Durch die steigenden Umfrageergebnisse der AfD und die vom Journalist*innenkollektiv
„Correctiv“ veröffentliche Recherche über ein Treffen von Vertreter*innen der AfD und
Werteunion, Kapitalist*innen und Aktivist*innen der neuen Rechten, auf der über
massenhafte Deportationen deutscher Staatsbürger*innen mit Migrationshintergrund
phantasiert wurde, ist die Gefahr einer Faschisierung in Deutschland stärker in den
öffentlichen Diskurs gerückt. Vielerorts gab es daraufhin große Proteste gegen die
AfD. In der linken Debatte bleibt aber unklar, wie eine kluge linke Strategie gegen
Faschismus aussieht und wie man Faschismus genau versteht.
Was ist Faschismus?
Faschismus ist ein Sammelbegriff für verschiedene rechtsradikale Massenbewegungen,
die in den letzten 100 Jahren – ausgehend vom italienischen Faschismus – entstanden
sind, deren Ideologie sowie für die von diesen Bewegungen etablierten politischen
Systeme. Ihrer sozialen Herkunft nach rekrutierte sich der Faschismus aus
deklassierten und enttäuschten Teilen aller Klassen, dabei insbesondere aus dem
Kleinbürgertum, das besonders von Krise und sozialem Abstieg bedroht war.
Faschistische Ideologie war durch extremen Nationalismus, Antikommunismus,
Militarismus sowie Ethnozentrismus geprägt, der die Form von Rassismus und/oder
Antisemitismus annehmen konnte. Faschisten konstatierten eine nationale Krise,
hervorgerufen durch eine Niederlage der eigenen Nation in der internationalen
Staatenkonkurrenz und/oder durch die Einebnung althergebrachter gesellschaftlicher
Hierarchien. Zur Überwindung dieser Krise propagierten Faschisten eine nationale
Wiedergeburt. Der Faschismus unterschied sich von anderen Formen extrem rechter
Politik durch seinen massenpolitischen Charakter, seine umstürzlerische Strategie und
seine scheinrevolutionäre und pseudo-antikapitalistische Rhetorik. Die
Organisationsstruktur der faschistischen Partei war durch das Führerprinzip
gekennzeichnet und sie verfügte über paramilitärische Kampfbünde. Der Faschismus als
Herrschaftssystem mündete stets in der Zerschlagung der Arbeiter*innenbewegung mit
terroristischen Mitteln, die Vernichtung der bürgerlichen Demokratie mit allen ihren
Rechten und Freiheiten, der Unterdrückung jedweder Opposition – auch der bürgerlichen
– und der vollständigen Unterwerfung der Lohnabhängigen unter das Kommando von
Kapitalist*innen und Großgrundbesitzer*innen. In der fortgeschrittenen Phase
faschistischer Herrschaft fand eine Verschmelzung der Eliten von Industrie, Banken,
Militär und Beamtenschaft mit der Führungsgruppe der faschistischen Partei statt.
Faschistische Bewegungen entstanden in historischen Situationen, die sich in
vielerlei Hinsicht von der heutigen Situation unterscheiden. Der Klassencharakter,
die Ideologie und Praxis von Parteien wie der AfD weisen neben Gemeinsamkeiten auch
viele Unterschiede zum historischen Faschismus auf. Eine Analyse des historischen
Faschismus kann uns aber dabei helfen, strategische Schlussfolgerungen für den Kampf
gegen die AfD zu ziehen.
Analyse des historischen Faschismus
Der Vergleich zwischen dem italienischen und deutschen Fall verdeutlicht den Kontrast
zwischen zwei grundsätzlich verschiedenen Typen von historischen Situationen, in
denen der Faschismus an die Macht gelangte:
Die Arbeiter:innenbewegung in Italien fand sich nach dem ersten Weltkrieg in einer
Position der besonderen Stärke. Ein Konjunkturaufschwung führte zu niedriger
Arbeitslosigkeit und infolgedessen zu hoher Streikbereitschaft und steigenden Löhnen.
Die Arbeiter*innenbewegung führte einen – mit Antonio Gramsci gesprochen –
Bewegungskrieg und befand sich in einer Offensive des Klassenkampfes. Der Bestand des
kapitalistischen Herrschaftssystem war ernsthaft durch eine militante
Arbeiter*innenbewegung gefährdet. In dieser Situation kam der Faschismus in Form
einer unmittelbaren Reaktion der Kapitalist*innen und Großgrundbesitzer*innen zur
Rettung des kapitalistischen Systems. Paramilitärische Kampfbünde vor allem
kleinbürgerlicher Klassenherkunft wurden von den herrschenden Klassen unterstützt, um
die Arbeiter*innenbewegung terroristisch niederzuschlagen.
In Deutschland hingegen kam der Faschismus in einer Situation der relativen Schwäche
der Arbeiter*innenbewegung an die Macht, bei der gleichzeitig der bürgerlich-liberale
Status Quo durch eine vom Kapitalismus verursachte schwere Wirtschaftskrise ins
Wanken geriet. Hohe Arbeitslosigkeit, infolgedessen niedrige Streikbereitschaft und
sinkende Löhne – verstärkt durch die Austeritätspolitik einer bürgerlichen Regierung
– führten zu einer schwachen Verhandlungsposition der Arbeit gegenüber dem Kapital.
Die Arbeiter*innenbewegung befand sich in einem Stellungskrieg und in der Defensive.
In dieser Situation, in der zugleich eine glaubhafte Alternative von links fehlte, da
die SPD sich zum Teil an der katastrophalen Austeritätspolitik beteiligte und die KPD
selbst zu schwach war, um das kapitalistische System zum Umsturz zu bringen, sowie
unwillens war, die Austeritätspolitik auf reformerischem Wege zu beenden, konnte der
Faschismus die in breiten Teilen der Bevölkerung herrschende Unzufriedenheit für
seine Agenda nutzen und so vor allem durch parlamentarische Wahlen und weniger durch
Gewalt an Bedeutung gewinnen. An die Macht gelangte der Faschismus in Deutschland
schließlich durch ein Bündnis der faschistischen Partei mit den alten Eliten aus dem
Militär, der Großgrundbesitzer*innenklasse sowie Teilen der Kapitalist*innenklasse.
Insbesondere in Krisensituationen schafft es der Faschismus durch ein
scheinrevolutionäres Programm aus deklassierten und enttäuschten Teilen aller Klassen
Anhänger*innen zu rekrutieren. Dabei arbeiten Faschisten mit einer Rhetorik, die ein
„Wir“ und ein „die Anderen“ konstruiert und soziale Unterschiede innerhalb des „Wir“,
innerhalb der „Volksgemeinschaft“, zu überwinden verspricht. Anstatt beispielsweise
als Arbeiter*innenklasse gegen Ausbeutung zu kämpfen, verspricht man eine ideelle –
nicht aber materielle – Einebnung des Klassengegensatzes zum Zweck des gesteigerten
Erfolgs der Nation in der Staatenkonkurrenz. Dadurch politisiert der Faschismus
Unzufriedenheit ganz anders als linke Klassenpolitik, kanalisiert die Wut weg vom
eigenen Chef hin zu als fremd und bedrohlich dargestellten Gruppen und tastet die
kapitalistische Ordnung und die bürgerliche Herrschaft nicht an. Linke Klassenpolitik
versucht stattdessen, individuelle Unterdrückungs- und Ausbeutungserfahrungen in den
Kontext einer grundlegenden Systemkritik einzubetten.
Ideologisch zeichnet sich der Faschismus durch ein naturalistisches und
antirationales Bild vom Menschen und der Welt aus: Herrschafts- und
Ausbeutungsverhältnisse werden von Faschisten nicht als geschichtlich geworden, von
Menschen gemacht und somit als veränderbar verstanden, sondern als ewig, von Natur
aus gegeben und damit als unhinterfragbar aufgefasst. Der Faschismus propagiert, eine
„natürliche Ordnung“ zu schaffen, in der jede und jeder dem von der Natur aus
vorbestimmten Platz in der sozialen Hierarchie zugeordnet wird. Er bedient sich in
seiner Rhetorik eines – mit Ernst Bloch gesprochen – „Wärmestroms“, der an die
Gefühle der Menschen und populäre Mythen anknüpft, im Gegensatz zu einem
„Kältestrom“, der an die menschliche Vernunft appelliert. Diese naturalistische und
antirationale Ideologie verknüpft der Faschismus mit einer hochmodernen
Organisationsform und einem ausgesprochen ausgefeilten Zweckrationalismus in
Strategie und Taktik.
Aktuelle Lage
Mit der AfD hat sich eine Partei mit faschistischem Potential in der deutschen
Parteienlandschaft etabliert. Anfangs beschworene Brandmauern wurden allmählich
aufgegeben, was erste Kooperationen auf Kommunal- und Landesebene zeigen, wie bspw.
die Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten in Thüringen mit
AfD-Stimmen. Die AfD ist der parlamentarische Arm der radikalen Rechten und trägt
ihre Positionen in die Parlamente, was verschiedene personelle Überschneidungen zur
neuen Rechten in Europa wie der „Identitären Bewegung“ zeigt.
Die AfD weist sowohl Gemeinsamkeiten als auch erhebliche Unterschiede zum
historischen Faschismus auf. Vom historischen Faschismus unterscheidet sie sich
dadurch, dass sie ihre Wähler*innen nicht mehr vor allem im Kleinbürgertum findet,
das im Gegensatz zur ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts demographisch keinen
relevanten Teil der Bevölkerung mehr ausmacht. Stattdessen wählen vor allem
Arbeiter*innen die AfD – nicht selten solche, die von sozialem Abstieg bedroht sind
oder bereits sozial abgestiegen sind, wie die hohen Wahlerfolge der AfD in
strukturschwachen Regionen zeigen. Das kleinbürgerliche Element lässt sich allein
noch im Führungspersonal der AfD erkennen, das sich überwiegend aus den bürgerlichen
Mittelklassen rekrutiert, wie etwa aus Kleinunternehmer*innen (Tino Chrupalla),
Vermögensverwalter*innen (Alice Weidel, Peter Boehringer), Rechtsanwält*innen
(Stephan Brandner) und beamtete Lehrer*innen (Björn Höcke).
Wenngleich das wirtschaftspolitische Programm der AfD neoliberal geprägt ist und
damit auf eine Kräfteverschiebung zugunsten des Kapitals und auf Kosten der Arbeit
abzielt, hat der weit überwiegende Teil der Kapitalist*innenklasse im Gegensatz zum
historischen Faschismus derzeit kein Interesse an einer Machtübertragung an die AfD.
Insbesondere der nun in das öffentliche Bewusstsein gerückte Deportationsplan der
AfD, der etwa ein Siebtel der Bevölkerung in Deutschland betreffen würde, ist nicht
im Verwertungsinteresse des Kapitals, das in Zeiten von Arbeitskräftemangel dringend
auch auf migrantische Arbeiter*innen angewiesen ist. Die euroskeptischen Positionen
der AfD schrecken das Kapital ebenfalls ab, weil die deutsche Wirtschaft
exportorientiert ist und daher den EU-Binnenmarkt als Absatz für ihre Waren braucht.
Diese manifesten Unterschiede zwischen der AfD-Programmatik und den Interessen des
Kapitals bedeuten aber keineswegs, dass sich die Kapitalist*innenklasse nicht mit der
AfD arrangieren wird, wenn die AfD in Regierungsverantwortung kommt. Länder, in denen
Parteien wie die AfD bereits an der Macht sind, wie etwa Ungarn oder Italien, zeigen
aber, dass diese Parteien radikale Forderungen, die im direkten Widerspruch zu den
Interessen des Kapitals stehen, schlichtweg nicht umsetzen. Auch verfügt die AfD über
keine paramilitärischen Kampfbünde, die eine potentiell revolutionäre
Arbeiter*innenbewegung terrorisiert, die es derzeit und auf absehbare Zeit nicht
gibt. Geraten Parteien wie die AfD als stärkste Kraft dauerhaft in
Regierungsverantwortung, kommt es bisher auch nicht zu schlagartigen Entmachtungen
der Parlamente und zur sofortigen Kriminalisierung jeder Opposition. Vielmehr hat man
es, wie etwa in Ungarn, mit einem schleichenden Prozess der autoritären Formierung
von Staat und Gesellschaft sowie der Aushöhlung bürgerlicher und sozialer Rechte
sowie rechtsstaatlicher Prinzipien zu tun, wenngleich die bürgerliche Demokratie ihre
formelle Hülle beibehält. Die Gemeinsamkeiten mit dem historischen Faschismus
beziehen sich vor allem auf die Ideologie – insbesondere den Ethnozentrismus – und
die Art und Weise, wie soziale Unzufriedenheit politisiert und in systemkonforme
Bahnen gelenkt wird.
Der Grund für die steigenden Umfrageergebnisse der AfD in den letzten Monaten sowie
die damit verbundenen Wahlerfolge auf kommunaler und Landesebene liegen in der
sozialen Krise, die wesentlich durch die Austeritätspolitik der regierenden
Ampelkoalition verursacht wird. Diese Legitimitätskrise des hegemonialen Blocks
vermag die politische Linke aufgrund interner Zankereien nicht zu füllen, sodass
dieses Vakuum von rechts gefüllt wird. Als besonderes negatives Verdienst der
Ampelkoalition muss hervorgehoben werden, dass sie es geschafft hat, jedweden
Klimaschutz in breiten Teilen der Bevölkerung mit einer Verteuerung von Energie und
Lebensmitteln in Verbindung zu bringen. Die AfD kann sich in den Augen breiter Teile
der Bevölkerung gegenüber der katastrophalen Klima- und Wirtschaftspolitik der
Ampelkoalition als glaubhafte Alternative inszenieren, indem sie eine Rückkehr zu
fossilen Energieträgern propagiert und die menschengemachten Ursachen des
Klimawandels leugnet. Auch die Existenzängste von Arbeiter*innen, die durch den
möglicherweise erfolgenden Wegfall von Industriearbeitsplätzen aufgrund der
ökologischen Transformation der Wirtschaft verursacht wird, sind ein gefundenes
Fressen für die AfD.
