führt, wie oben erläutert. Insbesondere in einer exportorientierten
Wirtschaft wie der deutschen hat eine Stärkung der Binnennachfrage allein den
negativen Effekt auf die Kapitalist*innen, dass steigende Löhne die Profite
auffressen, ohne dass dadurch der Absatz gestärkt werden würde. Das liegt daran, dass
sich die Nachfrage für diese exportorientierten Industrien nicht im Inland, sondern
im Ausland befindet. Diese widersprüchliche Interessenkonstellation des Kapitals kann
auch historisch anhand des New Deal in den Vereinigten Staaten aufgezeigt werden, der
ein in der Geschichte der USA einmaliges Programm zur Steigerung der Massenkaufkraft
darstellte. Während nämlich insbesondere die Kapitalist*innen der konsumorientierten
Wirtschaftszweige, wie der Elektronik- und Bekleidungsindustrie, den keynesianischen
New Deal unterstützten, gehörten die Kapitalist*innen der arbeitsintensiven
Industrien, die von Lohnsteigerungen am meisten negativ betroffen waren, tendenziell
zu den Gegner*innen der Politik Roosevelts.³
Strategie gegen die Schuldenbremse
Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass eine antizyklische Investitionspolitik in
Zeiten einer Rezession gegen rechts hilft. Während in Deutschland die
Weltwirtschaftskrise mit einer rabiaten Sparpolitik unter dem Reichskanzler Heinrich
Brüning beantwortet wurde und so dem Faschismus den Weg bereitete, gelang es
fortschrittlichen Kräften in den USA 1932 das Ruder herumzureißen. Durch ein
Klassenbündnis, das die Arbeiter*innenklasse in Form von Gewerkschaften und Teile der
Kapitalist*innenklasse umfasste, wurde unter der Präsidentschaft Franklin D.
Roosevelts der New Deal umgesetzt – ein umfassendes Investitionsprogramm in Arbeit,
Kultur, Bildung und Infrastruktur. Er erwirkte enorme Lebensverbesserungen für viele
Arbeiter*innen. Auch Teile der Kapitalist*innenklasse profitierten von einer Stärkung
der Massenkaufkraft. Damit wurde ein Weg aus der Krise aufgezeigt, der sich von der
Sparpolitik Brünings abhob und den Aufstieg faschistischer Bewegungen entgegenwirkte.
Auch heute kann eine solche Politik, die auf die Stärkung der Massenkaufkraft
abzielt, die Unzufriedenheit in breiten Teilen der Bevölkerung verringern. Damit wird
der AfD, die diese Unzufriedenheit für ihre rassistische Politik instrumentalisiert,
das Wasser abgegraben.
Weil die Kapitalist*innenklasse bei der Schuldenbremse gespalten ist, macht es für
uns als Sozialist*innen Sinn, in dieser Frage eine „Volksfrontstrategie“ zu
verfolgen. Das bedeute, dass wir bei Bündnissen gegen die Schuldenbremse neben
Gewerkschaften, Sozialverbänden und anderen Akteur*innen, die die Interessen von
Arbeiter*innen vertreten, auch die Teile der Kapitalist*innenklasse mit ins Boot
holen, die auf eine Aufweichung oder Abschaffung der Schuldenbremse hinwirken. Wie
Karl Marx und Friedrich Engels im „Manifest der Kommunistischen Partei“ schrieben,
erringt die Arbeiter*innenklasse reformerische Erfolge in ihrem Sinne auch dadurch,
„indem sie die Spaltungen der Bourgeoisie unter sich benutzt.“⁴
Zugleich hat die jahrzehntelange ideologische Indoktrination durch Politik und Medien
eine Situation geschaffen, in der ein Großteil der Bevölkerung die Beibehaltung der
Schuldenbremse befürwortet. Um diesen Zustand zu bekämpfen braucht es neben einer
klugen Bündnispolitik auch eine umfassende ökonomische „Alphabetisierung“ der
Bevölkerung und den Aufbau einer überzeugenden Gegenerzählung zur Metapher der
„schwäbischen Hausfrau“ für öffentliche Haushalte.
In linken Kontexten müssen wir zudem der keynesianisch inspirierten Erzählung
entschieden entgegentreten, wonach das Festhalten an der Schuldenbremse und eine
Sparpolitik irrational sei, weil dies der Wirtschaft klassenübergreifend nur
Nachteile verschaffe. Diese Erzählung ignoriert den Klassenwiderspruch und die
Tatsache, dass Austeritätspolitik allgemein die Verhandlungsposition der Arbeit
gegenüber dem Kapital schwächt.
—–
Anmerkungen:
¹ vgl. Kalecki, Michał [1943] (2018): Political Aspects of Full Employment.
jacobin.com. Online verfügbar unter:
https://jacobin.com/2018/05/political-aspects-of-full-employment-kalecki-job-
guarantee, zuletzt geprüft am 11.02.2024
² Zitate aus: Stiftung KlimaWirtschaft (2024): Die Transformation als
Jahrhundertprojekt. Was die Wirtschaft von der Politik braucht. klimawirtschaft.org.
Online verfügbar unter:
https://klimawirtschaft.org/publikationen/positionen/unternehmensappell2024, zuletzt
geprüft am 11.02.2024
³ vgl. Phillips-Fein, Kim (2009): Invisible Hands. The Businessmen’s Crusade Against
the New Deal. New York, London: W. W. Norton, Kapitel 1: Paradise Lost [ebook]
⁴ MEW 4, S. 471
Beschluss des XVI. Bundeskongresses II. Tagung vom 23.-24. Februar 2024
Nach den Enthüllungen über das Potsdamer Treffen diverser rechter Akteure, darunter
auch Mitglieder der CDU, in denen groß angelegte Pläne zur Ausbürgerung und
Deportation von Personen mit Migrationshintergrund ausgearbeitet wurden, hat es
diverse Massendemonstrationen in der ganzen BRD gegeben. Ihr Anliegen ist in Teilen
diffus. Sie wenden sich unter anderem “gegen rechts”, gegen Abschiebungen oder für
ein Verbot der AfD durch die staatlichen Behörden.
