Kein Preis für Antisemitismus

Beschluss des XI. Bundeskongresses am 13.-15. April 2018 in Erfurt

An dem 13.04.2018 bekamen die Rapper Farid Bang und Kollegah den in wirklich jeder Hinsicht deutschen Musikpreis “Echo”. Die allgemeine Akzeptanz für sie ist ein Momentum der Akzeptanz von Antisemitismus in Deutschland und seiner Musiklandschaft.

Auf einer Bonus-CD zum Album findet sich eine von Farid Bang gerappte Zeile, die dem Echo eine Debatte um antisemitische Inhalte in Rap-Texten einhandelte – und die Frage, ob die beiden Künstler nominiert bleiben und live auftreten dürfen: „Mein Körper definierter als von Auschwitz-Insassen“, rappt Farid Bang in „0815“. An anderer Stelle auf dem Album rühmt er sich: „(Ich) mache wieder mal ’nen Holocaust, komm an mit dem Molotow“. Doch sind Kollegah oder auch rechte Topacts wie Freiwild oder Xavier Naidoo auch Folge einer Nachfrage nach rechten antisemitischen und schon absurd frauenfeindlichen Inhalten. Eine kritische Auseinandersetzung der Fans findet zumindest nicht merkbar statt, immer neue Grenzüberschreitungen wie die jetzige werden gehyped und sich durch Ausreden wie das Kunstargument in zynischer Selbstgefälligkeit gebadet. Als wäre das Mittel der Übertreibung ein Freifahrtschein für widerwärtigste antisemitische Agitation.

Ausgezeichnet wird beim Echo ohnehin nicht das, was künstlerisch in irgend einer Art und Weise wertvoll ist, sondern das, was sich am häufigsten verkauft. Genau in diesem Bekenntnis zum Mainstream aber verbirgt sich eine Chance für antisemitische Agitation. Wie so oft stehlen sich die Akteur*innen aus der Verantwortung, wenn diese sich daraufhin als unpolitisch positionieren, obwohl gerade das Tolerieren von antisemitischen Inhalten politischer nicht sein kann. In der Debatte erschütterte uns insbesondere wie viel über die beiden Männer gesprochen wurde und wie gering im Umkehrschluss der Aufschrei über die Menschen war, welche die kulturindustriellen Machwerke dieser Herren konsumieren, pushen, legitimieren und unterstützten. Die bestehende Verhältnisse wurden nicht kritisiert und damit hinterfragt, anstelle dessen wurde das artikulierte Massenbewusstsein, welches in der Form der Musikindustrie einen antiamerikanischen, antizionistischen und frauenfeindlichen Konsens darstellt nicht von dem Echo kritisiert. Die Platte 0815 erschien im Winter und verkaufte sich binnen kürzester Zeit über 200.000-mal, dazu kommen Streams im zweistelligen Millionenbereich – nach Echo-Logik eine Nominierung wert. Nur hatte sich wohl niemand im Auswahlgremium beim Bundesverband Musikindustrie (BVMI) die Mühe gemacht, das Album ganz anzuhören – wie im Übrigen auch der Großteil der Musikpresse nicht.

Die Linksjugend [’solid] wird zu der Aufarbeitung auf dem Sommercamp, sowie auf der Winterakademie die Musikindustrie aus einem antifaschistischen Blickwinkel zu betrachten. Dazu werden Worksops zu z.B. Sexismus, Nationalismus, Antisemitismus erarbeitet und angeboten. Es wird zusätzlich angedacht Artikel zu diversen Tracks mit politischen Inhalten mit einer Einleitung und Einschätzung zu versehen und diese zur Publikation freizugeben, damit die Inhalte auch jenseits unserer Kreise verbreitet werden. Ein Gastbeitrag in dem nd wäre wünschenswert, sowie Interviews zu arrangieren