Diese krisenhafte Situation alleine macht natürlich niemanden automatisch zum
Rechtsradikalen – beim Prozess der Faschisierung spielen auch sozialpsychologische
Prozesse eine Rolle. Für uns als politische Linke macht es jedoch Sinn, sich weniger
auf die subjektiven Faktoren zu konzentrieren, sondern die begünstigenden
gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zu bekämpfen.
Antifaschistische Strategie
Um unserem Anspruch als antifaschistischer Jugendverband gerecht zu werden, reicht es
nicht aus, Nazis doof zu finden: Gegen rechts hilft am besten eine starke Linke, die
die sozialen Ursachen, die für den Aufstieg der Rechten verantwortlich sind, wirksam
bekämpft, statt sich nur auf moralische Appelle zu verlassen. Wir müssen deshalb am
Aufbau einer starken, klassenkämpferischen Linken arbeiten.
Um die sozialen Ursachen des rechten Aufstiegs anzugehen, gilt es, die
Austeritätspolitik der Ampelkoalition zu bekämpfen. Dazu müssen wir uns in aktuellen
Klassenkämpfen für konkrete Verbesserungen und gegen die Kürzungspolitik einbringen.
Langfristig müssen wir auch alle Institutionen angreifen, die eine Austeritätspolitik
festschreiben. Dazu gehören die Schuldenbremse, ein ungerechtes Steuersystem, das vor
allem auf die Besteuerung von Löhnen und Konsum statt auf große Vermögen und
Kapitalrenditen abzielt, den Status der Europäischen Zentralbank als eine von
demokratischer Kontrolle „unabhängigen“ Institution, die sich einseitig auf
Preisstabilität fokussiert und den Kampf gegen Arbeitslosigkeit vernachlässigt, und
ein reaktionäres Streikrecht, das es Arbeiter*innen verbietet, politische und wilde
Streiks zu führen. Darüber hinaus müssen wir als radikale Linke eine systemische
Kritik in die Bewegungen einbringen, welche über die Forderungen nach mehr
Sozialstaat und ein Ende des Austeritätsregimes hinausgehen. Krisen sind dem
Kapitalismus immanent, also kann am Ende nur eine Überwindung dieses krisenhaften
Systems uns vor seinen potentiellen Folgen dauerhaft schützen.
Beim Klimaschutz darf die politische Linke das Soziale nicht vernachlässigen. Die
beste Prävention gegen rechte Sozialdemagogie sind niedrige Lebensmittel- und
Energiepreise. Wir dürfen Arbeiter*innen nicht das Gefühl vermitteln, dass ihnen mit
Klimaschutz etwas weggenommen wird. Dieses Gefühl nämlich ist ebenfalls willkommener
Nährboden für die AfD. Vielmehr gilt es, etwa durch eine Ausfinanzierung des
öffentlichen Personenverkehrs Pendler*innen neue Formen des „öffentlichen Luxus“ zu
ermöglichen. Insbesondere die Beteiligung an Kampagnen wie „Wir fahren zusammen“, die
von der Gewerkschaft ver.di und der Klimagerechtigkeitsbewegung „Fridays for Future“
initiiert worden ist, kann dafür einen wichtigen Beitrag leisten. Darüber hinaus
müssen wir als politische Linke ein realistisches und sozialverträgliches Konzept zur
ökologischen Transformation der Wirtschaft vorlegen, das die Verbindung zu den
Arbeiter*innen und Gewerkschaften aktiv sucht, statt sich über diese hinwegzusetzen.
Wenngleich sich die konkrete Tätigkeit von Arbeiter*innen ändern wird, muss unsere
Botschaft lauten: Jeder Arbeitsplatz bleibt erhalten!
Obwohl es mit der Austeritätspolitik eine Gemeinsamkeit zwischen der aktuellen und
historischen Wirtschaftslage gibt, die der NSDAP zur Macht verhalf, gibt es auch
entscheidende Unterschiede, an die eine antifaschistische Strategie anknüpfen kann.
Die im Gegensatz zur Situation Anfang der 1930er Jahre aktuell – trotz
austeritätsbedingter Rezession – niedrige Arbeitslosigkeit und der
Arbeitskräftemangel führt zu einer tendenziell vorteilhaften Verhandlungsposition der
Arbeit gegenüber dem Kapital. Auch möchten Arbeiter*innen die Reallohnverluste durch
die Inflation wieder wettmachen. Diese beiden Faktoren haben zu einer mächtigen
Streikwelle geführt, die bis zum jetzigen Zeitpunkt anhält. Gewerkschaftliche Streiks
führen Arbeiter*innen mit und ohne Migrationshintergrund durch gemeinsame
Organisations- und Kampferfahrungen zusammen. Sie wirken damit einem rassistischen
Bewusstsein, an das die AfD anknüpfen kann, entgegen. Durch die Unterstützung von
Streikposten und – darüber hinaus – die Erarbeitung einer langfristigen Strategie,
wie wir uns als Verband in Gewerkschaften und Arbeitskämpfe einbringen können, kann
die Linksjugend [’solid] einen wichtigen Beitrag dazu leisten.
Gleichzeitig gilt es aber auch, Faschisten konkret entgegenzutreten – auf der Straße,
in öffentlichen Diskussionen, in den Parlamenten und auf der Familienfeier. Gegen
zunehmende rechte Gewalt stellt sich die Frage der konkreten Verteidigungsfähigkeit,
gegen rechte Diskurshegemonie insbesondere im digitalen Raum braucht es eine linke
Medienstrategie.
Die zwei Notwendigkeiten – einerseits durch den Aufbau einer starken
klassenkämpferischen Linken und das Aufzeigen einer Systemalternative, die die
Ursache des Rechtsrucks angeht, gleichzeitig aber andererseits möglichst großen und
deshalb notwendigerweise breiten Gegenwind zur extremen Rechte zu organisieren –
führte Linke historisch immer wieder vor schwere bündnispolitische Entscheidungen.
Das eine Extrem – Sektierertum – ist historisch beispielsweise in Form der
Sozialfaschismusthese wirksam geworden. Die Linie der KPD, alle Kräfte von SPD bis
NSDAP zu unterschiedlichen Flügeln des gleichen Feindes zu erklären, wurde sowohl in
der akademischen Geschichtsschreibung als auch in der Geschichtsschreibung der
kommunistischen Bewegung selbst einhellig als schwerer Fehler mit dramatischen
historischen Konsequenzen benannt, weshalb die KPD und die Dritte Internationale
diese Linie auch später einhellig verwarf und durch die gegensätzliche
Volksfrontstrategie ersetzte. Andererseits zeigte sich immer wieder, auch aktuell,
dass eine kritiklose Einreihung der politischen Linken in Bündnissen, die bis weit
ins bürgerliche Spektrum hineinreichen, oft dazu beiträgt, linke Alternativen zur
herrschenden Politik unsichtbar zu machen und den Aufstieg faschistischer Kräfte
sogar noch weiter zu unterstützen.
Bündnisfähigkeit und Eigenständigkeit stellen dabei ein Spannungsverhältnis dar, das
sich nicht einseitig auflösen lässt. Hier die richtige Antwort zu finden, braucht
immer eine konkrete Analyse der konkreten Situation und lässt sich nicht
überhistorisch-abstrakt klären. Klar ist aber, dass rein negative Bündnisse, die
keine Positionen außer abstraktem Antifaschismus haben, am Ende dem Rechtsruck nicht
nachhaltig Einhalt gebieten werden können. In jeder Situation braucht es also eine
Verbindung von antifaschistischen Positionen mit Forderungen nach einer sozialeren
und demokratischeren Gesellschaft. Auch in breiteren Bündnisformationen treten wir
für eine sozialististische Perspektive ein.
Beschluss des XVI. Bundeskongresses II. Tagung vom 23.-24. Februar 2024
Die neoliberale Wende, die verstärkt seit den 1980er Jahren von Regierenden in den
entwickelten kapitalistischen Ländern eingeleitet worden ist und die auf eine
Kräfteverschiebung zugunsten des Kapitals und auf Kosten der Arbeit abzielte, zeigt
sich auch in der Schuldenbremse.
Die Schuldenbremse ist dabei eine verfassungsrechtliche Regelung, die die
Kreditaufnahme durch öffentliche Haushalte stark einschränkt. Sie wurde in
Deutschland erstmals 2009 auf Wirken der Großen Koalition durch eine Änderung des
Grundgesetzes im Bund verankert. Im nachfolgenden Jahrzehnt folgten viele
Bundesländer dem Beispiel des Bundes. In dieser Form ist sie in Deutschland
einzigartig. Keine andere entwickelte Industrienation verfügt über eine vergleichbare
Institution.
Durch die Schuldenbremse werden öffentliche Haushalte faktisch daran gehindert,
öffentliche Güter auszufinanzieren, Sozialleistungen bedarfsgerecht bereit zu stellen
und dringend benötigte Investitionen, wie etwa im Hinblick auf die ökologische
Transformation der Wirtschaft, zu tätigen. Sie ist eine in der Verfassung
festgeschriebene Austeritätspolitik. Das zeigt sich auch aktuell, wo die
Ampelkoalition bei vielen Sozialausgaben kürzt, um die Schuldenbremse einzuhalten.
Die dadurch vertiefte soziale Ungleichheit bildet erst den Nährboden, auf denen die
AfD ihre menschenverachtende Konkurrenzideologie ausbreiten kann. Der AfD gelingt es
dadurch, den gesellschaftlichen Diskurs sowie die Bundesregierung nach rechts zu
drängen, was sich etwa in der Verschärfung des Asylrechts zeigt.
Im Interesse der Arbeiter*innenklasse gilt es, die Schuldenbremse abzuschaffen. Dazu
ist aber eine Analyse über die ökonomische Wirkungsweise der Schuldenbremse
notwendig. Auch muss herausgearbeitet werden, welche Klassen und Klassenfraktionen
ein Interesse an einer Abschaffung der Schuldenbremse haben, um so bündnispolitische
Schlussfolgerungen daraus zu ziehen.
Analyse der Schuldenbremse
Im Gegensatz zu den Einschätzungen einiger linker Gegner*innen der Schuldenbremse,
wonach es sich bei der Schuldenbremse um eine irrationale Ideologie handelt, die der
Wirtschaft klassenübergreifend nur Nachteile verschaffe, stärkt die Schuldenbremse
die Verhandlungsposition des Kapitals gegenüber der Arbeit in dreifacher Hinsicht:
Erstens werden durch die Schuldenbremse Sozialausgaben gekürzt und die Ausgaben für
öffentliche Güter eingespart, wie man derzeit etwa an den Bürgergeld-Kürzungen der
Ampelkoalition sieht. Dadurch wird die Marktabhängigkeit von Arbeiter*innen erhöht.
Das bedeutet, dass Arbeiter*innen ihre Bedürfnisse im geringeren Ausmaß durch die
Inanspruchnahme von Sozialleistungen und von (meist vergünstigten oder kostenlosen)
öffentlichen Dienstleistungen decken können. Um ihre Bedürfnisse dennoch zu
befriedigen, werden Arbeiter*innen abhängiger vom Einkommen, das sie aus dem Verkauf
ihrer Arbeitskraft auf dem Arbeitsmarkt erzielen. Dadurch sinkt der Reservationslohn,
d.h. die Mindesthöhe des Lohns, zu dem ein Arbeitnehmer gerade noch bereit ist, seine
Arbeitskraft zu verkaufen. Damit sinkt das Lohnniveau und steigen die Profite der
Kapitalist*innen. Die Arbeiterschaft wird durch die verstärkte Marktabhängigkeit
zudem diszipliniert und Arbeitskämpfe werden im Keim erstickt, was die Autorität der
Kapitalist*innen stärkt.
Zweitens verhindert die Schuldenbremse eine Wirtschaftspolitik, die für
Vollbeschäftigung sorgt. Das bedeutet, dass der Staat durch die Schuldenbremse stark
eingeschränkt wird, öffentliche Investitionen zu tätigen und den Massenkonsum zu
subventionieren, um dadurch die effektive Nachfrage bis zu einem Punkt zu steigern,
an dem Vollbeschäftigung erreicht sein würde. Wie der polnische, von Karl Marx und
John Maynard Keynes beeinflusste Ökonom Michał Kalecki allerdings bemerkte,¹ würde
durch eine Politik der Vollbeschäftigung die disziplinierende Wirkung von
Arbeitslosigkeit auf die Arbeiter*innenklasse verloren gehen. Die Drohung des Chefs,
jemanden bei allzu laxer Arbeitsmoral „aufs Pflaster zu werfen“, wäre bei
Vollbeschäftigung, bei der Arbeiter*innen ohne viel Mühe einen anderen Arbeitsplatz
finden würden, nicht sehr wirkungsvoll. Die Schuldenbremse ist damit wiederum der
bester Garant für die Aufrechterhaltung der Autorität von Kapitalist*innen in ihren
Betrieben. Auch würde mit Vollbeschäftigung die Streikbereitschaft der Arbeiter*innen
steigen. Steigende Löhne und sinkende Profite wären die Folge, was ebenfalls nicht im
Klasseninteresse der Kapitalist*innen liegt.
Drittens schränkt die Schuldenbremse ganz allgemein die Handlungsfähigkeit des
Staates ein und macht staatliche Wirtschaftspolitik abhängiger von den Wünschen der
Kapitalist*innen. In einer Rezession wird dem Staat durch die Schuldenbremse die
Möglichkeit genommen, durch öffentliche Investitionen und Ankurbelung des
Massenkonsums die Krise zu überwinden. Stattdessen muss der Staat die Bedingungen für
private Investitionen verbessern. Dies gibt den Kapitalist*innen eine mächtige
indirekte Kontrolle über die Regierungspolitik. Die Schuldenbremse zwingt die
Politiker*innen in Regierungsverantwortung automatisch nach der Pfeife des Kapitals
zu tanzen.