Was klar sein sollte: Die Pläne der AfD und des rechten Flügels der CDU sind in ihrem
Ausmaß erschreckend und sie sind weitergehend als die bisherigen Pläne der
Regierungsparteien und der CDU. Sie reihen sich allerdings ein in eine Tradition der
rassistischen Grenz- und Migrationspolitik, die letztens mit den GEAS-Reformen und
der Verabschiedung des “Rückführungsverbesserungsgesetzes” deutlich wurde. Wenn also
jetzt Mitglieder der regierenden Parteien gegen „Remigration“ auf die Straße gehen,
dann ist das nicht nur verlogen und heuchlerisch, sondern auch gefährlich. Es
normalisiert die gegenwärtige Praxis von Abschiebungen und legitimiert sie als Teil
des bürgerlichen Rechtsstaates. So erscheint es für Bürgerliche und Liberale, als ob
zwischen einer „normalen“ Abschiebung und einer Deportation, wie Teile der AfD sie
nun immer offener diskutieren, Welten liegen. Tatsächlich war es jedoch die
Unionsfraktion im Bundestag, die unlängst unter Heranziehung schwammiger Kriterien
eine erleichterte Ausbürgerung von Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft offen
forderte und hierfür Zuspruch erhielt [1].
Dies alles ist Resultat einer seit Jahrzehnten andauernden rassistischen Kampagne,
die die Angst vor einer “Asylflut“ und einer dementsprechenden „Überforderung“
deutscher Behörden und der Bevölkerung schürt, wie etwa zahlreiche Cover des Magazins
„Der Spiegel“ aus der Zeit seit 1992 [2] oder hetzerische Berichte der Bild-Zeitung
belegen. Diese Form der Berichterstattung zusammen mit den Forderungen der
“Begrenzung“ von Migration aus verschiedensten Parteien schafft ein gefährliches
Klima für Migrant*innen und Geflüchtete. 2023 haben die Angriffe auf Geflüchtete im
Vergleich zum Vorjahr stark zugenommen. In den ersten drei Quartalen von 2023 gab es
1515 dieser Angriffe (1371 im gesamten Jahr 2022) [3].
Dass auch ehemals für ihre Solidarität mit Geflüchteten bekannte Parteien wie die
Grünen nun eine solche Politik mittragen, verdeutlicht die Macht dieses Narrativs und
seine Übernahme durch vermeintlich progressive Akteure.
Zur Bekämpfung der rassistischen Gewalt müssen wir an die Ursache gehen. Die
Migrationspolitik Deutschlands und der EU ist geprägt von rassistischer Selektion.
Migrant*innen werden von den Staaten der EU auf diverse Weise entmenschlicht. Kern
dieser Entmenschlichung ist ihre ökonomische Verwertung.
Dass auch ehemals für ihre Solidarität mit Geflüchteten bekannte Parteien wie die
Grünen nun eine solche Politik mittragen, verdeutlicht die Macht dieses Narrativs und
seine Übernahme durch vermeintlich progressive Akteure.
Zur Bekämpfung der rassistischen Gewalt müssen wir an die Ursache gehen. Die
Migrationspolitik Deutschlands und der EU ist geprägt von rassistischer Selektion.
Migrant*innen werden von den Staaten der EU auf diverse Weise entmenschlicht. Kern
dieser Entmenschlichung ist ihre ökonomische Verwertung.
Neben der Prekarisierung findet auch eine extreme Illegalisierung statt. Mit
zunehmender Verschärfung der Gesetze leben Menschen in Angst vor Abschiebung und vor
rassistischen Polizeikontrollen, beispielsweise wenn in migrantisch geprägten
Stadtteilen zusätzliche Polizeiwachen eingerichtet werden oder verstärkte Kontrollen
stattfinden.
Auf der anderen Seite dienen Migrant*innen als permanente Drohkulisse, sie stellen
das „Fremde“ dar. Dies zeigt sich immer wieder in den Debatten um eine „Leitkultur“,
um „importierten Antisemitismus“ oder über den „Zusammenbruch“ des Asyl-Systems.
Implizit oder explizit wird deutlich, dass sie unerwünscht sind und entfernt werden
sollen.
Diese Doppelrolle dient dem Kapital insofern, dass sie Arbeiter*innen zur Verfügung
haben, die einerseits den Lohn drücken und andererseits zu schlechte Bedingungen
vorfinden, um sich als Arbeiter zu organisieren. Zu dieser Bekämpfung des
Klassenbewusstseins durch die Kapitalisten zählen auch die geschürten Ängste. Nur
durch ein starkes Klassenbewusstsein kann dieses Spiel entlarvt werden.
Als sozialistischer und antirassistischer Verband ist unser Ziel die Überwindung des
Kapitalismus und der damit einhergehenden (Über-)Ausbeutung und Diskriminierung.
In seinem Weg an die Macht greift der Faschismus dabei die vom Kapitalismus notwendigerweise ausgehende Unzufriedenheit auf, beschränkt sich dabei jedoch nicht auf eine bestimmte Form der Diskriminierung. Heutzutage dienen dem Faschismus besonders Migrant*innen und von antimuslimischen Rassismus Betroffene als Sündenböcke. In erster Linie zielt der Faschismus damit darauf ab eine Heimatfront zur totalen Durchsetzung der imperialistischen Ziele zu schaffen. Weitergehend müssen wir als Sozialist*innen und Antifaschist*innen einen tiefergehenden Diskurs über die Faschismusanalyse und die notwendigen Formen des Antifaschismus führen. Bürgerliche Faschismusanalysen lehnen wir ab, denn sie relativieren den Wirtschafts- und Außenpolitik, die sie zusammen mit den westlichen Staaten durchsetzt
ein wesentlicher Akteur bei der Entstehung von Krisen und Fluchtursachen. Im
Kapitalismus sind Kriege, Flucht und Vertreibung traurige Normalität. Migration und
Flucht sind aber darüber hinaus ein in der Geschichte kapitalistischer Staaten immer
dagewesenes Phänomen. Wir wehren uns gegen die Instrumentalisierung von Menschen, die
ein besseres Leben suchen, egal ob sie vor Krieg, Klimakatastrophen oder Armut
fliehen.
Stattdessen müssen wir die kollektive Absicherung besserer Lebensgrundlagen entgegen
der Verwertungslogik garantieren, entgegen den ökonomischen Zwängen und der
rassistischen Logik im kapitalistischen System. Bis dahin müssen wir uns für eine
Erhaltung und Ausweitung des Asylrechts einsetzen. Für Geflüchtete und Migrant*innen
müssen eine geeignete Aufnahme und der Zugang zu Bildung und Arbeit sowie die
Voraussetzungen dazu, Bleibe, Versorgung, Sprache, usw. umfassend gewährleistet
werden.