Gegen jeden Islamismus

Beschluss des XI. Bundeskongresses am 13.-15. April 2018 in Erfurt

„Der Islam gehört nicht zu Deutschland“ – Diese hohle Phrase konnte man im vergangen Monat in großen Lettern in den Zeitungen des ganzen Bundesgebietes lesen. So unwahr und dämlich dieser Spruch des neuen Heimatministers Horst Seehofer auch ist, er steht symptomatisch für eine verkorkste Debatte über Islamismus die vom Großteil der Diskussionsteilnehmer_innen am Thema vorbei geführt wird. Als größter linksradikaler Jugendverband dieser Republik ist uns nicht daran gelegen bestimmen zu wollen, was zu Deutschland gehören mag und was nicht. Wir wollen uns in die Debatte um den politischen Islam einmischen und uns jeder Hetze – der rechten Fremdenfeindlichkeit, dem genuinen Rassismusvorwurf an Islamismuskritiker:innen, und dem Hass der Islamisten auf Ungläubige oder Minderheiten – entgegenstellen. Da ein Antifaschismus auf Höhe der Zeit die individuelle Freiheit jedes Menschen gegen alle verteidigen muss, die sie einzuschränken versuchen, ist uns an einer materialistischen Kritik an den Phänomenen des politischen Islams gelegen. Geboten ist sie allemal: Während im Iran Homosexuelle an deutschen Baukränen aufgehangen werden und die Hamas in Israel Raketen auf Zivilgebiete abfeuert, marschiert der deutsche Handels- und NATO-Partner Türkei in Nordsyrien gemeinsam mit lokalen Djihadisten ein, welche insbesondere die kurdische und jesidische  Bevölkerung in enormem Umfang bedrohen. In Ländern wie Indonesien, wo bisher gemäßigte Formen des Islams vorherrschten, sind radikale Kräfte massiv auf dem Vormarsch, und auch in Europa arbeiten islamistische Bewegungen zielgerichtet – sei es durch Akte des Terrors oder aber ganz legalistisch über die Lobbyarbeit in den Islamverbänden.

Was ist Islamismus?
Unter Islamismus definieren wir einen Oberbegriff unter dem sich mehrere politische Ideologien sammeln lassen, deren gemeinsamer Nenner in der Forderung nach einer radikalen Neuausrichtung der Gesellschaft anhand der heiligen Texte des Islams zu finden ist. Er entstand als Reflex auf die Moderne und die sie begleitenden Umwälzungen und ist als eine „aktivistische, reaktionär-regressive Widerspruchsverarbeitung angesichts einer objektiv-realen (ökonomischen, sozialen, politischen) und geistig kulturellen Krisensituation“ zu charakterisieren. Das ideologische Fundament entstand bereits im 18. und 19. Jahrhundert als sich abzeichnete, dass die muslimische Welt technologisch, wissenschaftlich und militärisch von Europa abgehängt wurde. Der Grundgedanke dieses Frühislamismus: Die historische Schwäche der islamischen Welt liege in der unislamischen Lebensweise der Menschen. Um zurück zu alter Stärke zu finden, müssten die Muslime wieder gottgefälliger Leben. Durch die Rückbesinnung auf die Ursprünge soll der wesentliche Kern der Religion freigelegt werden. Zum Instrumentarium von Islamisten zählt seitdem zwar die Thematisierung der destruktiven Symptome von Moderne und Kapitalismus jedoch nicht die Analyse der endogenen Ursachen für alle Krisen in der islamischen Welt. Folglich gehören heute regressive Ursachenbenennungen und die Konstruktion von Feindbildern zum festen Bestandteil jeder islamistischen Ideologie. Nach „innen“ äußert sich dieses Feindbild im Hass auf Zweifler und Apostaten, sowie all jene die durch einen angeblich sündhaften – „westlichen“ – Lebensstil auf eine Zerstörung der islamischen Ordnung hinarbeiten, also auch Homosexuelle, Transgender und Frauen, die das traditionelle Rollenbild in Frage stellen. Nach „außen“ mündet diese regressive Ursachensuche in einem antisemitischen Welterklärungsversuch, der sich zu einem verschwörungsideologischen Gebäude ausformt, demgemäß der „Westen“ und Israel die Verantwortlichen dieser inneren Krise seien. Ideologischer Orientierungspunkt ist seit jeher der frühe Islam der ersten drei Generationen nach Mohammed, also der Islam in der Phase seiner Expansion. Heute zeigt sich der Islamismus nicht nur in seiner gewalttätigen Ausprägung (dem Djihadismus). Auch legalistische Gruppen trachten danach, einen islamischen Staat zu errichten.