Darüber hinaus gibt es aus Sicht der Kapitalist*innenklasse auch gute Gründe für eine
Abschaffung der Schuldenbremse:
Erstens wird der Staat durch die Schuldenbremse in seiner Rolle als ideeller
Gesamtkapitalist eingeschränkt. Kapitalist*innen sind in vielerlei Hinsicht von einer
gut funktonierenden öffentlichen Infrastruktur abhängig sowie von – zumeist in
öffentlichen Bildungseinrichtungen – ausgebildeten Arbeitskräften. Eine mangelnde
öffentliche Infrastruktur wirkt als Bremse fürs private Geschäft.
Zweitens verhindert die Schuldenbremse öffentliche Investitionen in die ökologische
Transformation der Wirtschaft. Wie der Brandbrief von 50 namhaften deutschen
Unternehmen (u.a. Puma, Rossmann, Telekom und Thyssenkrupp) vom Januar 2024 zeigt,
haben Teile der Kapitalist*innenklasse ein Interesse an einem klimafreundlichen Umbau
der Wirtschaft. Dies tun sie aber nicht aus schlechtem Gewissen, sondern weil der
„Standort Deutschland“ in Bezug auf klimafreundliche Technologien in der
internationalen Konkurrenz abgehängt zu werden droht, wie der Verweis auf die
Vereinigten Staaten und China im Brandbrief zeigt, die „gewaltige Summen in die
Transformation“ investierten. Die unterzeichnenden Unternehmen fordern daher eine
„Weiterentwicklung der Schuldenbremse“, also eine Aufweichung dieser, wenngleich
nicht ihre Abschaffung.²
Drittens kann eine Politik, die auf eine Stärkung der Kaufkraft abzielt – die aber
durch die Schuldenbremse verhindert wird – insbesondere in Zeiten einer Rezession den
Unternehmen dabei helfen, ihren Absatz zu steigern. Davon profitieren insbesondere
Branchen, die unmittelbar für den Konsum produzieren. Es gilt allerdings zu beachten,
dass eine Stärkung der effektiven Nachfrage auch zu steigenden Löhnen auf Kosten der
Profite führt, wie oben erläutert. Insbesondere in einer exportorientierten
Wirtschaft wie der deutschen hat eine Stärkung der Binnennachfrage allein den
negativen Effekt auf die Kapitalist*innen, dass steigende Löhne die Profite
auffressen, ohne dass dadurch der Absatz gestärkt werden würde. Das liegt daran, dass
sich die Nachfrage für diese exportorientierten Industrien nicht im Inland, sondern
im Ausland befindet. Diese widersprüchliche Interessenkonstellation des Kapitals kann
auch historisch anhand des New Deal in den Vereinigten Staaten aufgezeigt werden, der
ein in der Geschichte der USA einmaliges Programm zur Steigerung der Massenkaufkraft
darstellte. Während nämlich insbesondere die Kapitalist*innen der konsumorientierten
Wirtschaftszweige, wie der Elektronik- und Bekleidungsindustrie, den keynesianischen
New Deal unterstützten, gehörten die Kapitalist*innen der arbeitsintensiven
Industrien, die von Lohnsteigerungen am meisten negativ betroffen waren, tendenziell
zu den Gegner*innen der Politik Roosevelts.³
Strategie gegen die Schuldenbremse
Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass eine antizyklische Investitionspolitik in
Zeiten einer Rezession gegen rechts hilft. Während in Deutschland die
Weltwirtschaftskrise mit einer rabiaten Sparpolitik unter dem Reichskanzler Heinrich
Brüning beantwortet wurde und so dem Faschismus den Weg bereitete, gelang es
fortschrittlichen Kräften in den USA 1932 das Ruder herumzureißen. Durch ein
Klassenbündnis, das die Arbeiter*innenklasse in Form von Gewerkschaften und Teile der
Kapitalist*innenklasse umfasste, wurde unter der Präsidentschaft Franklin D.
Roosevelts der New Deal umgesetzt – ein umfassendes Investitionsprogramm in Arbeit,
Kultur, Bildung und Infrastruktur. Er erwirkte enorme Lebensverbesserungen für viele
Arbeiter*innen. Auch Teile der Kapitalist*innenklasse profitierten von einer Stärkung
der Massenkaufkraft. Damit wurde ein Weg aus der Krise aufgezeigt, der sich von der
Sparpolitik Brünings abhob und den Aufstieg faschistischer Bewegungen entgegenwirkte.
Auch heute kann eine solche Politik, die auf die Stärkung der Massenkaufkraft
abzielt, die Unzufriedenheit in breiten Teilen der Bevölkerung verringern. Damit wird
der AfD, die diese Unzufriedenheit für ihre rassistische Politik instrumentalisiert,
das Wasser abgegraben.
Weil die Kapitalist*innenklasse bei der Schuldenbremse gespalten ist, macht es für
uns als Sozialist*innen Sinn, in dieser Frage eine „Volksfrontstrategie“ zu
verfolgen. Das bedeute, dass wir bei Bündnissen gegen die Schuldenbremse neben
Gewerkschaften, Sozialverbänden und anderen Akteur*innen, die die Interessen von
Arbeiter*innen vertreten, auch die Teile der Kapitalist*innenklasse mit ins Boot
holen, die auf eine Aufweichung oder Abschaffung der Schuldenbremse hinwirken. Wie
Karl Marx und Friedrich Engels im „Manifest der Kommunistischen Partei“ schrieben,
erringt die Arbeiter*innenklasse reformerische Erfolge in ihrem Sinne auch dadurch,
„indem sie die Spaltungen der Bourgeoisie unter sich benutzt.“⁴
Zugleich hat die jahrzehntelange ideologische Indoktrination durch Politik und Medien
eine Situation geschaffen, in der ein Großteil der Bevölkerung die Beibehaltung der
Schuldenbremse befürwortet. Um diesen Zustand zu bekämpfen braucht es neben einer
klugen Bündnispolitik auch eine umfassende ökonomische „Alphabetisierung“ der
Bevölkerung und den Aufbau einer überzeugenden Gegenerzählung zur Metapher der
„schwäbischen Hausfrau“ für öffentliche Haushalte.
In linken Kontexten müssen wir zudem der keynesianisch inspirierten Erzählung
entschieden entgegentreten, wonach das Festhalten an der Schuldenbremse und eine
Sparpolitik irrational sei, weil dies der Wirtschaft klassenübergreifend nur
Nachteile verschaffe. Diese Erzählung ignoriert den Klassenwiderspruch und die
Tatsache, dass Austeritätspolitik allgemein die Verhandlungsposition der Arbeit
gegenüber dem Kapital schwächt.
—–
Anmerkungen:
¹ vgl. Kalecki, Michał [1943] (2018): Political Aspects of Full Employment.
jacobin.com. Online verfügbar unter:
https://jacobin.com/2018/05/political-aspects-of-full-employment-kalecki-job-
guarantee, zuletzt geprüft am 11.02.2024
² Zitate aus: Stiftung KlimaWirtschaft (2024): Die Transformation als
Jahrhundertprojekt. Was die Wirtschaft von der Politik braucht. klimawirtschaft.org.
Online verfügbar unter:
https://klimawirtschaft.org/publikationen/positionen/unternehmensappell2024, zuletzt
geprüft am 11.02.2024
³ vgl. Phillips-Fein, Kim (2009): Invisible Hands. The Businessmen’s Crusade Against
the New Deal. New York, London: W. W. Norton, Kapitel 1: Paradise Lost [ebook]
⁴ MEW 4, S. 471
Beschluss des I. Bundeskongresses am 4.-6. April 2008 in Leipzig
In keinem anderen westlichen Industrieland sind die Bildungschancen so sehr von der sozialen Herkunft abhängig wie in Deutschland. 78% der Kinder aus Akademikerfamilien, aber nur 12% der Kinder aus Arbeiterfamilien studieren an den Hochschulen. Jahr für Jahr fehlen 150 000 Lehrstellen. Die Zahl derer, die die Schule ohne jeden Abschluss verlassen, steigt stetig. Zugleich werden die Hochschulen immer weiter privatisiert und verschult. Das überholte gegliederte Bildungssystem in Deutschland stellt strukturell ein Abbild der Klassengesellschaft dar und reproduziert auch diese. Wie viele andere Lebensbereiche wird Bildung immer mehr von kapitalistischer Verwertungslogik beherrscht und ignoriert konsequent die Folgen für die Betroffenen. Wir streiten für ein anderes Bildungssystem. Unser Ziel ist eine einheitliche, weltliche und unentgeltliche Bildung für alle. Wir fordern flächendeckend kostenlose Kita-Plätze, die Abschaffung des dreigliedrigen Schulsystems, die Einführung einer Schule für alle, die Abschaffung der Noten, die uneingeschränkte Lernmittelfreiheit, radikale Demokratisierung, die Einführung einer Ausbildungsumlage, die Abschaffung von Studiengebühren, Demokratisierung und „Ent-Betriebisierung“ der Hochschulen und Stärkung kritischer Wissenschaften. Die Privatisierung und Kommerzialisierung des Bildungswesens muss gestoppt werden. Dazu gehört neben der uneingeschränkten Lehrmittelfreiheit auch die Verbannung von Produktwerbung, das Verbot der Übernahme vorgefertigter Unterrichtsmaterialien der Industrie bzw. kommerzieller Stiftungen sowie der derzeitige Umbau der Hochschulen zu kommerziellen Betrieben. Unser Ziel ist selbstbestimmtes Lernen, eine Schule die Spaß macht – ohne Leistungsdruck und Angst. Wir treten ein für ein Bildungssystem, welches ohne Verwertungslogik und Leistungswahn auskommt. Statt Konkurrenzprinzip und sozialer Selektion wollen wir ein Bildungssystem in dem die freie Entfaltung des Einzelnen die Bedingung für die freie Entfaltung aller ist.
Das heutige Schulsystem funktioniert im Prinzip noch wie zu Kaisers Zeiten. Kaserniert, hierarchisch und frontal. Aufgabe der Schule ist nicht die Heranbildung von selbstbewussten, eigenständigen Menschen nach ihren individuellen Bedürfnissen und sie zum solidarischen Leben in der Gesellschaft zu befähigen. Vielmehr hat Schule im Kapitalismus die Aufgabe, durch Selektion und Disziplinierung nach willkürlichen Noten verwertbare Arbeitskräfte für den Arbeitsmarkt hervorzubringen. Gefördert wird nicht der Einzelne nach seinem individuellen Bedarf, sondern nur die Leistung der Besten. Der Rest muss sehen, wie er mitkommt. Krankmachender Leistungsdruck, ein boomender Nachhilfe-Sektor und viel zu schwere Schulranzen schon in der Grundschule inkl. steigender Tablettenmissbrauch gehören zum heutigen Bildungssystem, ebenso wie G8, immer größere Klassen und anderer Mängel aufgrund leerer Kassen. Viele Lehrer sind demotiviert und im Durchschnitt schon zu alt. Auch das Klima in der Klasse selbst leidet oft darunter. Eindeutige Indizien dafür sind der kontinuierliche Anstieg an Nachhilfestunden und die steigende Zahl an Schülern und Lehrern, die soziale oder psychologische Betreuung benötigen. Statt um das Wohl der Schüler geht es bei allem nur noch um Leistungsbilanzen und Notenschnitte. Das deutsche Schulwesen verkommt damit zu einem System der Ungerechtigkeit und Sinnlosigkeit in Bezug auf den Bildungsauftrag und zu Ausbrüchen von Gewalt.
Schule muss Spaß machen
Wir wollen eine Schule, deren Augenmerk sich auf die Bedürfnisse und Fähigkeiten der Schüler sowie deren Lehrerkörper richtet. Jeder soll nach seinem Interesse und seinen Begabungen individuell gefördert werden. Dazu bedarf es der Abschaffung des Frontal- und Paukunterrichts. Ebenso muss es die Möglichkeit geben, sich neben einem Grundbestand an Allgemeinwissen auch auf seine eigenen Interessengebiete zu spezialisieren. Dazu muss das Leistungs- und Grundkurssystem ausgeweitet werden und die Klassen wieder deutlich kleiner werden. Um den Leistungsdruck aufzuheben muss die integrierte Gesamtschule zum normalen Schultyp werden. Ebenso gehören die standardisierten Noten abgeschafft. Stattdessen müssen die Leistungen der Schüler individuell kritisch begleitet werden, um Fehler und Schwächen durch deren Anerkennung zu beseitigen ohne Angst zu machen. Stures Auswendiglernen macht keinen Sinn. Alle Kinder besitzen eine natürliche Neugierde und wenn dieser entsprochen wird, macht Schule auch wieder Spaß. Der Unterricht muss mehr auf Verständnis ausgerichtet sein als auf reines Auswendiglernen. Paukklausuren gehören daher grundsätzlich verboten – so sollen Schüler grundsätzlich bei Klausuren und Tests Hilfsmittel wie z.B. Bücher benutzen dürfen.