Auch die Friedenspolitik als intrinsischer Teil der Bekämpfung von Fluchtursachen
müssen wir in den Blick nehmen. Schlussendlich darf das Ziel hierbei nicht eine
nationale Abschottung sein, sondern die Überwindung nationalistischer und
chauvinistischer Narrative und die Förderung eines proletarischen Internationalismus,
der die Grenzen der Nationalstaaten überwindet. Denn unsere kollektive Befreiung
können und werden wir nur gemeinsam erkämpfen!
[1] https://www.zeit.de/politik/deutschland/2023-11/csu-herrmann-doppelte-staatsbuergerschaft-aberkennung-straftaten
[2] https://uebermedien.de/88481/wie-der-spiegel-sich-aus-einem-foto-sein-bedrohliches-fluechtlings-cover-bastelte/
[3] https://www.tagesschau.de/inland/uebergriffe-gefluechtete-100.html
Beschluss des XVI. Bundeskongresses am 27.-29. Oktober 2023 in Frankfurt am Main
Wir müssen eine neue Strategie finden und diese gemeinsam verwirklichen. In letzter Zeit sind die Forderungen nach Veränderungen und einer neuen Ausrichtung immer lauter geworden in der Linksjugend [`solid]. Wir sind Alle Teil eines antifaschistischen, basisdemokratischen, feministischen und sozialistischen Jugendverbandes. Mit diesem Selbstverständnis ist die Basis geschaffen für die Erarbeitung einer verbandsweiten Strategie.
Um auf die Krisen unserer Zeit reagieren zu können, brauchen wir als Verband eine klare strategische Ausrichtung. Wir sind Alle Teil eines antifaschistischen, basisdemokratischen, feministischen und sozialistischen Jugendverbandes. In den letzten Jahren haben wir die Grundsteine für eine strategische Orientierung des Verbands auf massenhafte Organisierung, Selbstbefreiung und Politik, die an die Interessenlage der Menschen selbst anknüpft, gelegt. Da sich die politische Situation aber immer weiter entwickelt, ist es notwendig, diese Ausrichtung zu konkretisieren und zu aktualisieren.
Dies ist ein langer Prozess, bei welchem jegliche Strukturen und Perspektiven miteinbezogen werden müssen, um unseren basisdemokratischen Ansprüchen gerecht zu werden. Die Strategie für das kommende Jahr muss inhaltliche Antworten auf anhaltende und verstärkte Krisen sowie auf einen tiefgreifenden politischen Wandel der Gesellschaft geben.
Wir befinden uns an der Schwelle zu wahrhaft dystopischen Zeiten. Es wird immer stärker erforscht, wann wir Kipp-Punkte erreichen und Forscher:innen werden dahingehend immer pessimistischer. Die aktuelle Klimakrise ist menschengemacht. Nicht, weil Menschen aus sich heraus schlecht sind, sondern weil im Kapitalismus Profit – statt den Bedürfnissen der Menschen und den Grenzen der Erde – an erster Stelle steht.
Obwohl die Uhr tickt, scheint es beinahe so, als würde die anhaltende Klimakrise in Vergessenheit geraten. Fridays for Future verliert Relevanz, linke Organisationen beteiligen sich immer weniger an der Klimabewegung, das mediale Interesse ist am Schrumpfen und auch die wahren Ursachen sowie sämtliche Ausmaße der Klimakrise werden verkannt. Der Konflikt zwischen dem Kampf für eine gute Arbeit und gegen die Klimakrise spitzt sich zu: Viele Arbeiter:innen sehen ihre eigenen Arbeitsplätze in Grüner Klimapolitik bedroht oder haben Angst davor, dass Mehrkosten für Grünen Kapitalismus auf sie abgewälzt werden. Während es gute Ansätze gibt, wie z.B. eine wachsende Kooperation zwischen Gewerkschaften und Klimabewegung, sind diese erst in den Startlöchern.
Für uns ist klar: Der Kapitalismus muss als Kernursache der Klimakrise benannt und angegriffen werden, denn diese Krise können wir innerhalb eines kapitalistischen Systems nicht überwinden. Unternehmen im Kapitalismus sind dazu gezwungen, Profit zu machen. Wenn sie sich dagegen weigern, gehen sie bankrott und verlieren ihren Standortvorteil; kurz: sie gehen im Konkurrenzkampf unter. Das Abschöpfen von Profit ist allerdings erst dadurch möglich, dass Arbeiter:innen nicht angemessen ihrer Arbeit entlohnt und nicht als die tatsächlichen Produzent:innen von gesellschaftlichem Wohlstand anerkannt werden. Kapitalismus bewegt sich dauerhaft in diesem Widerspruch, welcher ihn selbst droht, zu zerreißen: Kapitalisten sind angewiesen auf menschliche Arbeitskraft und gleichzeitig auf ihre Ausbeutung. Auch eine Klimakrise wird langfristig unbezahlbar und kurzfristige Gewinne bedeutungslos werden, wenn Kapitalismus bestehen bleibt. Und trotzdem boomen die Investitionen in fossile Rohstoffe.
Einerseits beuten Unternehmen im Kapitalismus also Natur und Menschen aus. Die Ausbeutung von Arbeitskraft ist die Basis von der Existenz von Unternehmen, die Basis von Profit und somit die Basis von Klimaschäden im Namen von Profit. Wir sagen nicht, dass wir mit einem Ende von Kapitalismus keinen Finger mehr krumm machen müssen, sondern dass wir gemeinsam planen können, wie wir auf dieser Erde leben möchten und es nicht der Markt bestimmt. Andererseits treiben die Unternehmen ein mieses Spiel, indem sie uns Grünen Kapitalismus verkaufen wollen. Versunken in Melancholie und (Des-)Illusion mag das uns zunächst wie eine okaye, wenn nicht hinnehmbare Lösung scheinen. „Klimaschutz“ ohne das Ziel, Kapitalismus zu überwinden, greift allerdings nicht Ausbeutung als Quelle von Profit und somit auch nicht Profit als Quelle von Klimaschaden an. Deshalb muss Klimaschutz den Kampf gegen Ausbeutung einschließen. Die Klimamaßnahmen, die wir fordern, müssen sozial verträglich, wenn nicht revolutionär sein.