Teil des Problems: Zum Wirken von legalistischen Islamisten in deutschen Islamverbänden
Auch wenn Seehofer den Islam nicht als Teil von Deutschland sehen möchte, so sollen laut ihm die Islamverbände doch weiterhin an wichtigen Entscheidungen teilhaben dürfen. Wir müssen dabei konstatieren, dass es sich dabei leider nicht um die liberalen und gemäßigten Kräfte handelt mit denen da geredet werden soll. Teil der deutschen Islamkonferenz sind mit dem Zentralrat der Muslime (ZMD), der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (DITIB) und dem Islamrat (IR) genau die Verbände, die den Muslim:innen eine zutiefst konservative Auslegung des Islams predigen und in deren Reihen Islamisten geduldet werden. Innerhalb des ZMD, welcher – anders als der Name suggeriert – nicht „die Mehrheit der Muslim:innen“ in Deutschland sondern nur etwa 0,5% von ihnen vertritt, wirkt mit der Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine (ATIB) beispielsweise eine Organisation mit, die nach der Einschätzung von Ismail Küpeli in Verbindung zu den faschistischen Grauen Wölfen steht. Prägend für deren Ideologie ist der Hass auf Alevit:innen und Christ:innen. ATIB ist innerhalb des Zentralrates keineswegs isoliert. Mit Mehmet Alparslan Çelebi, welcher ua. die Armenien-Resolution des Bundestages verurteilt, stellen sie einen der stellvertretenden Vorsitzenden des ZMD.
Weiterhin Teil des Zentralrats sind Organisationen wie beispielsweise die IGD, die in einer ideologischen und historischen Verbindung zu der stramm antisemitischen, antidemokratischen und antikommunistischen Muslimbruderschaft stehen. Laut der Islamwissenschaftlerin Dr. Valentina Colombo zählt zu diesen Vereinigungen auch das Islamische Zentrum Aachen, die geistliche Heimat von Aiman Mazyek, seines Zeichens Vorsitzender des ZMD. Ebenfalls im ZMD aktiv ist das Islamisches Zentrum Hamburg (IZH), wobei es sich um eine radikalislamische schiitische Institution handelt, welche direkt durch das iranische Regime kontrolliert wird und welches zu den Organisatoren des alljährlich stattfindenden antisemitischen Al-Quds-Marsches zählt. Die DITIB wiederum geriet im vergangenen Jahr durch einen Spionageskandal in die Schlagzeilen. Bei ihr handelt es sich um eine politische Organisation durch welche das türkische Regime versucht auf die Muslim_innen in Deutschland Einfluss zu nehmen. Kürzlich wurde bekannt, dass sie eine Jugendreise in die Türkei durchführte, bei der sie zu Besuch im Präsidentenpalais beim „obersten Heerführer“ waren. Im Zuge des türkischen Angriffs gegen Afrin, rief sie in ihren Moscheen dazu auf, für einen schnellen Sieg der türkischen Truppen und ihrer islamistischen Verbündeten zu beten.
Innerhalb des Islamrates für die Bundesrepublik Deutschland besitzt die Islamische Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG), der islamistische Tendenzen vorgeworfen werden, den größten Einfluss. Sie ist die mitgliederstärkste Teilorganisation und der ehemalige IGMG-Funktionär Ali Kızılkaya ist derzeit Vorsitzender des IR. 2010 leiteten Funktionäre der IGMG über einen Hilfsverein – die mittlerweile verbotene „Internationale Humanitäre Hilfsorganisation“ – Gelder in Höhe von 6,6 Millionen Euro an die antisemitische Terrororganisation Hamas weiter.