Schule ist Lebensraum
Um den Bedürfnissen gerecht zu werden, wollen wir Ganztagsschulen, die Spielzimmer, Sportanlagen, EDV-Räume (auch mit Computerspielen), Mensen und Büchereien für alle haben. Wir wollen, dass der starre 45-Minuten-Rhythmus und die frühen Anfangszeiten geändert werden und endlich Schluss ist mit dem frühen Aufstehen wie in der Kaserne. Wir wollen monatlich einen Brückentag, z.B. einen freien Freitag und eine maximale 25-Stunden-Woche an reinem Unterricht. Ein Ganztagsangebot erfordert auch mehr Bewegung und alternative Sitzgelegenheiten. Immer wird von einer Schulzeitverkürzung gesprochen. Warum eigentlich? Wir reden lieber auch mal von einer Verlängerung der Schuljahre! Von mehr Muße, von weniger Stress und Druck. Sofort könnten Randkurse sowohl morgens in den ersten beiden Stunden als auch nachmittags alternativ angeboten werden. Jeder Schüler könnte zu Schuljahresbeginn selbst wählen, zu welcher Zeit er den Kurs besuchen möchte. Dies verursacht nicht einmal zusätzliche Kosten. Grundsätzlich sollen sich die Schulzeiten an den Bedürfnissen und dem Wohlbefinden der Schüler richten und nicht richten und nicht umgekehrt.
Lerninhalte und Demokratisierung
Schüler wollen ihre Lebensumwelt mitgestalten. Dazu gehören die Bildungsziele wie ihre Schule selbst. Die Rechte der SMV müssen gestärkt werden, ebenso wie Initiativen an den Schulen wie beispielsweise unzensierte Schülerzeitungen. Eine Schule für alle heißt auch die Demokratisierung der Schulen durch mehr Mitentscheidungsrechte und die Öffnung aller Bildungswege für jeden. Die Bildungsinhalte entsprechen heute den Vorgaben der Industrie oder bürgerlichen Vorstellungen. Sie müssen wieder mehr hinterfragt werden. Wir wollen, dass Schüler ihre Bildungsinhalte mitbestimmen! Warum kaufen sich z.B. über 90 % der 18-jährigen auf dem „freien Bildungsmarkt“ den Autoführerschein? Solche Inhalte gehören in den Lehrplan. Zugleich wollen wir das Solidaritätsprinzip im Unterricht fördern und ältere Schüler dazu animieren, jüngeren zu helfen. Alternative Lehrmethoden, die Solidarität, Selbständigkeit und Reflexion fördern, wollen wir unterstützen. Wir wollen, dass Schüler geistig angeregt werden und Fächer wie Philosophie, Ethik, Politik und Gemeinschaftskunde sowie Medien ein stärkeres Gewicht bekommen. Praxisorientierter Unterricht, Kochen und weitere Hilfen für alltägliche Dinge wie das Ausfüllen einer Steuererklärung dürfen keine 64 5 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 1.Bundeskongress der Linksjugend [’solid] Leipzig, 04.-06. April 2008 Fremdwörter im Lehrplan sein. Auch Sexualkunde darf nicht länger tabuisiert bzw. auf chemische Formeln reduziert werden.
Forderungen
– die Überwindung von Selektion und Leistungsdruck:
Lernen ist nicht Selbstzweck, sondern soll den Jugendlichen nützen. Deshalb lehnen wir die Selektion des dreigliedrigen Schulsystems ebenso ab wie Noten und fordern deshalb die individuelle Förderung jedes Einzelnen entsprechend seiner Begabungen und Neigungen in einer integrierten Gesamtschule. Die Klassengröße ist auf maximal 18 Schüler zu begrenzen und das Klassensystem als solches grundsätzlich zu überwinden.
– Schule ist Lebensraum:
Sie muss Spaß machen und Neugierde wecken statt erzwingen! Statt Leistungsdruck und Konkurrenzdenken wollen wir ein solidarisches Miteinander. Es müssen mehr junge Lehrkräfte in kleineren Klassen eingestellt werden. Statt zu frühem Aufstehen und 45-MinutenTakt wollen wir eine Ganztagsschule, die den realen Bedürfnissen der Schüler entspricht.
– Demokratisierung:
Wir wollen eine paritätisch zusammengesetzte Schulversammlung und demokratische Mitentscheidung der Schüler. Alle Bildungswege müssen für alle jederzeit offen sein! Privatschulen müssen mittelfristig aufgelöst oder in öffentliche Hand überführt werden.
Ein paar Sofortmaßnahmen:
– Bildung ist eine gesellschaftliche Aufgabe und muss entsprechend finanziert werden
– die Einführung von Tests nur zur Überprüfung der Lernfortschritte statt Noten als Leistungsnachweis
– Senkung des Klassenteilers – den Ausbau von Ganztagsschulen als Lebensraum (Spielzimmer, Bibliotheken, Mensa,…)
– mehr Mitentscheidungsrechte der SMV
– weitere Öffnung aller Bildungswege für alle
– Mehr und bessere Möglichkeiten der Sanktionierung inkompetenter Lehrkräfte
– Pädagogik als Pflichtfach für alle Lehramtsstudiengänge – Entrümpelung und Vereinheitlichung der Lehrpläne – kostenlose Nachhilfe für alle – kostenlose Bereitstellung aller Schulmittel inkl. Ranzen, Hefte, Bücher und Stifte – keine weiteren Steuermittel für Privatschulen
Beschluss des I. Bundeskongresses am 4.-6. April 2008 in Leipzig
Für eine linke Bildungs-und Erziehungspolitik, ist die Forderung nach einem flächendeckenden Ausbau der Kindertagesstätten und Krabbelgruppen, aus unserer Sicht, existentiell. Dies aus zwei Gründen: Nur durch eine umfassende und professionelle vorschulische Kinderbetreuung wird gewährleistet, dass Kinder aus sozial benachteiligten Elternhäusern gleiche Entwicklungschancen haben, wie Kinder aus anderen Elternhäusern. Weiterhin wird durch jene geforderten kostenlosen Betreuungsangebote das Streben nach gesellschaftlicher Gleichberechtigung der Frauen, beruflicher Selbstverwirklichung und finanziellen Unabhängigkeit unterstützt. Hierzu muss eine möglichst hohe Qualifikation der Betreuenden Personen angestrebt werden.
Beschluss des I. Bundeskongresses am 4.-6. April 2008 in Leipzig
2008 – das sind 40 Jahre 68. Und in der öffentlichen Debatte wird in diesem Jubiläumsjahr um die Deutungshoheit über die Revolte von gestern gerungen. Waren die Jugendlichen und Studierenden, die damals gegen den Vietnamkrieg und gegen die faschistische Kontinuität im Nachkriegsdeutschland auf die Straße gingen, nur frustrierte und duchgeknallte Mittelstandskiddies, waren es Spinner? War die damalige Jugendbewegung in ihrer Verblendung gar mit ihren Nazi-Eltern vergleichbar, wie der alt gewordene Achtundsechziger und jüngst mit dem Bundesverdienstkreuz honorierte Götz Aly behauptet? Oder war es einfach eine Generation, die an den alltäglichen Widersprüchen der kapitalistischen Verhältnisse geradezu verzweifelte und glaubte, diese verändern zu können und auch zu müssen?
Protest und Revolte von links sollen delegitimiert werden
In den Auseinandersetzungen um die Deutung der 68-er-Bewegung geht es um sehr viel mehr als nur um eine historische Aufarbeitung. Es geht darum, jeden Gedanken an Protest und Revolte, jeden Versuch des Widerstands gegen die Verhältnisse zu delegitimieren und zu kriminalisieren. Wer in der besten aller Ordnungen so im Quadrat springt, kann nicht ganz richtig ticken, meint der publizistische und wissenschaftliche Mainstream.
Wir werden den Deutungskampf um 68 nicht den Kontrahenten und Überläufern von damals überlassen. Mit dem vom Studierendenverband und Jugendverband organisierten 68er-Kongress vom 2. bis 4. Mai in Berlin, werden wir uns die Debatte einmischen.
Dabei geht es nicht um eine unkritische Vereinnahmung, es geht darum, zu prüfen, inwiefern die Impulse, die Erfolge wie auch die Erfahrungen aus den Niederlagen von damals für unsere politische Praxis heute genutzt werden können. 1968 war der Kristallisationspunkt einer radikalen linken Emanzipationsbewegung – diesen Bezugspunkt nehmen wir für uns mit diesem Kongress in Anspruch.
Die LINKE bringt die herrschenden Eliten derzeit aus dem Gleichschritt, der neoliberale Zeitgeist beginnt zu bröckeln. Nicht wenige Achtundsechziger von damals gehören zu den Eliten von heute, schreiben für Springer oder sitzen im Auswärtigen Amt. Sie gehören heute zu den stärksten Kritikerinnen und Kritiker der damaligen Bewegung, nicht zuletzt um sich selbst zu entlasten. Wenn die deutsche Linke diese Gesellschaft grundlegend verändern will, wird sie sich ernsthaft mit der Frage auseinandersetzen müssen, wie ein parteipolitisches Folgeprojekt dieser Bewegung ausgerechnet in der rot-grünen Regierungsperiode enden konnte, in einer Regierung, die sich den Kapitalinteressen besonders ehrgeizig angedient hat. Auch das gehört für uns zur politischen Agenda in diesem Jubiläumsjahr. Wir sehen den Kongress als Auftakt für einen Spektren übergreifenden Dialog zur Frage nach linker Organisation und linken Perspektiven.
Bambule machen – wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt!
Die 68er-Bewegung war nicht wirkungslos, ihre zentralen Forderungen jedoch blieben uneingelöst. Viele Fragen von damals stellen sich heute umso eindringlicher. In den letzten Jahren wurden die durch die Achtundsechziger erkämpften Bildungsreformen zurückgedrängt, das Primat der kapitalistischen Ökonomie hat sämtliche Lebensbereiche überrollt. Wir kämpfen heute gegen ein Bildungssystem, dass sozial selektiert wie in keinem anderen westlichen Industrieland. Wir kämpfen für Freiräume einer kritischen Wissenschaft, wir widersetzen uns der zunehmenden Prekarisierung sämtlicher Lebens- und Arbeitsbereiche.
Der Kongress soll Diskussions- und Arbeitsraum für den Verband wie für unsere Bündnispartnerinnen und -partner sein. Die Auseinandersetzungen mit den SchülerInnen- und Studierendenstreiks wie mit der damaligen Azubi-Bewegung bieten die Möglichkeit, unsere politische Praxis zu qualifizieren und unsere Handlungsfelder neu ins Visier zu nehmen. Die Bambule kommt, Gründe gibt es genug.
Beschluss des VI. Bundeskongresses am 26.-28. April 2013 in Magdeburg
• Solidarität mit dem Kampf der Lehrerinnen und Lehrer
Die angestellten Lehrerinnen und Lehrer befinden sich derzeit in einer Tarifauseinandersetzung für eine „Lehrkräfte-Entgeltordnung / L-EGO“. Angestellte Lehrerinnen und Lehrer verdienen netto bis zu 570 Euro weniger im Monat als verbeamtete Kolleginnen und Kollegen. Das Ziel der Lehrkräfte ist es, diese Lücke zu schließen und gleiche Bezahlung für alle Lehrerinnen und Lehrer durchzusetzen.
Auch Beamte hatten sich schon am Streik der Länderbeschäftigten beteiligt, beispielsweise in Rheinland-Pfalz. Jetzt sollen sie in 14 von 16 Bundesländern nicht mal die ausgehandelte Tariferhöhung bekommen! Es besteht also die Möglichkeit, sie das erste Mal richtig in die Auseinandersetzung einzubeziehen.
Die Lehrerinnen und Lehrer haben schon beim Streik der Länderbeschäftigten gezeigt, dass sie willens sind zu kämpfen. 80.000 angestellte Lehrerinnen und Lehrer beteiligten sich am Streik. Ihre Gewerkschaft GEW war auch durch die Erzieherinnen und Erzieher überall sichtbar. Gerade in Ostdeutschland, wo der Anteil der angestellten Lehrkräfte hoch ist, war die Beteiligung gut. Die Dynamik des Streiks muss jetzt genutzt werden, um noch vor der Sommerpause die Auseinandersetzung erfolgreich weiterzuführen. In Berlin ist schon von einem einwöchigen Streik mit zentralem Protestcamp die Rede.
Linksjugend [’solid] unterstützt den Streik
Wir unterstützen den Kampf der Lehrerinnen und Lehrer für gerechte Bezahlung. Die Arbeitsbedingungen der Lehrkräfte sind die Lernbedingungen der Schülerinnen und Schüler. Viele von uns waren in den Bildungs- und Schülerstreiks beteiligt, wo wir auch für bessere Bildung gestreikt haben.
Wenn es zu einer ernsten Auseinandersetzung kommt, wird der Druck auf die Streikenden erhöht werden. Berichte über Schüler, die ihre Abschlussprüfungen nicht machen konnten oder deren Arbeiten nicht korrigiert wurden, werden in den Medien präsentiert werden. Wir können von der Seite der Lernenden deutlich machen, dass der Kampf der Lehrerinnen und Lehrer auch in unserem Interesse ist. Deshalb machen wir öffentlich deutlich, dass wir an der Seite der Streikenden stehen. Dort wo es möglich ist, unterstützen wir Proteste und Streikposten der Lehrerinnen und Lehrer. Das kann von der Flugblattverteilung vor der Schule, zu Solidaritätsaktionen bis hin zum lokalen Schülerstreik reichen. Wir nehmen vor Ort Kontakt zur GEW auf und fragen, was geplant ist und wie wir sie unterstützen können. Über den Bundessprecher:innenrat bringen wir zum Streik eine öffentliche Presse- und Solidaritätserklärung heraus und kommentieren ggf. später den Streikverlauf.
Beschluss des VI. Bundeskongresses am 26.-28. April 2013 in Magdeburg
Die Linksjugend [’solid] unterstützt die DGB-Jugend Berlin Brandenburg in ihrer Forderung nach einer Mindestausbildungsvergütung und fordert für die Bundesrepublik Deutschland eine allgemeine Mindestausbildungsvergütung von 1200 € netto.