Solange Konkurrenzzwang Unternehmen zu Profitmaximierung drängt, steht dieser über dem Klimaschutz. Im Kapitalismus steht der klimaschädliche Wachstumszwang im Mittelpunkt. Hinzu kommt, dass durch die Ausdehnung des Welthandels nach kapitalistischem Drängen Ausbeutung auf globalem Niveau intensiviert, die Abhängigkeit der Peripherie von den kapitalistischen Zentren vergrößert und der Klimawandel vorangetrieben wird. Wie eh und je ist das Ziel der Bourgeoisie, so günstig wie möglich zu produzieren, koste es die Arbeiter:innen und die Welt, was es wolle. In das Wesen vom Kapitalismus ist eingeschrieben, dass die Bourgeoisie mit Gewalt ihren Absatzmarkt ausdehnt und ihre Produktion dorthin verlagert, wo sie die Arbeiter:innen am intensivsten ausbeuten „kann“. Das hängt dann wiederum davon ab, wie hoch die Arbeitslosigkeit und der Lebensstandard vor Ort ist und wie viel Gewalt zur Erreichung dieses Ziels angewandt wird. In der zugespitzten kapitalistischen Krise setzt die herrschende Klasse in neuer Dreistigkeit auf Expansion nach Außen und Militarisierung nach Innen. Deshalb muss der Kampf gegen Imperialismus Kapitalismus angreifen und umgekehrt.
Dass die Energiekonzerne (auch in Deutschland selbst) von sich aus nicht aufhören werden, fossile Energieträger abzubauen, haben wir in Lützerath gesehen. Jedoch hat uns Lützerath ebenso gezeigt, dass wir uns in der Klimabewegung zahlreich zusammenschließen und gemeinsam gegen das System ankämpfen können. Dass die vergangenen Kämpfe um Klimagerechtigkeit in uns weiterleben und immer mehr Leute auf Basis der Klimakrise politisch aktiv werden.
Obwohl der Neoliberalismus als politische Ideologie in den letzten Jahren an Einfluss verloren hat und, wie beispielsweise in Form der Corona-Hilfen, der staatlichen Intervention in die Impfstoff-Produktion oder der Einführung des Gaspreisdeckels deutlich wird, Staatsinterventionismus wieder zunimmt, scheint linke Reformpolitik grade wenig erfolgreich. Ohne den Aufbau von Gegenmacht und Hegemonie in der breiten Bevölkerung ist es illusorisch, zu denken, dass kluge Parlamentspolitik tatsächlichen Wandel bringen wird. Für DIE LINKE ist es eine Herausforderung, dass sie zwar viel fordert, aber keine Strategie hat, ihre Ziele auch durchzusetzen. Dabei ist auch ein zu unkritischer Blick auf die Rolle des Staats im Kapitalismus ein Teil des Problems.
Ganz andere Dinge machen der LINKEN ebenfalls zu schaffen: Die ständig diskutierte Abspaltung der S.W. dominiert die Medien. Dies ist zwar wenig überraschend angesichts deren Vorurteil, die gesellschaftliche Linke würde sich immer streiten und sei grundlos rebellisch. Auch die Frage nach dem Behalt des Fraktionsstatus umgibt DIE LINKE.
Dadurch wird ein Wandel der Partei DIE LINKE notwendig. Viele hoffen auf eine Erneuerung der LINKEN, wie wir als Jugendverband sie schon lange eingefordert haben. Wir werden in diesen Prozess weiterhin unsere Perspektiven einbringen, die wir in der Vergangenheit schon formuliert haben. Dabei ist für uns klar: DIE LINKE. muss trotz vergangener und bestehender Konflikte ebenso Kommunikationsbereitschaft zeigen. Wir möchten unseren Einfluss auf politische Entscheidungen der Fraktionen in den Landtagen ausweiten und sichern, indem wir auf den Listen, die die Aufstellungsversammlungen der Partei beschließen, Jugendkandidaturen aus dem Jugendverband platzieren. Jugendwahlkampagnen können eine starke Strahlkraft haben, sowohl während des Wahlkampfs als Angebot für junge Menschen DIE LINKE. zu wählen oder der Linksjugend beizutreten, als auch während der Legislatur, indem der Jugendverband so aktiv einbezogen wird ins parlamentarische Geschehen. Wir begrüßen, dass der Landesverband Thüringen nun diesem Beispiel folgt und möchten das Konzept auch auf die Landtagswahlen in Brandenburg ausweiten.
Aktuell macht uns jedoch nicht nur die Klimakrise oder die Zustände in unserer Mutterpartei DIE LINKE. zu schaffen, sondern vor allem der rasante Anstieg der gesellschaftlichen Zustimmung zu rechtsextremer Ideologie. Die COVID-Pandemie hat uns gezeigt, wie stark sich Arbeit intensivieren kann und damit auch Geschlechterunterschiede sich verschärfen. Wie schnell in Krisen Antisemitismus wieder Aufschwung gewinnen kann. Sie hat uns auch gezeigt, dass das aktuelle System an Rückhalt verliert. Und trotzdem bewegen wir uns wie Zombies durch die Welt, kaputt von unserer (Lohn-)Arbeit.
Das System von Ausbeutung, indem wir leben, verliert stark an Rückhalt und das in der gesamten Gesellschaft. Dies geht so weit, dass Menschen die Demokratie in Frage stellen. Es steht außer Frage, es braucht dringend Veränderung. Veränderungen, die es schaffen, dass wieder mehr Vertrauen in unser politisches System gesetzt werden kann. Insbesondere eine generelle Melancholie und Desillusion versperren neuen progressiven Ideen den Weg.
Sowohl im Osten wie auch im Westen Deutschlands nehmen rechte Parteien immer mehr Einfluss. Wie konnte es so weit kommen und was können wir als Linke dagegen tun? Klar ist, es braucht einen starken Zusammenhalt der gesellschaftlichen Linken, den wir aufbauen müssen. Eine schlagkräftige Strategie ist bei der Bekämpfung der Rechten wichtiger denn je. Zeitgleich muss uns bewusst sein, dass zahlreiche Wähler:innen der Rechten, diese nicht aus Überzeugung wählen, sondern aus Protest, Unwissenheit und generellen Unzufriedenheit. Hier können wir anknüpfen und müssen eine linke Perspektive sowie Lösungsansätze bieten.