Unsere Positionen und Forderungen

  • Die Linksjugend spricht sich gegen den Versuch aus, jede Kritik am politischen Islam pauschal als Rassismus zu brandmarken.
  • Keine Zusammenarbeit mit Islamisten und den Angehörigen ihrer Tarnorganisationen!Vollständiger Ausschluss von Vereinen wie der DITIB von der staatlichen Förderung.
  • Wir unterstützen die liberalen muslimischen Kräfte wie z.B. das Muslimische Forum Deutschland oder die ibn-Rushd-Goethe-Moschee von Seyran Ateş.
  • Solidarität mit allen durch den Islamismus unterdrückten Menschen und Solidarität mit allen die so wie in Rojava und im Iran gegen ihn aufbegehren.
  • Wir fordern von der Bundesregierung eine Änderung ihrer Türkeipolitik und ein konsequentes Verbot von Waffenlieferungen an die Türkei und andere islamistische Regime.
  • Die Linksjugend spricht sich für ein vollständiges Verbot der islamistischen und antisemitischen Hisbollah in Deutschland und Europa aus und wirkt auf die Partei ein diese Position ebenfalls zu übernehmen.

Impfpflicht

Beschluss des XI. Bundeskongresses am 13.-15. April 2018 in Erfurt

Der nachfolgende Antrag gilt als Positionierung der Linksjugend und als Auftrag an alle Delegierten durch die Linksjugend diese Position in die Gremien der Partei die Linke zu tragen:

Wir fordern eine allgemeine Impfpflicht für die dringenden Impfempfehlungen des Robert Koch- Instituts für alle Kinder bis 14 Jahren, für die nicht gegenteilige medizinische Indikationen vorliegen, und die Einführung eines Ordnungswidrigkeitentatbestands, für alle Eltern, die vorsätzlich oder fahrlässig gegen diese Pflicht verstoßen.

Gegen Repression und den Polizeistaat!

Beschluss des XI. Bundeskongresses am 13.-15. April 2018 in Erfurt

Die Linksjugend [´solid] stellt sich gegen sämtliche angesprochenen Verschärfungen und Repressionsakte. Zudem ist uns wichtig, die Kämpfe von Streikenden, Asylsuchenden und Antifaschistinnen oder anderen progressiven Kräften wie Umweltaktivistinnen oder auch kurdische Gruppen zusammen zu denken und gemeinsam zu führen. Der Trend hin zum Polizeistaat gehört gestoppt! Antifaschistischer Protest, Umweltinitiativen und ziviler Ungehorsam werden in Zukunft noch wesentlich stärker überwacht, denunziert, verfolgt und eingekerkert werden. Dagegen gilt es zu protestieren!

Wir fordern weiterhin:

  • eine externe Kontrollstelle für Straftaten durch Polizist*innen in ihrer Dienstfunktion
  • die Kennzeichnungspflicht für Polizeikräfte
  • Rücknahme sämtlicher polizeistaatlicher Gesetzesänderungen
  • die De-Militarisierung in Ausrüstung und Auftreten
  • Schluss mit der Kriminalisierung linken Protests; weg mit der Extremismustheorie!
  • ein Ende von GETEX – Übungen
  • eine stärkere Auseinandersetzung mit rechtem Gedankengut bei Polizist*innen

    Die Aufrüstung von Polizeieinheiten bundesweit, die stetige Zunahme an Überwachung durch Kameras, Abhörmaßnahmen, durch Speicherung von Metadaten und/oder durch die Funkzellenabfrage… Der deutsche Staat arbeitet seit Jahren mit fadenscheinigen Argumenten an einer gigantischen Überwachungs- und Sicherheitsstruktur. Erhöhte Polizeipräsenz wird damit begründet, dass die Menschen sich wieder sicher fühlen sollen und dieses Bedürfnis herbeigeredet. Dass Kriminalität sich aber nicht durch Staatsgewalt, sondern besser durch Prävention und soziale Sicherheit bekämpfen lässt, wird ausgespart. Ein Großteil der Verschärfungen wird aber ohnehin nur bei Demonstrationen -oder genauer gesagt bei ihrer Störung, Verhinderung oder Kriminalisierung – eine Rolle spielen.