Wir rufen die Gewerkschaften und Arbeitnehmer:innenvertretungen auf, sich für eine Steigerung der Löhne und Ausbildungsvergütungen über dem Inflationsniveau einzusetzen. Für den Wahlkampf 2013 wird ein Flyer zum Thema Ausbildung erstellt. Der Bundessprecher:innenrat organisiert hierbei die Umsetzung.
Beschluss des III. Bundeskongresses am 26.-28. März 2010 in Frankfurt am Main
Intro
Unsere Generation lebt in einer Zeit der beschleunigten Umbrüche und verschärften Widersprüche. Die Krisenmeldungen überstürzen sich: Globale Märkte zermalmen ganze Volkswirtschaften und die Welt erlebt eine Wirtschaftskrise, die bereits das Ausmaß der großen Depression der 1930er Jahre überschreitet. Zugleich steht uns eine dramatische Erderwärmung bevor – mit radikalen Folgen für die Lebensbedingungen auf diesem Planeten.
Und doch leben wir auch in einer Zeit des politischen Stillstands. Die Krisen brechen in das Bewusstsein der Öffentlichkeit ein, um scheinbar routiniert verdaut zu werden. Oft wird resigniert oder geleugnet und die herrschenden Eliten des Westens rufen das Ende der Wirtschaftskrise aus, noch bevor die Schockwellen des Finanzkollapses die Realwirtschaft vollständig erreicht haben. Zu wirksamen Regulierungen des Finanzmarktsektors ist es noch nicht gekommen. Und dabei geht es einer unvorstellbar großen Zahl von Menschen schon jetzt durch die Krise schlechter und ihre Zahl wird nochmals steigen. Weltweit verlieren viele Millionen ihre Arbeit und ihren Lebensunterhalt und auch die extreme Armut wird neue Rekordhöhen verzeichnen.
Stillstand herrscht auch in der Klimapolitik. Die dringend notwendige industrie- und energiepolitische Wende wird weiter blockiert und die Regierungen zocken lediglich um die Abwälzung der Folgekosten.
Klimawandel, Energiekrise, Ernährungskrise und Weltwirtschaftskrise – die Krisen haben System, sie müssen als Wirkung des Kapitalismus verstanden werden. Als Jugendverband kämpfen wir deshalb für eine antikapitalistische, eine sozialistische Perspektive. Wir sagen: Der Kapitalismus erleidet keine Krisen, er ist die Krise und war seit seinem Bestehen schon eine Katastrophe für Mensch und Natur. Ohne Profit, ohne Ausbeutung und Ausgrenzung ist der Kapitalismus nicht denkbar. Und wir sind Bestandteil einer weltweiten Bewegung, die für seine Überwindung eintritt, die angetreten ist, diese mörderische und absurde Weltordnung umzustoßen.
Unser Verband arbeitet in einem Kernland des Westens. Die Bundesrepublik gehört zu den führenden Wirtschaftsmächten. Sie profitiert von den globalen kapitalistischen Raubzügen. Es liegt auch an uns, den Opfern dieser Raubzüge hier eine Stimme zu geben und die Kräfteverhältnisse nach links zu verschieben. Wir werden nicht resignieren. Wir wollen an der Gestaltung einer besseren Welt mitwirken. Wir wollen unsere Generation politisch mobilisieren, für eine radikale, plurale junge Linke. Und das kann uns nur gelingen, wenn wir in die sozialen Kämpfe in diesem Land eingreifen und Plattform sind für Protest, Selbstorganisation und Solidarität. Dabei verlieren wir die globale Perspektive nicht aus dem Blick. An unserer Generation liegt es die klimapolitische Wende und globale Klima- und Verteilungsgerechtigkeit durchzusetzen.
Mit diesem Beschluss gibt der Bundeskongress von Linksjugend [’solid] unserem Verband eine politische Strategie und ein Arbeitsprogramm für das Jahr 2010. Wir ziehen mit ihm zugleich Bilanz im dritten Jahr nach unserer Gründung. Wir analysieren unsere Schwächen und Erfolge und orientieren die Landesverbände auf die nächsten Schritte im weiteren Aufbau unserer Organisation.
Generation Krise: Soziale Kämpfe gegen Schwarz-Gelb
Die Wirtschaftskrise hatte in der politischen Linken im letzten Jahr die Erwartung hervorgerufen, dass die neoliberale Marktideologie nun von allein in sich zusammenbrechen müsste. Schließlich galt sie mit ihren Grundsätzen der Deregulierung und Privatisierung als ursächlich verantwortlich für den Finanzkollaps. Weit gefehlt, denn jenseits einiger symbolischer Gesten und Beschwörungsformeln haben die herrschenden Eliten Kurs gehalten. Was noch unter der Großen Koalition anfänglich als Verstaatlichungsrhetorik gehandelt wurde, entpuppte sich sehr schnell als Manöver, mit dem die Eliten Ressourcen für die Rettung ihrer Besitzstände in Anspruch nahmen. Bankenrettungspakete wurden aufgelegt, ohne dass sich etwas an der Steuerung der Banken und Krisenunternehmen änderte, von gesellschaftlicher und demokratischer Mitbestimmung war nie die Rede. Die Politik der Rettungsschirme galt also der Rettung der alten Ordnung, der Rettung des neoliberalen Marktradikalismus.
Mit Schwarz-Gelb stellt eine Koalition der Marktfreiheit und des Wertekonservatismus die Regierung der Bundesrepublik. Anders als viele Linke aber glauben, kann der Wahlsieg von Schwarz-Gelb nicht auf einen Rechtsruck in der Gesellschaft zurückgeführt werden. Vielmehr ist diese Regierungsbildung auf den beispiellosen Absturz der SPD zurückzuführen, den sie nach 11 Jahren des massiven Sozialabbaus und der deutschen Kriegsbeteiligung zu verantworten hat. Der bürgerliche Block hat bei den Wahlen sogar insgesamt über 300.000 Stimmen gegenüber dem Jahr 2005 verloren. Sowohl CDU als auch SPD haben damit jeweils ihr schlechtestes Ergebnis seit Bestehen der Bundesrepublik eingefahren. Dies mag auch ein Grund sein, warum die derzeitige Regierung noch zögert, ihr Programm der neoliberalen Krisenbewältigung in vollem Umfang durchzusetzen. Spätestens nach den Landtagswahlen in NRW, droht sich das zu ändern.
Der Koalitionsvertrag von Schwarz-Gelb enthält ein faustdickes Umverteilungsprogramm zu Lasten der sozial Benachteiligten und lohnabhängig Beschäftigten. Steuern für Unternehmen und SpitzenverdienerInnen sollen weiter gesenkt und im Gegenzug die Kopfpauschale im Gesundheitssystem eingeführt werden. Die Ausweitung des Niedriglohnsektors steht ebenso an wie weitere Privatisierungen. Und unter der Hand wurden bereits massive Kürzungen im Sozial- und Bildungsbereich durchgeführt – weitere werden folgen. Die Bankenrettungen und Steuersenkungen für die eigene Klientel müssen ja schließlich gegenfinanziert werden.
Während der Kriseneinschlag in der Bundesrepublik im letzten Jahr vor allem über die Kurzarbeit und mit dem Abbau von Überstunden in vielen Branchen ausgebremst wurde, wird im Jahr 2010 die Arbeitslosigkeit deutlich ansteigen. Darüber hinaus wird die Krise vor allem dafür genutzt, den Arbeitsmarkt weiter zu prekarisieren. Leiharbeit, mehr Minijobs, Dumpinglöhne und die allgemeine Herabsetzung von Tarifstandards – lohnabhängig Beschäftigte müssen zu immer mieseren Konditionen arbeiten.
Besonders stark betroffen von dem prekären Umbau der Arbeitswelt sind junge Menschen. Weniger Ausbildungsplätze, weniger Übernahmen nach der Ausbildung und wenn sich ein Job findet, dann ist es nicht selten Leiharbeit für wenig Geld, mit wenig Schutz und viel Unsicherheit. Befristete Arbeitsverträge sind inzwischen Standard, gut entlohnte, sichere Arbeitsplätze werden immer seltener.
Unsere Generation ist die Generation Krise. Von der Generation unserer Eltern unterscheiden uns vor allem Hoffnungs- und Perspektivlosigkeit. Von der Mär steigenden allgemeinen Wohlstands durch unendlich wachsende Produktivität ist nichts geblieben als die unerfüllbare Sehnsucht nach einem vermeintlich erlösenden zweiten Wirtschaftswunder. Erwerbsbiografieen junger Menschen füllen seitenlange Dossiers über Praktika, Aushilfsjobs im Niedriglohnbereich und Ausbildungen ohne Übernahme – oder beschreiben den jüngst von Westerwelle, Koch und Sarrazin offen geforderten Ausschluss aus dem Volkskörper, die Marginalisierung im Stigma Hartz IV, die längst Realität geworden ist. Uns wird die Entscheidung überlassen, die unerfüllte Hoffnung nach Anerkennung und einem besseren Leben im sog. ersten Arbeitsmarkt nicht zu verlieren oder uns dem Schicksal eines verächtlichen Lebens als angebliche Schmarotzer an den im Sinne nationalen Interesses Disziplinierten hinzugeben. Schicksal? – Fehlanzeige! Unsere Entscheidung bleibt: Weder, noch! Wir spielen das Spiel nicht mit, in dem jede und jeder für sich um einen etwas besseren Lohn, etwas bessere Lebensbedingungen kämpft. Das Spiel, in dem es nur GewinnerInnen und VerliererInnen gibt, das uns darauf konditioniert, nach oben zu buckeln und nach unten zu treten. Wir fordern ein selbstbestimmtes Leben abseits von Lohnarbeit und Hartz IV für uns alle. Natürlich lassen wir unsere historisch erkämpften Rechte nicht fallen, nehmen Lohndrückerei und Marginalisierung nicht hin und tun alles dafür, keinen Schritt zurückweichen zu müssen. Darüber vergessen wir nicht, dass unser Kampf allen Verhältnissen gilt, „in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen“ ist. Vor diesem Hintergrund organisieren wir als Teil einer emanzipatorischen Bewegung massive soziale Kämpfe gegen die andauernden Angriffe auf unser Leben und für ein ganz anderes Ganzes.
Für uns steht fest: Ohne massive gesellschaftliche Kämpfe und ohne die Angst der Regierung vor diesen Kämpfen werden wir die anhaltenden Angriffe auf unsere Zukunftschancen nicht abwehren können. Ohne eine starke außerparlamentarische Bewegung wird es auch keinen Wiederaufbau des Sozialstaats, und keine gesellschaftliche Demokratisierung geben. Unsere politischen Praxen orientieren sich deshalb an dem Ziel, den außerparlamentarischen Widerstand zu stärken und die Kräfteverhältnisse in diesem Land zu verändern.
Allen Lebensweisen gerecht werden
Die Ehe ist ein Relikt vergangener Tage. Von den Religionsgemeinschaften wird sie als eine besonders verlässliche und für Kinder förderliche Lebensweise angesehen. Der Staat alimentiert die Hausfrauenehe, also die partriarchalste aller Formen des Zusammenlebens, per Ehegattensplitting. Lebensgemeinschaften, die auf Hartz-Leistungen angewiesen sind werden ebenfalls gemeinsam veranschlagt: Es ergibt sich eine Unterhaltsverpflichtung der beiden PartnerInnen füreinander. Dies gilt nicht nur für die Ehe oder das homosexuelle Pendant, die eingetragenen Lebenspartnerschaft: Dies gilt ebenfalls für die so genannten Bedarfsgemeinschaften.
linksjugend [‘solid] fordert die Aufhebung aller finanziellen Abhängigkeitsverhältnisse unter Erwachsenen! Insbesondere Lesben und Schwule akzeptieren in Ihrer Mehrzahl die überkommenen Rollenvorstellungen nicht, da sie die konservativen Leitbilder nie für sich als passend empfunden haben.
So erklärt sich, dass das Lebenspartnerschaftsgesetz zwar von ein paar wertkonservativen Grünen gefordert und durchgesetzt wurde, aber kaum von Lesben und Schwulen angenommen wird.
Im vergangenen Jahr hat unser Jugendverband Materialien unter dem Motto: „Gleiche Rechte für alle: Eheprivilegien abschaffen!“ erstellt und auf den schwul-lesbischen Straßenfesten und den CSD-Paraden verteilt. Der Erfolg dieser kleinen Kampagne hat gezeigt, dass wir mit unseren emanzipatorischen Inhalten gut bei dieser besonderen Zielgruppe ankommen. Zur kommenden CSD-Saison werden wir einen Aufruf herausgeben und die Basisgruppen auffordern auch in diesem Jahr wieder auf den CSDs präsent zu sein. Zum Thema wird wieder tolles emanzipatorisches Material anhand unserer Lebensweisenposition (beschlossen auf dem BuKo 09) erstellt. Es werden wieder Aufkleber, Handzettel und Banner gedruckt.
Den Bildungsstreik weiterentwickeln
Die ersten beiden Wellen des Bildungsstreiks im letzten Jahr haben gezeigt, dass unsere Generation politisch mobilisierbar ist. Über 270.000 Schülerinnen, Schüler, Studierende und Auszubildende haben sich am Aktionstag im Juni an den Demonstrationen beteiligt und im Winter fanden in über 90 Hochschulen Besetzungen statt. Mit den breit getragenen Demonstrationen, den symbolischen Banküberfällen und anderen Aktionen des zivilen Ungehorsams handelte es sich um die größten außerparlamentarischen Proteste seit der Anti-Hartz-IV-Bewegung. Damit ist es gelungen die Probleme in den Schulen und Hochschulen in eine breite Öffentlichkeit zu tragen und Sympathien für die Anliegen der Streikenden zu wecken. Der Erfolg des Streiks war unserer Meinung nach vor allem in der Verbindung von bundesweiter Koordination und dezentraler Aktion und damit in seiner flächendeckenden, bundesweiten Präsenz begründet. Gleichzeitig aber müssen wir feststellen, dass über die aktionistischen Punktmobilisierungen hinaus eine nachhaltige und langfristige Organisierung in den Bündnissen vor Ort kaum gelungen ist. Letzteres aber ist entscheidend, um die Forderungen des Streiks vor Ort auch wirklich durchzusetzen. Eine Strategie, die für die dritte Streikwelle im Juni vornehmlich auf Eskalation und Expansion in der Mobilisierung setzt, wird deshalb einseitig bleiben und im besten Fall medial aber eben nicht politisch erfolgreich sein.