Wenn wir die Hoffnung aufgeben, ist klar, dass aktuell (besonders) Unterdrückte die Arbeit übernehmen werden, die damit verbunden ist, die Klimaschäden bestmöglich zu vermindern. Und diese Arbeit wird im Kapitalismus ins Unendliche wachsen. Es ist nämlich nicht so, dass Ölvorkommen verknappen, es werden immer mehr entdeckt! Und Kipp-Punkte bewirken, dass Schäden nicht linear, sondern exponentiell auf uns zukommen, wenn wir nicht angemessen dagegen vorgehen. Noch ist nicht alles verloren!
Gerade jetzt ist es umso wichtiger, dass nicht eine winzige Minderheit sich immer mehr Reichtum aneignet und über die restliche Bevölkerung und die Welt, in der wir leben, bestimmt. Gerade weil wir an der Schwelle zu wahrhaft dystopischen Zeiten stehen, müssen wir uns jetzt dafür einsetzen, dass wir unabhängig von Profitinteressen darüber demokratisch bestimmen können, wie wir zusammenleben.
Damit wir uns organisieren können, brauchen wir Utopien. Wir brauchen gegenseitiges Vertrauen und Hoffnung – in uns gegenseitig, in die Menschheit und in uns selbst. Ein Glück, dass wir Marxist:innen sind und an die Befreiung aller glauben. In unserer Utopie gibt jeder nach seinen Fähigkeiten und erhält jede nach ihren Bedürfnissen. Arbeit wird von Abhängigkeit befreit und wir arbeiten, weil wir die Arbeit als Antrieb der Gesellschaft sehen. Und haben trotzdem mehr Zeit für uns: Für künstlerisches Schaffen, für unsere Freunde, für gutes Essen und für Erholung. Und die Welt, in der wir leben, hindert uns nicht mehr in unserem Sein: Nicht mehr Autos bestimmen Städte, sondern die Menschen, die in ihnen wohnen.
Damit wir in unserer Organisierung nicht in Melancholie versinken oder nach dem ersten Misserfolg desillusioniert werden, müssen wir uns eine Strategie überlegen, wie wir zu einem guten Leben für alle hinkommen. Und die Möglichkeit von Veränderung erfahren, damit wir Glauben gewinnen, dass wir diese auch umsetzen können.
Unsere Strategie können wir nur gemeinsam umsetzen.
Es ist wichtig, dass wir uns als Organisation finden und uns vertrauen lernen. In Zeiten wie diesen gibt uns Vertrauen Halt, macht erst Organisierung möglich und schenkt uns etwas Glück im Unglück. Vertrauen bedeutet allerdings nicht, blind auf etwas zu hoffen. Vertrauen kann erst dann wachsen, wenn die Worte von Menschen mit ihren Taten übereinstimmen und wenn alle gemeinsam Verantwortung übernehmen für unser gemeinsames Projekt: Sozialismus.
Deshalb möchten wir uns immer dagegen aussprechen, wenn Genoss:innen nicht als allererstes ein Gespräch miteinander suchen. Wir müssen nicht alle die größten Fans von unseren Persönlichkeiten sein, müssen als Genoss:innen allerdings solidarisch miteinander sein. Dazu gehört, im Zweifel uns gegenseitig zu vertrauen, bis uns das Gegenteil bewiesen wurde. Auch dann suchen wir zunächst das Gespräch und wenden uns weder an Twitter noch an einen Gossip-Kreis.
Um unseren Zusammenhalt zu stärken, ist unverzichtbar, dass wir auf Großveranstaltungen wie dem Sommercamp lange zusammenkommen und uns immer wieder daran erinnern, dass wir trotz Dissensen vor allem eins sind: Genoss:innen. Auch, wenn der Strategieprozess nie aufhört und immer wieder evaluiert werden muss, soll Grundpfeiler unserer Strategie folgendes sein:
Gemeinsam als Organisation für Sozialismus zu kämpfen, kann nicht heißen, sich von einer breiteren Bewegung zu isolieren. Eine breite Arbeiter:innenbewegung, feministische und antirassistische Bewegung muss allerdings erst einmal entstehen. Das wird sie nicht im Internet, nicht im Überzeugen von Rechten, sondern im gemeinsamen Organisieren und Druck-Aufbauen.
Damit sich eine Massenbewegung herausbilden kann, spielen Massenorganisationen eine zentrale Rolle. Organisationen, in denen nicht nur Leute, die Geisteswissenschaften studieren oder studiert haben, sich versammeln, sondern alle Arbeiter:innen. Wie genau wir dahin kommen und in welcher Organisation genau, bleibt offen. Deshalb ist wichtig, dass wir uns als Organisation nächstes Jahr damit beschäftigen, wer wir selbst sind und wer wir als Linksjugend [´solid] sein wollen.
Um dem Sozialismus näher zu kommen, müssen wir den Kapitalismus an seinen Widersprüchen angreifen, die ihn drohen, zu zerreißen. Dafür ist erstens notwendig, dass wir diese Widersprüche und ihre aktuelle Gestalt erkennen, aktuell bedeutende Kämpfe als solche wahrnehmen (lernen) oder zu bedeutenden Kämpfen machen und zweitens, gemeinsam als Linksjugend [`solid] eingreifen. Es ist wichtig, dass wir stärker auf Arbeitskämpfe setzen als die Kämpfe, die das Kapital unmittelbar unter Druck setzen und eine starke Politisierungs- und Organisationskraft haben.
Wir müssen uns überlegen, wie wir sinnvoll wo intervenieren und mit wem. Gleichzeitig lassen sich kluge Pläne nicht in stillem und isoliertem Philosophieren schmieden, sondern am besten im Kampf: Statt in Selbstbeschäftigung zu versinken, müssen wir uns stattdessen auch stärker in konkreten bedeutenden aktuellen Kämpfen beteiligen. Diese Kämpfe sollen vor allem solche sein, die uns am stärksten betreffen: Damit unsere Mitglieder sich stärker untereinander organisieren, ist es wichtig, dass wir die Bildung von Auszubildenden- und Schüler:innengruppen weiter vorantreiben. Damit wir wissen, in welchen Arbeitskämpfen unsere Mitglieder ohnehin involviert sind, weil sie ihre eigenen Jobs betreffen, führen wir eine Umfrage darüber durch, in welcher Branche unsere Mitglieder lohnarbeiten, ob sie gewerkschaftlich aktiv sind und wenn ja, in welcher Gewerkschaft.