    G20
    Auf Initiative des Justizministers Heiko Maas (SPD) hat der Bundestag im Eiltempo die Verschärfung der §§ 113, 114 StGB beschlossen. Ob diese Eile etwas mit dem anstehenden G20-Protest in Hamburg zu tun hatte, für welchen sich die Hamburger Polizei bereits Monate im voraus mit der Anschaffung von Panzerfahrzeugen oder der Errichtung zusätzlicher Containergefängnisse vorbereitete, kann nur gemutmaßt werden. Übereifrige Politiker der Hamburger Regierung warnten Demonstrierende davor, die Konvois der teilnehmenden Politiker*innen zu blockieren. Sie sollten sich nicht in Lebensgefahr (sic!) begeben! Die CDU forderte gar, aus der kompletten Innenstadt eine Demo-Verbotszone zu machen. Aktivist*innen, die sich zum Ziel gesetzt hatten die Hofierung von Mördern und Tyrannen im Rahmen eines Schauspiels gegenseitiger Bauchpinselei der sog. „World leaders“ zu opponieren, wurden als gewaltbereiter, Chaos verursachender „Black Block“ denunziert. Die polizeiliche Willkür und Gewalt sorgte ironischerweise für die Abwesenheit des Rechtsstaats, gerade dort, wo er zum Schutz von Demonstrations- und Meinungsfreiheit gebraucht worden wäre. Im Anschluss an die Proteste in Hamburg verrannte sich die Öffentlichkeit in die abzusehende Linksextremismus-Debatte. Die Rote Flora sollte möglichst schnell geschlossen werden, antifaschistische Demonstrationen wurden durch SEK-Einheiten begleitet und nicht zuletzt wurde in einer krassen Zurschaustellung des Ineinandergreifens gesellschaftlicher und politischer Repression die Seite linksunten.indymedia.org zwangsweise geschlossen.

    Die „härtere Gangart“
    Die reaktionären Kräfte von Polizeigewerkschaften bis zum SPD – Minister spielen bekanntlich schon länger die Platte von der stetigen Zunahme von Angriffen auf Polizist*innen. Die angeführten Zahlen geben darüber allerdings keine Auskunft. Der Universitätsprofessor Henning Ernst Müller der Uni Regensburg merkt zudem an: „Die Polizeiliche Kriminalstatistik wird von der Polizei selbst geführt und nicht unabhängig geprüft. Die Opferzahlen und insbesondere deren Steigerung können daher nicht wie ein objektives Ergebnis einer sozialwissenschaftlichen Untersuchung behandelt werden, zumal hier z.B. die Gewerkschaften der Polizeibeamten seit Jahren in der Öffentlichkeit für eine Sonderbehandlung werben.“ Rafael Behr von der Akademie der Polizei Hamburg geht in seiner Analyse sogar noch weiter: Der Diskurs um Gewalt gegen Polizeibeamt*innen habe sich verselbstständigt. „Das heißt, er ist moralisch geworden. Es ist eine gefühlte Gewalt, die interpretiert wird […] und eben keine statistisch Nachweisbare.“ Ganz abgesehen davon also, ob eine Verschärfung überhaupt den gewollten Effekt hätte – für die Notwendigkeit gibt es keinerlei objektive Anhaltspunkte.