Als Defizit hat sich darüber hinaus die schwache parteiunabhängige Interessensbündelung auf der Bundesebene erwiesen. Der Bewegung fehlt es sowohl im SchülerInnen- als auch im Studierendenbereich an einer gemeinsamen Plattform für die Selbstbildung und Unterstützung der Akteure vor Ort.
Der Bundeskongress orientiert den Verband auf die folgenden Leitlinien:
Der Kampfzone den Hahn abdrehen
Deutschland ist mit immer mehr Soldaten an dem seit 8 Jahren in Afghanistan geführten Krieg beteiligt. Und die Gewaltspirale dreht sich nach oben. Die Bombardierung und Ermordung von über 100 Menschen in Kunduz durch die Bundeswehr im September letzten Jahres muss als das größte deutsche Kriegsverbrechen nach dem Ende des 2.Weltkriegs angesehen werden. Linksjugend [‘solid] lehnt den Krieg und die Unterstützung des korrupten und unbeliebten Karsai-Regimes weiterhin entschieden ab. Wir wehren uns zudem dagegen, dass die Bundeswehr die miesen Berufs- wie Ausbildungschancen und den gewachsenen ökonomischen Druck auf junge Menschen ausnutzt, um in Schulen und Jobcentern zu rekrutieren. Es ist bekannt, dass die Regionen mit hoher Jugendarbeitslosigkeit zu den bevorzugten Zielgebieten der Jugendoffiziere der Bundeswehr gehören.
Wir fordern das Verbot von Bundeswehrwerbung an den Schulen und Jobcentern, die Abschaffung Abschaffung der Bundeswehr und den damit verbunden Wehrdienstes. Wir wollen wirkliche Zukunftschancen und streiten deshalb für eine grundlegend andere Bildungspolitik.
Never, never, never give up! Zivilen Ungehorsam organisieren!
Als linker Jugendverband ist es unsere Aufgabe, insbesondere junge Menschen für sozialistische Ideale, internationale Solidarität und den Kampf ums Ganze zu gewinnen. Wie bereits im Bildungsstreik so auch bei den Nazi-Blockaden in Dresden haben vor allen Dingen Jugendliche gezeigt, was wir erreichen können und wie sich gesellschaftlicher Widerstand breit verankern lässt. Der Nazi- „Trauermarsch“ fand im zwölften aufeinanderfolgenden Jahr erstmals nicht mehr statt. Erfolgreich haben wir AntifaschistInnen den Nazis damit fürs erste einen der symbolträchtigsten „Gedenktage“ streitig gemacht! Der Jugendverband hat im Vorfeld maßgeblich dazu beigetragen: In allen AGs des Bündnis „Dresden Nazifrei“ waren wir Akteur und haben gemeinsam mit linksradikalen und breit aufgestellten zivilgesellschaftlichen Kräften an der Blockade des Naziaufmarschs gearbeitet und geschlossen agiert. Nach anfänglicher Zurückhaltung haben dadurch nun auch die Skeptiker erkannt: Antifaschismus dürfen wir nicht dem Staat überlassen – das machen wir lieber selbst! Mit diesem Erfolg im Rücken haben wir nun die Chance, Zivilen Ungehorsam als ein legitimes und auch effektives Mittel, sowohl im zivilgesellschaftlichen als auch im linksradikalen Spektrum zu etablieren. Blockaden nach dem Vorbild Köln, Jena oder Dresden eigenen sich eben deswegen so gut für eine solche Verankerung, weil sie explizit den Schulterschluss zwischen allen antifaschistischen Kräften – egal welcher Richtung – organisieren und vereinen. Genau dieser Schulterschluss ist es denn auch, der dem Staat missfällt, denn durch die breite Solidarisierung konkretisieren und organisieren wir sowohl gesellschaftlichen Protest als auch aktiven Widerstand gegen die bestehenden Verhältnisse. Aber: Für das Jahr 2011 hat sich auf Seite der Nazis bereits ein neuer Vorbereitungskreis für den Nazi-Aufmarsch konstituiert. Das bedeutet für uns, dass wir nächstes Jahr erst recht gefordert sind. Durch unseren Erfolg ist es jetzt möglich langfristig bundes- und landesweite Blockadebündnisse aufzubauen. Wir werden diese Chance ergreifen und daher in der zweiten Jahreshälfte 2010 hier einen wesentlichen Arbeitsschwerpunkt setzen. Bestandteil unserer antifaschistischen Arbeit sollte die Ausweitung und ein stückweit Professionalisierung solcher Protestformen sein. Der Bundeskongress setzt dem entsprechend folgende Leitlinien: Der Bundesjugendverband bringt sich aktiv in den Aufbau eines Blockadebündnisses gegen den Nazi-Aufmarsch im Februar 2011 in Dresden auf bundesweiter und – wo möglich – auch regionaler und lokaler Ebene ein. Er beteiligt sich aktiv an einer bundesweiten Antifa-Konferenz des Bündnisses „Dresden nazifrei!“, um gemeinsam mit den dort organisierten Akteuren aus dem zivilgesellschaftlichen wie linksradikalen Spektrum die Erfahrungen der vergangenen Blockaden zu reflektieren und Schlüsse für gemeinsame zukünftige Anti-Nazi-Blockaden zu ziehen. Auf Bundesebene wird ein Antifaschistisches-Aktions-Modul entwickelt, dass exemplarisch darstellt, wie in den einzelnen Landesverbänden langfristig ein Aktionsnetzwerk – ähnlich dem in Jena – aufgebaut werden kann, das sich vor Ort aktiv in die Organisation und Umsetzung von Nazi-Blockaden einbringt. Zur Entwicklung des Moduls wird insbesondere auf die bereits bestehende verbandsinternen Struktur, die sich im Zuge der Dresdenvorbereitung gebildet hat, aufgebaut und darüber hinaus die enge Zusammenarbeit mit dem Jenaer Aktionsnetzwerk, sowie dem Netzwerk Skills for Action gesucht. Die theoretische Aufarbeitung und Analyse des vergangenen Faschismus und heutigen Rassismus wird durch die weitere Verbreitung der Broschüre „Block Facism“, der Konzeption von Abrufveranstaltungen und dem Aufbau eines ReferentInnen-Pools durch den Bundesjugendverband ausgebaut.
Gegen neoimperialistische Kriege – Bundeswehr abschaffen!
Eine unter vielen, aber die aggressivste Form des Klassenkampfes von oben sind neoimperialistische Kriege, wie sie derzeit von den USA z.B. im Irak oder von der NATO unter maßgeblicher Beteiligung der BRD in Afghanistan geführt werden. Sie vernichten die natürlichen Lebensgrundlagen der Menschen, die Natur sowie die Leben von Millionen Menschen weltweit. Sie verschärfen und zementieren die Ausbeutung und Unterdrückung des globalen Proletariats und sie machen die Möglichkeiten antikapitalistischer Bewegungen in den betroffenen Staaten zunichte. Ein Internationalismus, der seinen Namen noch verdient, bezieht offen und deutlich Stellung gegen diese Kriege, ihre Planung, Vorbereitung und gegen ihre Profiteure. Der Umbau der Streitkräfte sowohl der Bundeswehr, als auch der EU und der NATO zu Interventionsarmeen sind ein strategisches Instrument zur Ressourcen- und Machtsicherung der kapitalistischen Kernstaaten. Mit ihnen als Apparat zur Erhaltung und Vertiefung der herrschenden Produktionsverhältnisse ist eine Überwindung derselben nicht zu erreichen. Rüstungsindustrie / Interessen der deutschen Wirtschaft In dieser Zeit der in Politik und Presse allgemein gegenwärtigen Krise versucht die Bundeswehr in gesteigertem Maße, die daraus resultierend vermehrte Perspektivlosigkeit vieler SchulabgängerInnen auszunutzen und diese für eine Karriere in der Bundeswehr als BerufssoldatIn, inklusive deren vielfältigem Ausbildungsprogramm in zivilen Berufen, welche auch militärisch genutzt werden, zu begeistern. Der Wehrdienst ist das Kernelement der Instrumente zur Heranführung an die Bundeswehr. Er dient dazu, ein Gemeinschaftsgefühl und Loyalität durch Verinnerlichung eines Systems von Disziplin zu generieren und den SoldatInnen so den eigenen Willen durch ein funktionales System von Befehl und Gehorsam zu ersetzen. Das kann für mündige Menschen keine Alternative sein! Die Bundeswehr arbeitet seit geraumer Zeit an ihrer Außendarstellung, um sich für junge Menschen interessant zu machen, ihr Ansehen in der Gesellschaft zu steigern und einen stetigen Nachschub an billigen Arbeitskräften sicher zu stellen. Dazu will auch die neue Bundesregierung beitragen, die im Koalitionsvertrag die Einführung von einem „Maßnamenpaket zur Steigerung der Attraktivität des Dienstes in der Bundeswehr“ für das Jahr 2010 vorsieht. Die Soldaten sollen als „Staatsbürger in Uniform“ mit einem positiven Bild in der Gesellschaft verankert sein. Der Aufbau und die Vernetzung der „Zivil-Militärischen Zusammenarbeit (ZMZ-I) seitens der Bundeswehr auf kommunaler Ebene, ist eine Aushöhlung des Grundgesetzes. Die Grenzen von innerer und äußerer Sicherheit verschwimmen zunehmend. Internationale Einsätze unter Beteiligung Deutschlands und Heimatschutz sowie der Einsatz der Bundeswehr im inneren sind deshalb zwei Seiten ein und derselben Medaille.
Ökologisches
Der gescheiterte Weltklimagipfel in Kopenhagen im vergangenen Dezember muss in einer Hinsicht als Wendepunkt verstanden werden: Kopenhagen war die Geburtsstunde einer globalen Klimabewegung. Deutlich geworden ist zugleich, dass wir von einem klimapolitischen Kurswechsel weit entfernt sind und die offiziellen Verhandlungsrunden der Regierungen sich – wenn überhaupt – nur im Zeitlupentempo bewegen. Richtig ist, dass die klimapolitische Wende in den nächsten 10 Jahren kommen muss, damit die Kipp-Punkte des Klimas in 20 oder 30 Jahren vermieden werden. Wenn es der Weltgesellschaft nicht gelingt sehr bald radikal anders zu wirtschaften, den Ausstoß von Treibhausgasen massiv zu reduzieren und endlich umzusteuern, dann wird die globale Durchschnittstemperatur am Ende dieses Jahrhunderts deutlich angestiegen sein. Die Politik der nächsten 10 Jahre entscheidet also existenziell über die Lebensverhältnisse der künftigen Generationen, über die Vernichtung der menschlichen Lebensgrundlagen. Der ökologische Imperativ, die absolute Notwendigkeit alles auch unter der ökologischen Frage zu betrachten, macht es für uns unabdingbar den Sozialismusbegriff ökologisch zu denken. Es kann und soll für uns kein Sozialismusbegriff ohne ökologische Perspektive, wie auch keine ökologische Perspektive mehr ohne den Sozialismusbegriff geben.
Die außerparlamentarische Mobilisierung nach Kopenhagen war insofern ein Erfolg, als dass es den Staats- und Regierungschefs des atlantischen Westen nicht gelungen ist, aus dem Gipfel zumindest einen PR-Erfolg zu machen. Ebenso erfreulich ist, dass die Länder des Trikonts sich selbstbewusst einem Abkommen verweigert haben, welches ihnen einseitig die Lasten einer klimapolitischen Kurskorrektur aufgelastet hätte. Wir nehmen zudem ernsthaft besorgt zur Kenntnis, mit welcher Zielstrebigkeit der Atomausstieg von der schwarz-gelben Bundesregierung verschleppt wird und die Atomenergie wieder in der deutschen Energieversorgung verankert werden soll. Auch den Versuch einen Atomausstieg gegen die Klimafrage auszuspielen werden wir nicht zulassen. In diesem Kontext unterstützen wir als Jugendverband die stärker werdende Antiatombewegung und werden uns hier in Zukunft als sichtbare Bündnispartnerin einbringen. Ein Ziel ist dabei Schnittstellen zwischen dem Kampf gegen den Klimawandel und die Renaissance der Atomkraft sichtbarer zu machen und das Hirngespinst der „sauberen“ Atomenergie“ zu entlarven. Als sozialistischer Jugendverband verweisen wir deswegen auch explizit darauf, dass das Prinzip die Energieproduktion der Gewinnmaximierung unterzuordnen, ökologische Probleme schafft, die die ganze Umweltbewegung betreffen.
In den anstehenden Monaten wird sich entscheiden, ob die Proteste in Kopenhagen tatsächlich ein neues Seattle darstellen, den Beginn einer breiteren Massenbewegung. Die Aufgabe unseres Verbandes ist dabei einerseits eine massenfähige antikapitalistische Klimapolitik zu formulieren, andererseits praktische und programmatische Angebote für den bislang größtenteils noch unspezifischen Protest zu erarbeiten. Wir wissen dabei, dass wir selbst erst begonnen haben, unser Verbandsprofil in diesem Bereich zu schärfen und bei vielen Fragen noch Klärungs- und Diskussionsbedarf haben.