Außerdem ist wichtig, dass unsere Landesverbände in eine stärkere Kommunikation miteinander gehen, damit wir in der Lage sind, gemeinsam Schlagkraft aufzubauen: Der Austausch über aktuelle Projekte, Strukturen und gemeinsame Ziele spielt dabei eine besonders große Rolle und dient ebenso dem Erfahrungsaustausch sowie dem Entwickeln einer gemeinsamen Praxis. Wir wollen die Zusammenarbeit von Landesverbänden und dem Bundesverband stärken, um strukturell schwache Regionen zu unterstützen. Es braucht einen starken linken Jugendverband auf allen Ebenen, von Basis über die Landesverbände bis hin zum Bundesverband, um gemeinsam für unsere Utopie zu kämpfen.
Damit wir das gemeinsam tun können, ist wichtig, dass wir unsere Sehschärfe in unseren politischen Bildungsprogrammen stärken. Diese sollen sich einerseits an Neumitglieder, andererseits an theoretisch sicherere Mitglieder richten. Wir möchten auch mehr Mitglieder für Bildungsarbeit ausbilden.
Weil wir auch in Selbstbeschäftigung und in der Auseinandersetzung in konkreten Kämpfen hin und wieder an unsere Grenzen stoßen werden, möchten wir uns stärker international mit sozialistischen Organisationen vernetzen. Wir halten ein langfristiges, mindestens jährliches Treffen mit einem Austausch über die politische Lage vor Ort und über die eigenen Organisationen für zentral.
Den Umbruch, in dem sich die Partei befindet, wollen wir als Jugendverband strategisch nutzen, um unsere Forderungen durchzubringen. Hierbei können unsere Jugendkandidaturen ein wichtiges Mittel sein. Es braucht soziale Lösungen für soziale Probleme. Wir fordern folgende Maßnahmen, um kurzfristig die Situation der präkarisierten der Gesellschaft zu verbessern, während wir langfristig für ein gutes Leben für alle in einer klassenlosen Gesellschaft kämpfen:
Wir fordern eine Abschaffung der Schuldenbremse, insbesondere für Investitionen in Bildung, Soziales und Infrastruktur. Wir unterstützen als Jugendverband die Kampagne „100 Milliarden für Bildung.“
Wir fordern einen (Alters-)Armutsfesten Mindestlohn von 16€. Außerdem fordern wir weiterhin eine Mindestausbildungsvergütung von 1400€ Brutto. Mindestlohn, Ausbildungsvergütungen und Bafög sollen jährlich an die Inflation angepasst werden.
Wir wollen bezahlbaren Wohnraum für alle! Städte und Kommunen sollen ihr Vorkaufsrecht für Immobilen nutzen, damit keine Investor*innen vom Wohnungsmarkt profitieren, sondern die Kund*innen von städtischen und kommunalen Wohnungsgesellschaften. Der Wohnungsmarkt muss langfristig vergesellschaftet werden, damit Immobilien kein Spekulationsobjekt bleiben. Überall dort, wo es keine städtischen oder kommunalen Wohnungsunternehmen gibt, müssen sie gegründet werden. Zudem ist es wichtig, dass wir darauf hinwirken, dass der städtische (Sozial- )Wohnungsbau vorangetrieben wird, und nicht dem privaten Markt überlassen wird.
Kostenloser, ausfinanzierter und ausgebauter ÖPNV jetzt! Wir wollen das 49€-Ticket zum 0€-Ticket machen. Es muss endlich genug Geld für den Ausbau des ÖPNV geben. Insbesondere für Randgebiete und ländliche Gegenden. Als Linksjugend unterstützen wir die Kampagne „Wir fahren zusammen“ und sind bereits in einigen Landesverbänden mit den Organisator:innen vernetzt.
Außerdem fordern wir Steuererhöhungen für Topverdiener:innen, und Entlastungen für Arbeiter:innen. Die Vermögenssteuer braucht ein Comeback!
Wir als Mitglieder der Linksjugend [´solid] kämpfen gemeinsam für eine Befreiung aller.
Wir kämpfen für Sozialismus, ein Ende des Patriarchats und von Rassismus und für ein gutes Leben für alle. Deshalb ist wichtig, dass in unserem Verband nicht vor allem Männer aktiv sind und im Verhältnis mindestens so viele Leute aktiv sind, die von Rassismus betroffen sind, wie in der Gesamtbevölkerung, auch, wenn unser Ziel größer sein sollte. Wir müssen uns als Verband ernsthaft darüber Gedanken machen, wie wir das gemeinsam erreichen können. Schließlich liegt es vor allem im Interesse von denen, die besonders starke Unterdrückung erfahren, sich selbst zu befreien.
Lasst uns gemeinsam kämpfen – für ein gutes Leben für alle!
Beschluss des XIV. Bundeskongresses am 26.-28. November 2021 digital
Unser Ziel ist eine demokratisch organisierte Wirtschaft, deren gesellschaftliche Aufgabe im Gegensatz zur antidemokratischen, marktwirtschaftlichen Produktionsweise darin besteht, die Bedürfnisse (z.B. Wohnen, Nahrung, Mobilität, Konsumgüter) aller Menschen vollständig zu befriedigen. Wir fordern nichts weniger als das gute Leben für alle.
Wir sind aufgewachsen in einer kapitalistischen Gesellschaft, in der zu oft in Vergessenheit gerät, dass eine Wirtschaft sich an den Bedürfnissen und Fähigkeiten jeder:jedes Einzelnen orientieren kann und (das das Ziel sein) sollte. Die Marktwirtschaft wird als quasi natürliche Ordnung dargestellt, obwohl sie historisch eine eher neue Erscheinung ist und erst seit wenigen Jahrhunderten so prägend wirkt.
Uns wird leider in der Schule, in den Kinos und in der Familie zu selten anderes Wirtschaften vorgestellt, ohne jede andere Wirtschaftsform außer Marktwirtschaft abzuwerten. Uns wird zu selten erklärt, wer ein Interesse daran hegt, dass die Marktwirtschaft bestehen bleibt und zu oft stattdessen betont, dass wir es doch so gut haben und doch eine „soziale“ Marktwirtschaft im Interesse der Gesamtgesellschaft sei. Zusätzlich akzeptiert die Gesellschaft, dass in Universitäten (hauptsächlich BWL) fast ausschließlich neoliberale Theorien gelehrt werden. Wir fordern, betroffene Studiengänge kritisch zu hinterfragen, und kämpfen für diverse Bildung an Universitäten.