    Dennoch wurde Heiko Maas tätig. Neben der Erweiterung der Regelbeispiele im § 113 StGB  wurde im Rahmen der Reform auch der § 114 geändert. Dessen Inhalt wurde in den wiederbelebten § 115 StGB gepackt. Der § 114 bekam einen neuen Tatbestand verpasst, der den aus dem § 113 gestrichenen „tätlichen Angriff“ aufnimmt. Darunter versteht man die in feindseliger Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines anderen zielende Einwirkung ohne Rücksicht auf ihren Erfolg. „Tätlicher Angriff“ hört sich schlimm an, fällt meistens aber sowieso mit einer (bereits strafbaren) versuchten oder vollendeten Körperverletzung zusammen. Ist der tätliche Angriff von eigenständiger Bedeutung, ist diese unterhalb der versuchten Körperverletzung anzusiedeln, nämlich dann, wenn der Täter eine Verletzung nicht intendiert hat. Der tätliche Angriff, bei dem nicht einmal eine Körperverletzung beabsichtigt ist, gilt im Allgemeinen zu Recht als nicht strafwürdig. Die Erhöhung der Mindeststrafe von Geld- auf dreimonatige Freiheitsstrafe übersteigt allerdings sogar die Mindeststrafe für Körperverletzung (Geldstrafe). Im Endeffekt bedeutet das: Wer Polizisten, Rettungssanitäter, etc. ohne Verletzungsabsicht angeht, wird sogar härter bestraft, als wenn man eine Zivilperson mit Verletzungsabsicht angeht. Darin liegt ein enormer und drastischer Bruch mit grundlegenden Prinzipien des Rechtsstaats.
    Zu bedenken ist auch: Haftstrafen sind weitaus stärkere Druckmittel als Geldstrafen. Da Menschen, die Polizeigewalt anzeigen wollen, sehr oft mit einer Gegenanzeige wegen Widerstand rechnen müssen, wird der höhere Strafrahmen der Einschüchterung und Unterdrückung von Betroffenen weiter zuträglich sein. Groß sind die Chancen ohnehin nicht. Von den über 2000 Anzeigen wegen Gewalttaten, die im Jahr 2014 ermittelt wurden, führten lediglich 50 zu einem Verfahren. In nur ca. 3% der Fälle wird dann überhaupt erst die Anklage erhoben. Verurteilt werden die Täter so gut wie nie. Von den über 2000 Anzeigen wegen Gewalttaten, die im Jahr 2014 ermittelt wurden, hatten lediglich 50 ein Verfahren zur Folge. In nur ca. 3% der Fälle wird dann überhaupt erst die Anklage erhoben. Verurteilt werden die Täter so gut wie nie.
    Der Berliner Rechtswissenschaftler Tobias Singelnstein hält dafür folgende Tatsachen für verantwortlich. „Erstens finden sich nur sehr selten Polizisten, die gegen ihre eigenen Kollegen aus- sagen; eher werden die beschuldigten Beamten sogar noch gedeckt.(…) Zweitens erweist es sich in solchen Verfahren als besonders problematisch, dass strafprozessuale Ermittlungen in der Praxis durch die Polizei selbst vorgenommen werden. Diese kann damit zumindest faktisch selbst über Umfang und Intensität bei der Suche nach Beweisen bestimmen. Dass hierbei in Verfahren gegen Kollegen oftmals nicht der größte Eifer an den Tag gelegt wird, liegt angesichts des offensichtlichen Interessenkonflikts auf der Hand. Mitunter werden die Ermittlungen in diesen Verfahren nach Berichten aus der Praxis regelrecht boykottiert.“