Der Bundeskongress setzt folgende Leitlinien:
Perspektiven für eine antikapitalistische Praxis
Schlechte rot-rote Koalitionsverträge, leere öffentliche Haushalte, eine noch zu schwache gesellschaftliche Linke und immense Herausforderungen in den Bereichen Soziales, Klima und Frieden verleiten zum Aufgeben und Verzweifeln. Die entscheidende Frage für uns aber ist, wie wir die anstehenden Abwehrkämpfe erfolgreich bestehen können und darüber hinaus in eine sozialistische Transformationsstrategie überleiten können.
Am Anfang steht die simple, aber wichtigste Erkenntnis, dass wir schlicht >mehr< werden müssen! Wie im Abschnitt „Den Verband stärken“ beschrieben, geht es zudem auch um ein qualitatives >mehr<. Erfahrung und politische Fitness erhöhen natürlich die Wirkung der eigenen Arbeit. Was soll nun aber neben unseren Hauptaufgaben, dem ‚mehr und besser werden‘, der konkrete sozialistische d.h. antikapitalistische Gehalt der eigenen politischen Praxis sein? Der Sozialismus kommt nicht dadurch, dass wir oft genug seinen Namen rufen. Vielmehr muss unser Wille zur Überwindung der allgemeinen Zumutungen aus unserer Praxis selbst hervorgehen. Das heißt, dass unsere Aktionen und Texte eine nachvollziehbare Negation des Bestehenden anstreben. Nicht so oberflächlich wie der Punkrock die Gesellschaft negiert oder so esoterisch wie so genannte individualistische Strömungen Teilbereiche der Gesellschaft negieren. Nein, wir wollen durch bewusste und politisch kommunizierbare Grenzüberschreitungen gesellschaftliche Zumutungen in Frage stellen und in der Negation Lösungen aufzeigen. Hierbei kommen wir jedoch häufig in bestimmte „linke“ Sackgassen.
Ein Beispiel: Unter den Vorzeichen des Klimawandels, bringt uns die Forderung zur Rettung eines Autokonzerns (im Sinne der abhängig Beschäftigten) in eine zwiespältige Lage: Zum einen besteht die Umweltproblematik, zum anderen das Profitinteresse der Konzerneigner, welches nun mit Steuergeldern abgesichert werden soll. Uns jedoch geht es um die Lohnarbeiter_innen. „Vergesellschaftung!“, heißt es dann häufig von linker Seite, eine gute Forderung – die jedoch den meisten Menschen, selbst wenn sie sie teilen, abwegig erscheint.
Eine politische Praxis, die durch nachvollziehbare Grenzüberschreitungen, gesellschaftliche Zumutungen aufdeckt und überwindet, wäre im Fall eines von der Pleite bedrohten Unternehmens zB. die Besetzung oder Übernahme des Betriebes durch die Arbeiter_innen selbst. Eine Aneignung der Werte also, die ohnehin durch die Lohnarbeiter_innen geschaffen wurden. Diese würden nun Kreditgeber suchen um die Produktion wieder in Gang zu setzten, evtl. unterstützt sogar der Staat die Umstellung auf klimaverträgliche Technologien – aber an diesem Punkt sind wir längst wieder in normalen kapitalistischen Abläufen angekommen. Was bleibt, wäre die Erfahrung der Selbstermächtigung. Dies ist nicht zu unterschätzen, denn nicht nur die beteiligten Lohnarbeiter_innen, sondern auch viele die das verfolgt haben, könnten dann eine andere Vorstellung von „Politik machen“ haben, die viel schwerer wiegt als unzählige linke Flugblätter und Reden. Eine Aneigungspraxis, die bestehende Herrschafts- und Eigentumsverhältnisse in Frage stellt, muss von den Menschen jedoch erst erlernt werden oder – besser – für möglich und „gerecht“ gehalten werden.
Selbstermächtigung kennt viele Formen, im Kern muss es darum gehen, das eigene Leben und die gesellschaftliche Situation selbst zu gestalten, bzw. diesem Ideal möglichst nahe zu kommen. Als Jugendverband können wir dies meist nur in der Aneignung öffentlicher Räume erproben. Auch die kurzzeitige Besetzung von Plätzen und Räumen sowie die Aneignung von Möglichkeiten (zB. kollektives Schwarzfahren) kann Sinn machen, solange keine überzogenen Hoffnungen verbreitet werden, die dann zu großen Enttäuschungen führen. Es geht hierbei um die Erprobungen einer sozialistischen Praxis unter denkbar schlechten Bedingungen. Aber genauso, wie der Bildungssteik, an dessen Erfolg wir Anteil hatten, einen großen Sieg darin findet, Zehntausenden das Mittel der Demonstration und des Streikes näher gebracht zu haben, die sonst mit Politik kaum in Berührung kommen, so sind gut dosierte und durchdachte Aktionen zivilen Ungehorsams und eine gut erklärte radikale Kritik immer auch ein Beitrag zur Normalisierung einer sozialistischen Ideenwelt und Praxis, die diesen Namen wirklich verdient. Dies zu entwickeln, zu verbreiten und in jeder Hinsicht nach unseren Möglichkeiten zu steigern, ist der Kern für unser Verständnis von sozialistischer Politik heute.
Den Verband stärken
Unser Verband war in den vergangenen Monaten politisch erfolgreich. Wir waren der einzige parteinahe Jugendverband, der in den ersten beiden Bildungsstreikwellen bundesweit verankert war und wir haben unsere Positionen bislang auch erfolgreich in die Streikbündnisse einbringen können. Der Mitgliederzuwachs war stark, befördert auch durch die Weltrettenkampagne und durch “Aufmucken-gegen
Beschluss des IV. Bundeskongresses am 13.-15. Mai 2011 in Hannover
Auf dem Weg zur Armee im Einsatz
Ob weltweit oder hierzulande auf dem Arbeitsamt oder in den Schulen: Die Bundeswehr befindet sich in der Offensive. Die Bundeswehr hat sich über Jahrzehnte hinweg stetig von einer formalen Verteidigungsarmee hin zu einer Angriffsarmee gewandelt. Die Bundeswehr ist heute wieder Militärmacht und steht als nun vollwertiges Mitglied an der Seite seiner Bündnispartner innerhalb der NATO. Gemeinsam mit den Mitgliedern des Militärbündnisses geht es um die Sicherung und Erschließung von Rohstoffzugängen, Handelswegen, geostrategischen Einflusssphären und die Verteidigung hegemonialer Ansprüche. Die Transformation der Bundeswehr zu einer Freiwilligen- und Berufsarmee und die Unterordnung der zivilen Politik unter das Primat einer umfassend integrierten Sicherheitspolitik ist Abschluss einer langen Entwicklung seit 1949. Die Bundeswehr ist heute, trotz Grundgesetz, wieder voll einsatzfähig und überall mit dabei wo es hässlich wird. Die Militarisierung der Schulen und Hochschulen ist ein zentraler Bestandteil dieses Prozesses.
So ist die Bundeswehr vor der Haustür in doppelter Mission unterwegs. Einerseits wird fleißig um Nachwuchs für die Truppen geworben, andererseits wird an der Zustimmung zum Kurs der Regierung in Sachen Afghanistan und ähnlichen Militäreinsätzen gefeilt. Denn die Bundeswehr steht vor großen Herausforderungen. Nicht nur, dass ein Großteil der Bevölkerung den Einsatz in Afghanistan ablehnt. Der Versuch, durch gezielte millionenschwere Öffentlichkeitsarbeit die Stimmung zu kippen, blieb bisher ebenso erfolglos. Auch fehlt der Bundeswehr der Nachwuchs, wofür neben dem oft angeführten so genannten „demografischen Wandel“ unter anderem die mangelnde Attraktivität des Berufsbildes Soldat_in verantwortlich gemacht werden kann. Aufgrund der überalterten Personalstruktur der Bundeswehr werden zudem immer mehr Fachkräfte benötigt. Nun kommt zum 01. Juli 2011 auch noch die Aussetzung der Wehrpflicht dazu. Schon ohne die Aussetzung der Wehrpflicht bräuchte die Bundeswehr jährlich 20.000 neue Rekrut_innen. Um diese Zielmarke zukünftig erreichen zu können, schafft die Bundeswehr spezielle Anreize und wirbt noch aggressiver an Arbeitsämtern, bei Ausbildungsmessen und an Schulen und Hochschulen.
Armee der Armen? – Rekrutierung junger Arbeitsloser
Dass sich die Bundeswehr die hohe Jugendarbeitslosigkeit, die durch die schlechte Wirtschaftslage noch verschärft wird, zu Nutze macht und junge Arbeitslose mit wenig bis gar keinen Berufsperspektiven rekrutiert, ist kein neues Phänomen, aber eines, welches immer größere Ausmaße annimmt. Seit den unter 25-Jährigen Hartz-IV-Empfänger_innen besondere Sanktionen drohen, wenn sie Jobangebote ablehnen, ist die Situation besonders brisant. Denn dadurch stellt sich die Bundeswehr den Arbeitsämtern als attraktiver Arbeitgeber dar. Dort besitzt die Bundeswehr mittlerweile in einer wachsenden Zahl sogar eigene Büros. Kooperationsverträge mit Arbeitsämtern sind längst keine Seltenheit mehr. So wird die Bundeswehr zunehmend zu einer „Armee der Armen“, die diejenigen jungen Menschen anheuert, die kaum Aussicht auf einen Job oder eine Ausbildung mehr haben. Anstelle der aufdringlichen Präsenz der Bundeswehr müssen zivile Berufsangebote geschaffen werden. Hartz IV grundsätzlich und im Besonderen die Hartz-IV-Sanktionen gehören abgeschafft, damit über sie kein Druck ausgeübt werden kann, Jobs bei der Bundeswehr anzunehmen. Es darf keinen Missbrauch der Ängste junger Menschen für die Rekrutierung zur Bundeswehr geben. Kooperationsvereinbarungen müssen seitens der Arbeitsämter gekündigt und durch die Politik verboten werden.
Früh übt sich: Bundeswehr wirbt an Schulen
Auf eine zweifelhafte Tradition können die so genannten Jugendoffiziere zurückschauen, die durch die Schulen der Bundesrepublik touren, um über die Arbeit der Bundeswehr zu informieren. 1958 wurde dieser Beruf ins Leben gerufen, um den Widerstand in der Bevölkerung gegen die erneute Militarisierung der Gesellschaft nach dem Zweiten Weltkrieg zu bekämpfen. Offiziell dürfen sie nicht für die Karriere bei der Bundeswehr werben. Allerdings tun die Jugendoffiziere es indirekt doch, wenn sie beispielsweise über das kostenlose Hochschulstudium informieren – eine viel versprechende Jobperspektive inklusive. In Zeiten von Studiengebühren und einer unsicheren Berufsperspektive ist das ein nicht zu vernachlässigender Anreiz für den Einstieg bei der Bundeswehr. Wer sich bei einer entsprechenden Bundeswehruni einschreibt, verpflichtet sich jedoch gleichzeitig zu Auslandseinsätzen. Doch die Besuche der Jugendoffiziere sind nur der eine Teil der Einflussnahme auf den Unterricht. Immer wichtiger werden aus Sicht der Bundeswehr die Weiterbildungen von Referendar_innen. Während Eltern und Schüler_innen gegen offensichtlich einseitige Propaganda von Jugendoffizieren noch protestieren können, entzieht sich die Ausbildung der jungen Lehrkräfte, die vermeintlich ausgewogen agieren, ihrer Kenntnis.
Gerade das POL&IS-Simulationsspiel (Politik & Internationale Sicherheit), welches an Schulen wie Hochschulen immer wieder als hervorragende Ergänzung zum Unterricht betrachtet wird, ist ein Beispiel für die klar einseitige Vermittlung von Informationen über weltpolitische Zusammenhänge im Bereich der Ökonomie. Es macht die Teilnehmer_innen mit der vermeintlichen Alternativlosigkeit von Krieg vertraut, da das Spiel politische Umwälzungen nicht zulässt, während NATO-Verträge geachtet werden müssen.
Die Linksjugend [’solid] spricht sich gegen jegliche Präsenz der Bundeswehr an Schulen aus und ruft Schüler_innen, Lehrkräfte sowie Eltern auf, Druck auf die Schulleitung auszuüben, keine Bundeswehr einzuladen oder Protest zu organisieren, wenn sich der Besuch nicht mehr abwenden lässt. Die Linksjugend [’solid] lehnt es diesbezüglich ab, den Jugendoffizieren lediglich andere Dikussionsteilnehmer_innen z.B. aus der Friedensbewegung gegenüber zu stellen. So ist die Friedensbewegung nicht mit den gleichen finanziellen und personellen Ressourcen ausgestattet wie die Bundeswehr. Während Jugendoffiziere für ihre Arbeit in den Schulen hohe Gehälter kassieren, arbeiten Aktivist_innen in der Friedensbewegung oft ehrenamtlich und genießen keine professionelle rhetorische Ausbildung.
Letztlich muss zuallererst die Zusammenarbeit zwischen den Kultusministerien und der Bundeswehr gestoppt und rückgängig gemacht werden. Entsprechende Kooperationsvereinbarungen, die die Grundlage für diese Zusammenarbeit darstellen und die es mittlerweile in acht Bundesländern gibt, müssen aufgehoben und für die Zukunft verboten werden. Mit Schüler_innen, Lehrkräften und Eltern wollen wir zusammen mit Bündnispartner_innen wie den Gewerkschaften und aus der Friedensbewegung über die Rechte in der Auseinandersetzung mit der Bundeswehr an Schulen aufklären.