Tatsache ist: Soziale Marktwirtschaft ist nicht sozial, sondern sorgt für globale Ausbeutung, unbezahlbaren Wohnraum, ungerechte Löhne und Umweltvernichtung. Die Erhaltung der sozialen Marktwirtschaft liegt im Interesse von denen, die die Produktionsmittel (also die Dinge, die man braucht, um Waren herzustellen) besitzen und nicht im Interesse der Arbeiter:innen, dem Großteil der Bevölkerung. Wie absurd das ist, wird vor allem im Gesicht der Klimakrise deutlich.
Auf dem Markt herrscht immer Kampf aller gegen alle, anstatt bewusst gemeinsam daran zu arbeiten, dass Bedürfnisse gut befriedigt werden und die Umwelt nicht zerstört wird. Wenn Unternehmen „zu sozial“ oder „zu ökologisch“ wirtschaften, wird dies durch den Konkurrenzmechanismus mit dem eigenen Untergang bestraft. Der Markt belohnt also gerade die Akteur:innen, die besonders ausbeuterisch, besonders umweltzerstörerisch, besonders rücksichtslos agieren.
Da die Wirtschaft zurzeit nicht im Interesse aller handelt, muss diese komplett umgebaut werden. Diese Umstrukturierung erreichen wir durch eine Demokratisierung der gesamten Wirtschaftsstrukturen, die sich dann an den Interessen aller orientiert. Denn dadurch steht nicht mehr das Ziel der Erwirtschaftung von Profiten im Vordergrund, sondern die Bedürfnisse aller. Dadurch werden auch sogenannte „Bullshit- Jobs“ (also Jobs, die keine Bedürfnisse befriedigen) überflüssig und die Wirtschaft strukturierter und konsequenter in der Bedürfniserfüllung, denn es steht nicht mehr das Ansammeln von Kapital bei jedem einzeln als Ziel.
Diese Forderung nach einer Umstrukturierung der Wirtschaft geht mit einem Ende des Marktmechanismus einher. Stattdessen tritt eine demokratisch geplante und bedürfnisorientierte Wirtschaft an ihre Stelle.
Generell werden in der Öffentlichkeit oft die Forderungen nach „Bedürfniserfüllung vor Kapitalinteressen“ immer wieder durch Streiks, Demonstrationen und Volksentscheidungen offen zur Tage gebracht. Die Linksjugend sollte diese Forderungen aufnehmen und durch diesen Antrag in die Parteiorganisationen tragen. Das Gespenst der Unorganisierbarkeit ist durch die moderne Technik nur noch Dämon vergangener Tage des 19. und 20. Jahrhunderts.
Derzeit ist die Forderung nach einer demokratischen Planwirtschaft nicht einmal in der Partei DIE LINKE, geschweige denn in der gesamten Gesellschaft, vorherrschend. Hier braucht es Aufklärungsarbeit, die klar macht, dass der Kapitalismus mit all seinen Problemen sich nur durch eine Überwindung des Marktmechanismus beenden lässt. Die Linksjugend [’solid] mit ihrer Präsenz sowohl in der Linkspartei als auch in der außerparlamentarischen Linken kann hier eine Schlüsselrolle einnehmen, weshalb wir durch Erstellung gut verständlichen Materials und durch einsteiger:innenfreundliche Bildungsarbeit zu dem Thema unsere eigenen Aktivist:innen in die Lage bringen wollen, für eine demokratische Planwirtschaft zu argumentieren. In der Linkspartei wollen wir innerparteilich Druck machen, klarere programmatische Grundlagen dazu zu schaffen, wie eine sozialistische Wirtschaft überhaupt aussehen soll, und dabei die Forderung nach Planung aufzunehmen.
Gleichzeitig müssen wir auch selbst noch viel über mögliche konkrete Umsetzungsweisen einer demokratischen Planwirtschaft lernen. Hierfür wollen wir einen Erarbeitungsprozess bspw. in Form von Workshops anstoßen, um unsere Programmatik weiter zu präzisieren.
Beschluss des I. Bundeskongresses am 4.-6. April 2008 in Leipzig
Das die brennenden Probleme der Zeit, die von Umweltzerstörung über Armut bis hin zu Unterdrückung reichen, nicht gelöst werden können liegt vor allem daran das wir in einem Wirtschaftssystem leben, welches diese selbst hervorruft. Wenn fast alle Formen des Arbeitens und Wirtschaftens darauf ausgerichtet sind, aus dem eingesetzten Kapital mehr Kapital zu machen – ist dies Kapitalismus. Ein Wirtschaftssystem welches nur ein Ziel kennt – Profitmaximierung und zwar um seiner selbst Willen.
Dabei breitet es sich stetig aus, auf neue Länder, neue Bereiche und bis in den letzten Winkel menschlichen Lebens. Es sind Systeme, Prinzipien und Zwänge die unser aller Leben bestimmen. Wer kein Kapital hat, ist gezwungen seine Arbeitskraft zu verkaufen um zu überleben, muss sich selbst zu Kapital machen und wird so zur Ware. Die Arbeit aller Menschen erwirtschaftet das, was nur wenige ihr Eigentum nennen können. Nur Kapitalbesitzer, die Arbeitskraft kaufen, können sich den erarbeiteten Reichtum aneignen. Dabei folgen alle den blinden Gesetzen der Konkurrenz, des Marktes und der Verwertung – tun sie es nicht gehen sie unter, egal ob Lohnarbeiter oder Unternehmer. Die Zerstörungskraft die die Jagt nach dem Geld mit sich bringt kennt keine Grenzen. Profitstreben führt zu Armut und Zerstörung von Mensch und Natur, weil auf ihre Kosten der Profit gemacht wird.
Die Auswirkungen des allgegenwärtigen Konkurrenzkampf werden in der „westlichen Welt“ durch Gesetzte und Sozialsysteme teilweise abgefedert. In den ärmeren Ländern der Welt ist dies meist nicht möglich, so trifft diese das Profitstreben der internationalen Konzerne besonders hart. Die schnellen Transport- und Kommunikationswege machen die Ware Arbeit weltweit vergleichbar und führen so zu internationalen Produktionsketten. Es wird immer da produziert wo die Kostenbilanz am günstigsten ausfällt. Internationale Abhängigkeiten, ökonomische Erpressbarkeit der Staaten und der Einsatz von Militär zur Sicherung globaler Interessen sind die Folge. Flüchtlingsbewegungen, Hunger und Elend sind Normalität im globalisierten Kapitalismus dessen Akteure gleichzeitig kein Interesse daran haben den Nord-Süd Konflikt grundsätzlich zu verändern – Armut und Schulden sind Quellen von Reichtum für andere – ein mörderisches Verhältnis was es zu bekämpfen gilt.