    Militarisierung der Polizei
    Die deutsche Polizei rüstet auf, egal ob Fußfesseln, Bodycams, Videoüberwachung oder die Zusammenarbeit mit der Bundeswehr. Im Zuge der Terroranschläge (v.a von Paris und Brüssel) der letzten Jahren wird die Militarisierung der Polizei und die angeblich daraus resultierende Sicherheit damit begründet. Ist das Ziel wirklich die Sicherheit vor Terroranschlägen oder die Ausweitung des Polizeistaats?
    Beispielsweise gibt es seit 2017 das bundesweite GETEX-Programm (gemeinsame Terrorismusabwehr Exercise), an dem sich insgesamt 6 Bundesländer beteiligen. In diesem Programm führt die Polizei gemeinsam mit der Bundeswehr Anti-Terrorübungen durch, die dazu dienen sollen im Falle eines Terroranschlags gut vorbereitet zu sein. In Kenntnis des Art. 35 Abs. 2 GG, wird einem schnell klar, dass GETEX sehr problematisch ist. Demnach wäre eine Zusammenarbeit von Bundeswehr und Polizei, die über die bloße Amtshilfe (z.B. bei Flutkatastrophen) hinausgeht nur zur Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung erlaubt. Dies wäre bei einem Angriff auf den Bestand eines Landes oder des gesamten Bundes der Fall. Bei einzelnen Terroranschlägen ist dies nicht gegeben.
    Ein weiteres Beispiel für die Militarisierung der Polizei lieferte das SEK Sachsen Ende 2017. Das SEK Sachsen hatte sich nämlich zwei Radpanzer mit dem treffenden Namen „Survivor R“ „gegönnt“. In weiteren Teilen der Bundesrepublik wurden mehrfach solche Panzer bestellt, einizigartig für Sachsen war jedoch, dass sie mit einem aus dem Innenraum steuerbaren Gefechtsturm ausgestattet sind. Neben Scheinwerfer, Kameras und einer Abschussvorrichtung für Gas- und Nebelgranaten befindet sich dort auch ein Munitionskasten und ein Zuführgurt für ein noch nicht installiertes Waffensystem.  Es bleibt also nur eine Frage der Zeit bis der rechtliche Rahmen für solche Waffensysteme an Polizei-Panzern geschaffen wird. Die Sitzbezüge der Panzer erinnern sichtbar stark an NS-Ästhetik: Altdeutsche Schrift, Eichenlaubkranz und Adlerschwingen. Weiterhin gilt das SEK-Sachsen schon seit 2011 als Vorreiter der Militarisierung des Protest Policing, dh. der Bekämpfung von Demonstrationen und inneren Unruhen. Damals setzte Sachsen das SEK zur Räumung einer antifaschistischen Blockade (Proteste gegen den jährlichen Naziaufmarsch zur Bombardierung Dresdens) ein.
    Desweiteren ist Erscheinungsbild von Polizeieinheiten zu kritisieren. Das martialische Auftreten von BePo, BFE oder mittlerweile auch SEK – Einheiten auch auf völlig harmlosen Demonstrationen wirkt einschüchternd auf Passant*innen, aber auch auf Demonstrierende, die den Anblick von bis an die Zähne bewaffneten, maskierten Schlägertrupps noch nicht gewohnt sind. Die Zuspitzung der vorgeblich Sicherheitszwecken dienenden Politik, die Befugnisse der Polizei immer weiter auszuweiten und dabei gravierende Einschnitte in Sachen Datenschutz, Privatsphäre und Schutz vor polizeilicher Willkür achselzuckend in Kauf zu nehmen, erleben wir momentan in Bayern. Von der Öffentlichkeit bisher weitestgehend unbeachtet, wird dort von der CSU-geführten Landesregierung eine Neuauflage des sog. Polizeiaufgabengesetzes (PAG) auf den Weg gebracht. Der 101-seitige Gesetzesentwurf, welcher bereits diesen Sommer in Kraft treten soll, räumt den bayrischen Polizeibehörden derart uneingeschränkte Befugnisse ein, wie sie seit 1945 nicht mehr existierten. Bereits im Falle einer sog. „drohenden Gefahr“, einem juristisch äußert vagen und mangels einheitlicher Definition recht dehnbar auslegbaren Begriff, wäre es der Polizei also auch ohne jeglichen konkreten Tatverdacht möglich E-Mails und Briefe auf ihrem Weg zumr Empfängerin abzufangen und ggf. zu modifizieren, Telefongespräche abzuhören, V-Leute einzusetzen oder ein höchst umstrittenes DNA-Analyseverfahren zur Erstellung von Phantombildern einzusetzen. All das würde die bayrische Polizei schlagartig zu einer de facto geheimdienstlichen Institution „upgraden“. Zudem finden sich im neuen PAG-Entwurf Elemente einer weiteren Militarisierung der polizeilichen Organe: Künftig sollen bayrische Polizeibeamt*innen in Ausnahmefällen sogar Handgranaten zum Einsatz kommen lassen dürfen. Repression und Willkür sowie überwachungsstaatsähnliche Zustände sind vorprogrammiert, sollte das neue PAG in Bayern tatsächlich beschlossen werden und in Kraft treten. Da die CSU in der neuen Bundesregierung das Innenressort innehat, kann man sich schonmal auf entsprechende bundesweite Vorstöße gefasst machen. Die SPD wird mit ihrem aktuellen Führungspersonal – zu dem u.A. Olaf „Es-gab-keine-Polizeigewalt“ Scholz gehört – diese Entwicklung sicherlich nicht verhindern.