Auch an Hochschulen macht die Bundeswehr klassische Informationsveranstaltungen, um von der Notwendigkeit von Kriegseinsätzen zu überzeugen. Darüber hinaus werden kriegsrelevante Forschungs- und Lehrprojekte durchgeführt und immer öfter werden Lehrstühle von Rüstungsunternehmen gesponsort, deren Arbeit unter anderem darin besteht, neue Kriegsstrategien und -technik zu entwickeln. Allein das Bundesverteidigungsministerium hat 2009 Drittmittel in Höhe von 7,6 Milliarden Euro an deutsche Hochschulen vergeben. Wir setzen uns zusammen mit dem Studierendenverband Linke.SDS dafür ein, dass an den Hochschulen keine militärrelevanten Projekte mehr durchgeführt, geschweige denn gefördert werden. Stattdessen wollen wir darauf hinwirken, dass die Bundesländer eine Zivilklausel in ihre Hochschulgesetze bzw. die Hochschulen eine Zivilklausel in ihre Leitbilder aufnehmen, die solche Engagements verhindern.
Kindersoldaten bei der Bundeswehr
In der Bundeswehr verpflichten sich 16-Jährige und werden als Soldat_innen ausgebildet. Doch noch schlimmer ist es, dass die Bundeswehr im Ausland im Zuge der sogenannten „humanitären“ Missionen Kinder im Alter von teilweise erst 14 Jahren an der Waffe ausbildet. Dies ist eine unhaltbare Situation. Es sollte selbstverständlich sein, dass auch die BRD sich an die Beschlüsse gegen den Einsatz und die Ausbildung von Kindersoldaten hält. Die „Straight 18“-Regelung muss umgesetzt werden, was bedeutet, dass die Bundeswehr nicht an Schulen, also bei Minderjährigen werben darf. Die Ausbeutung der Menschen zum Krieg, die viel zu oft gerade Kinder trifft, muss hier für Deutschland als ein erster Schritt zumindest eingegrenzt werden. Die Medien und die Öffentlichkeit prangern für ihre Kriegspropaganda allzu oft den Einsatz von Kindersoldaten in Afrika an. Ihre Doppelmoral zeigt sich, wenn Deutschland nicht nur Kindersoldaten ausbildet, sondern auch in der Bundeswehr selbst unter 18-Jährige, also dem Gesetz nach Kinder, den Dienst an der Waffe schieben lässt. Wir wollen die volle Umsetzung der Kinderrechtskonvention sowie die Einhaltung der „Straight 18“-Regelung.
Um den Ruf bemüht: Öffentlichkeitsarbeit der Bundeswehr
Jährlich fließen Millionen von Euro in die Öffentlichkeitsarbeit der Bundeswehr. Öffentliche Gelöbnisse, Besuche bei Messen und in so genannte Jugendsportevents, bei denen Jugendliche ganz unvermittelt mit Soldat_innen ins Gespräch kommen sollen. Dass es dabei weniger um Sport als vielmehr um Rekrutierung geht, wird schon beim Blick auf die Teilnahmebedingungen deutlich. Denn nur Jugendliche mit deutscher Staatsbürgerschaft – und somit potenzielle Rekrut_innen – dürfen sich für die Sportwettbewerbe anmelden. Gewinnen kann man Reisen mit der Luftwaffe oder zu Bundeswehrstellen im Ausland. Für die „Bw Adventure Games“, die militärischen Drill als Abenteuerspiel verkaufen, wird die Teilnahme zum Teil sogar über die Jugendzeitschrift BRAVO verlost.
Eine andere öffentliche Inszenierung der Bundeswehr sind die Gelöbniszeremonien, bei der militärische Rituale offen banalisiert werden. Kalkül dabei ist die Verankerung des Militärischen in der Gesellschaft. Gelöbnisse dieser Art wurden in der Weimarer Republik hinter Mauern abgehalten und finden erst seit dem Nationalsozialismus wieder in einer ausgewählten Öffentlichkeit statt. In der Regel werden die Gelöbnisse durch ein großes Aufgebot an Polizei von Protesten abgeschirmt. Diese Proteste unterstützt die Linksjugend [’solid] ebenso wie Protest gegen Messestände und andere Events der Bundeswehr. Zahlreiche Beispiele zeigen, dass dieser Widerstand und ein Nicht-Hinnehmen des Werbens als vermeintliche Normalität Erfolge hervorbringen kann. Wir rufen dazu auf, öffentliche Auftritte der Bundeswehr zu stören und in diesen Zusammenhängen auf das Wirken an deutschen Schulen und in Kriegen weltweit hinzuweisen.
Die Linksjugend [‘solid] fordert:
Die Linksjugend [‘solid] wird bundesweit koordiniert Anstrengungen unternehmen, verschiedene Formen des Protests und Widerstands gegen die Präsenz der Bundeswehr an Schulen, Hochschulen, auf Arbeitsämtern und bei Ausbildungsmessen zu initiieren und zu unterstützen. Sie organisiert Informationsveranstaltungen, erstellt umfangreiche Materialien und beteiligt sich an entsprechenden Bündnissen. Als Jugendverband werden wir uns außerdem an den Protesten gegen den NATO-Gipfel im Dezember 2011 in Bonn beteiligen und entsprechende Aktivitäten mitvorbereiten
Beschluss des VI. Bundeskongresses am 26.-28. April 2013 in Magdeburg
Die folgenden Positionen bieten eine Diskussionsgrundlage für eine zeitnahe Positionsfindung der LJS zum Thema Energieeffizienz. Die Thematik sollte z.B. auf einem Sommercamp oder einer Winterakademie in geeigneter Form behandelt werden.
1) Förderung kostenloser Energieberatungen
Förderung kostenloser Energieberatungen für Privathaushalte, Kommunen und Unternehmen durch den Bund. Gleichzeitig Förderung von Ausbildungen zu Energieberaterinnen und Energieberatern für Privathaushalte insbesondere bei Langzeitarbeitslosen und Menschen mit geringen Einkommen.
2) Ausschließlich Förderungen von Altbausanierungen
Ausschließlich Förderungen von Altbausanierungen statt Neubauten (Gelder hieraus sollen zur Altbausanierung fließen). Gerade für Haushalte mit geringem Einkommen sollte ein erhöhter Satz angesetzt werden, da das Energieeinsparpotential gemäß verschiedener Studien je eingesetztem € bei der Altbausanierung rund 10 Mal höher ist.
3) Es ist zu diskutieren, ob eine »Least-Cost Best-Fit«-Regelung einzuführen ist
In den US-Bundesstaaten Kalifornien und Massachusetts hat die »Least-Cost Best-Fit«- Regelung zu deutlichen Energieeffizienzsteigerungen geführt. Diese Regelung besagt, dass ein Stromhersteller, der nicht mehr genug Lieferkapazitäten hat, die Methode/Technologie zum Ausbau der Stromkapazitäten nutzen muss, die am kostengünstigsten ist. Da es in vielen Fällen billiger ist, die Energieeffizienz bestehender Kraftwerke zu verbessern, als neue zu bauen, führt dies zu dem vorteilhaften Effekt, dass eher in Energieeffizienz investiert wird als in neue Anlagen. Zusätzlich durften die Stromversorger nur dann den Strompreis erhöhen, wenn sie ihre Effizienzziele erreicht hatten.
4) Es ist zu diskutieren, ob eine Kontrolle bestehender Gesetze einzuführen ist
Kontrolle und Einhaltung bestehender Gesetze und Vorschriften. Das wohl effektivste Mittel bei der Sanierung CO2 einzusparen, ist die Kontrolle bestehender Gesetze. Welcher Anteil der bestehenden Vorschriften eingehalten wird, war nach unseren Recherchen nicht ermittelbar. Dass hier aber noch riesige Potenziale schlummern, ist nicht von der Hand zu weisen. Bei Neubauten, aber noch viel mehr bei Sanierungen ist es möglich, die Vorschriften unvollständig auszuführen (etwa geringere Wärmedämmdicken als vorgeschrieben) oder sogar ganz zu ignorieren. Laut EnEV (Energieeinsparverordnung) haben die Bezirksschornsteinfegerinnen und Bezirksschornsteinfeger nur die Einhaltung von Vorschriften bei Heizanlagen und Leitungsdämmung zu prüfen. Ursprünglich sollte von ihnen auch die Nachrüstung der obersten Geschossdecken geprüft werden. Das wurde aber bei der EnEV 2009 gestrichen. Die Übertragung von weiteren Aufgaben ist nur durch Bundesrecht möglich. Einer Ende 2010 abgeschlossenen bundesweiten Befragung des IWU zufolge lassen sich zum Vollzugsdefizit folgende Angaben entnehmen:
In den Jahren 2005 bis 2009 lag bei Altbauten die Modernisierungsrate von Außenwänden mit Wärmedämmung bei 0,89 Prozent pro Jahr. Auf der andren Seite wurden bei 0,36 Prozent der pro Jahr modernisierten Außenwände die Wärmedämmung nicht mit einbezogen. Eine Wärmedämmung wäre jedoch Verpflichtung gewesen, daher ergibt sich daraus umgerechnet bereits ein Vollzugsdefizit von 29 Prozent. Dieser Wert könnte durchaus nur als untere Grenze angesehen werden, da vielen befragten Eigentümerinnen und Eigentümern bekannt gewesen sein dürfte, dass sie nach den Vorschriften der Energieeinsparverordnung zu einer energiesparenden Maßnahme verpflichtet gewesen wären, und daher Modernisierungen gegebenenfalls gar nicht angegeben haben.
Die Bundesregierung plant, die Sanierungsrate von gegenwärtig weniger als einem Prozent pro Jahr auf zwei Prozent pro Jahr zu erhöhen. Umgerechnet verursacht das Vollzugsdefizit einen zusätzlichen CO2-Ausstoß in Deutschland von etwa einer Million Tonnen pro Jahr. Im Vergleich dazu ergibt sich durch ein angenommenes Vollzugsdefizit von zehn Prozent bei Neubauten ein CO2-Ausstoß von 0,03 Millionen Tonnen pro Jahr.
Das Vollzugsdefizit bei der Altbausanierung hätte damit ein mindestens etwa 30-mal größeres Ausmaß als dasjenige beim Neubau. Nach diesem Vergleich ist es schwer zu verstehen, warum in den meisten Bundesländern bei Neubauten eine Vollzugsüberprüfung mit nennenswertem Aufwand stattfindet, bei der Altbausanierung aber nicht. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) kam nach einer Umfrage in den Bundesländern zum Ergebnis, dass Desinteresse und Personalmangel die Kontrolle des Vollzugs verhindern. Aus volkswirtschaftlicher Sicht bringen Verbesserungen in den beschriebenen Punkten aber schnell mehr Einnahmen als Ausgaben, da mit hohen Nicht-Einhaltungsraten zu rechnen ist. Auch die Bevölkerung müsste auf ein besseres Kontrollsystem drängen, denn eine bessere Kontrolle bedeutet ja auch mehr Sicherheit für den Bauherrn, dass er das erhält, was er bezahlt hat – natürlich vorausgesetzt, er war nicht selbst der Schuldige an der mangelnden Einhaltung der Vorschriften.
Wie kann Abhilfe geschaffen werden? Eine Verbesserung auf diesem Sektor setzt voraus, dass die Einhaltung aller Verpflichtungen zumindest stichprobenartig und zumindest im Sanierungsbereich überprüft wird. Der private Nachweis bei Änderung oder Austausch durch eine »Unternehmererklärung« kann mit einer einzigen Standardzeile in der Rechnung geleistet werden. Da für die bessere Kontrolle Personal eingestellt werden müsste – das sich wie oben erwähnt schnell selbst bezahlt machen könnte –, würden als weiterer positiver Nebeneffekt Arbeitsplätze geschaffen.
5) Einführung des Top-Runner-Programms
Das Top-Runner-Programm ist ein politisches Instrument zur Steigerung der Energieeffizienz. Es sieht vor, dass zu einem bestimmten Stichtag eine Marktübersicht über ein bestimmtes Produkt erstellt wird. Der Energieverbrauch der effizientesten unter den gesichteten Produkten wird dann zum Standard für die Branche erhoben. Dieser Standard muss in fünf oder sieben Jahren von allen anderen Produkten erreicht werden. Kann ein Hersteller nach Ablauf der Frist die neuen Effizienzstandards nicht erfüllen, so drohen ihm, je nach nationaler Ausgestaltung des Gesetzes, Strafzahlungen oder sogar ein Verkaufsverbot. Japan ist das bekannteste Land mit einer Top-Runner-Regelung; es führte sie bereits Ende der 1990er Jahre ein. Allein dadurch konnte Japan bereits 16 Prozent seiner Verpflichtungen zur Reduktion von Treibhausgasen nach dem Kyoto- Protokoll erfüllen. Von einer Top-Runner-Regelung profitieren neben dem Klima vor allem die Verbraucherinnen und Verbraucher, die geringere Stromkosten zu zahlen haben.
6) CO2-Etiketten einführen
In England und Holland gibt es diese Etiketten schon für viele Lebensmittel. Sie zeigen, wie viel CO2 bei Herstellung, Transport und Vermarktung eines Produkts entstanden ist – bezogen auf bestimme Einheiten Ware. Diese Auszeichnung von Ware mit dem sogenannten Product Carbon Footprint ist nun in mehreren europäischen Ländern für alle Arten von Produkten in Diskussion.
7) Höherer Einspeisetarife bei erneuerbaren Energieanlagen von Bürgergenossenschaften
20% Höherer Einspeisetarife bei erneuerbaren Energieanlagen für Bürgergenossenschaftsparks mit max. Investitionsvolumen von 5000 € / Bürger und möglichem Einsteigeinvestitionsvolumen ab 100€. Mit solch einem Konzept würden Bürgerparks ganz klar forciert und auch Menschen mit geringem Einkommen könnten sich an solch einem Park beteiligen. Bei den meisten Genossenschaften geht beginnt hierbei das Einstiegsvolumen erst ab 500 € oder gar 1000 €.
8) Fonds für Bürgergenossenschaften zum Netzausbau
Aufbau eines deutschlandweiten Fonds der vom Bund und allen Bundesländern abgestimmt wird (mit je einer Stimme), der Bürgergenossenschaften fördert, die in den Netzausbau investieren.