Das Privateigentum an Produktionsmitteln gilt es abzuschaffen – die Verfügungsgewalt über selbige muss eine gesellschaftliche sein. Die Überwindung des Kapitalismus, hin zu einer demokratisch geplanten Wirtschaft die versucht Bedürfnisse zu befriedigen und durch alle Menschen organisiert und reguliert wird, wäre ein Befreiungsschlag der es Gesellschaften endlich erlaubt frei zu denken und zu handeln. Niemand müsste hungern, an heilbaren Krankheiten sterben oder den ganzen Tag arbeiten, technisch ist schon vieles möglich – wir müssen dafür kämpfen das es auch Wirklichkeit wird!
Beschluss des I. Bundeskongresses am 4.-6. April 2008 in Leipzig
Stärker als je zuvor wird Kultur heute medial vermittelt. In nahezu jedem Haushalt finden sich Fernseher, Radios, Zeitungen und inzwischen auch onlinefähige PCs mit Zugang zum Internet. Dabei stellt die Ergänzung der traditionellen Print- und Rundfunkmedien durch Onlinemedien die gravierendste Veränderung der Medienlandschaft seit Beginn des Buchdrucks dar. Erstmalig wurde die kommunikative Einbahnstraße von Sender-Empfänger Prinzip durchbrochen. Allein das Vorhandensein der technischen Voraussetzungen gewährleistet jedoch nicht die gesellschaftsübergreifende Nutzung dieser Senderoption für progressive und emanzipatorische Zwecke. Grund ist die jahrzehntelange Monopolstellung der öffentlichen Sendeanstalten, die dadurch kein Interesse an der flächendeckenden Förderung von Medienkompetenz zeigten. Neben der tatsächlichen Mediennutzung gehören nämlich vor allen Dingen eine umfangreiche Medienkunde, die Fähigkeit zur Medienkritik und schließlich die eigene Gestaltung von Medien zu einem medienkompetenten und dadurch auch emanzipatorischen Umgang mit den neuen Sendemöglichkeiten. Durch die Teilprivatisierung des Rundfunks wurde nur scheinbar eine heterogene Medienlandschaft eingeführt, die tatsächlich aber durch „Beurteilungsspielräume“ odersogenannte „Legalausnahmen“ im europäischen Kartellrecht unterminiert wird und zudem ausschließlich der weiteren Kapitalisierung von Medien dient. Als sozialistischer Jugendverband streiten wir daher für eine umfassende Förderung von politisch und ökonomisch unabhängigen Medienkompetenzprojekten, für die Ausweitung der Offenen Kanäle auf kommunaler Ebene und für die Beseitigung des Digital Devide auf internationaler Ebene. Wir begrüßen ausdrücklich die Entwicklung sogenannter freier Software, sowie Alternative Lizenzen wie Creative Commons License (CCL) oder General Public License (GPL), die Wissen dem Verwertungszwang entziehen und nicht kommerzielle Weiterverwendung und -entwicklung gewährleisten können. Wir fordern eine Entmonopolisierung und Demokratisierung der Medienkonzerne
Beschluss des I. Bundeskongresses am 4.-6. April 2008 in Leipzig
Demokratisierung
In der derzeit existenten repräsentativen Demokratie ist die Umsetzung der eigenen Interessen und Belange schwer möglich, wodurch auch Politikverdrossenheit in der Bevölkerung entsteht. Die Ursache für ersteres liegt darin, dass man lediglich Personen bzw. Parteien wählt, die nicht an den Willen des Wählers gebunden sind. Kontrollmöglichkeiten sind ungenügend vorhanden. Der Wähler selbst kann nur alle paar Jahre begrenzt Einfluss nehmen. Das verstehen wir nicht unter Demokratie, also der Herrschaft des Volkes. Jeder Bürger und jede Bürgerin muss die Möglichkeit haben, direkten Einfluss auf die Politik zu nehmen. Deshalb braucht es die Möglichkeit für verbindliche Volksabstimmung auf allen politischen Ebenen.
Wir fordern die Demokratisierung aller Lebensbereiche, einschließlich der Wirtschaft. Alle Abläufe in der Gesellschaft müssen für den Bürger transparent sein, damit er mündig über sie entscheiden kann. Grundlage für die freie Entscheidung des Bürgers/der Bürgerin ist seine materielle Abgesichertheit. Deshalb ist eine wirkliche Demokratie erst in einer Gesellschaft möglich, die frei ist von ökonomischen Zwängen des Marktes.
Freiheit und Selbstbestimmung
Während uns der Abbau sozialer Sicherheit als ein Gewinn an Freiheit verkauft wird, werden die im Grundgesetz festgeschriebenen Freiheitsrechte immer weiter abgebaut und eingeschränkt. Videokameras, Vorratsdatenspeicherung, Onlinedurchsuchungen und zunehmender Repression auf Demonstrationen sind nur einige Zeichen eines Staates, der versucht, den katastrophalen Ergebnissen seiner neoliberalen Sozialpolitik mit verschärften Überwachungsmaßnahmen zu begegnen. Unter Vorwand der „Terrorbekämpfung“ wird sogar die Unschuldsvermutung ausgehebelt und alle Menschen werden unter einen Generalverdacht gestellt. Wir kämpfen für den Schutz und Ausbau der Grund- und Freiheitsrechte. Die Privatsphäre ist ein schützenswertes Gut, das verteidigt werden muss.
Doch der Staat mischt sich nicht nur auf so eine Weise in unser Leben ein, er verwehrt auch einen selbstbestimmten Umgang mit dem eigenen Körper. Die Voraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben ist Aufklärung durch Bildung. Menschen müssen sich über die Folgen ihres Handelns bewusst sein, um selbstbestimmt leben zu können.
Wir fordern die Entkriminalisierung aller KonsumentInnen von Rauschmitteln und damit untrennbar eine differenzierte Aufklärung, um einen verantwortlichen Umgang mit diesen zu fördern.