Trans* von Kindesbeinen an

Beschluss des XI. Bundeskongresses am 13.-15. April 2018 in Erfurt

Trans* bezeichnet den Widerspruch zwischen dem selbst erlebten Geschlecht und der bei Geburt zugeschriebenen Geschlechtszugehörigkeit. Die Bestimmung der Geschlechtszugehörigkeit kann nur über die Selbstbeschreibung erfolgen. Diese ist möglich, sobald Kinder sich ihrer Identität bewusst werden und entsprechende Ausdrucksmöglichkeiten haben.
Die gegenwärtige wissenschaftliche und gesellschaftliche Debatte über Geschlechtszugehörigkeit ist von Widersprüchen, Unwissenheit und Spekulationen geprägt. Aus dieser Situation heraus erfahren viele trans* Kinder (und auch die Familien) eine Pathologisierung, wenn sie versuchen, Anerkennung für ihre Geschlechtszugehörigkeit zu erlangen.
Zur gesellschaftlichen Anerkennung der Geschlechtsidentität ist ein Gutachten notwendig. In diesen wird nach unklaren Kriterien die Geschlechtsidentität „geprüft“ und „bestätigt“. Ganz unabhängig von der Tatsache, dass es sich bei der Geschlechtsidentität um etwas handelt, dass von außerhalb nicht geprüft und bestätigt werden kann.
Leider besteht ohne positive „Begutachtung“ kein Anspruch auf die Verwendung der richtigen Geschlechtsbenennung und des meist neu gewählten Vornamens. So sind die Kinder im Umgang mit Institutionen (KiTas, Schulen etc.) auf den „guten Willen“ der Leitung angewiesen, dass diese die Geschlechtsidentität der Kinder akzeptieren.
Diese Situation stellt die Kindern und Familien vor vielerlei Hürden: ärztliche und psychotherapeutische Termine, finanzielle Kosten, kraftraubende Auseinandersetzungen und Verhandlungen mit offiziellen Stellen, welche häufig psychische Probleme bei allen Beteiligten hervorrufen.
Aus der derzeitigen problematischen Lage heraus, zur Stärkung der Rechte von trans* Kindern fordern wir:

  • Abschaffung der Diagnose von Trans* als Erkrankung, Störung oder Dysphorie
  • Abschaffung von Zwangstherapie
  • Freier Zugang zu verschieden notwendigen Maßnahmen (medikamentöse Maßnahmen, begleitende Psychotherapie, Operationen – sofern gewünscht) bei Übernahme der Kosten durch die Krankenkassen zur Vorbeugung oder Behandlung möglicher psychischer Folgen durch Dysphorie oder Stigmatisierung
  • Einrichtung von Anlaufstellen für trans* Kindern, die keine Unterstützung der Familie erfahren, Gewährleistung einer Unterstützung mindestens bis zur Anerkennung der Geschlechtsidentität
  • Anerkennung der Geschlechtsidentität durch Änderung des Vornamens- und Geschlechtseintrages ohne Begutachtungsprozess, Wartezeiten und v.a. ohne Altersuntergrenzen
  • klare Richtlinien für die Leitung von Bildungseinrichtungen im Umgang mit trans* Kindern
  • Schulung des Personals an Bildungseinrichtungen (KiTas, Schulen etc.) im Umgang mit trans* Kindern
  • Projektveranstaltungen an KiTas, Schulen, etc. zur Aufklärung der Kinder und Jugendlichen über Trans*
  • die staatliche Unterstützung von Organisationen, die sich mit dem Thema auseinandersetzen, z.B. Trans-Kinder-Netz e.V.

„Adoptionsrecht für alle!“ – Für eine Akzeptanz aller Lebensentwürfe und Familienformen

Beschluss des XI. Bundeskongresses am 13.-15. April 2018 in Erfurt

Wir fordern eine Überarbeitung des Adoptionsrechts, welches den gesellschaftlichen Wandel und die daraus resultierenden unterschiedlichen Lebensentwürfe und Familienformen berücksichtigt und dabei jeder Person und jeder Form von Partnerschaft die potenzielle Möglichkeit zur Adoption einräumt. Dabei gilt jedoch, dass bei solch einer Überarbeitung die Orientierung am Kindeswohl und die Transparenz oberste Priorität hat!

Pornographie – für eine feministische Darstellung der existierenden Vielfalt und Diversität

Beschluss des XI. Bundeskongresses am 13.-15. April 2018 in Erfurt

In unserer Gesellschaft herrscht immer noch in weiten Teilen ein sexistisches Menschenbild vor, das sich in der Pornographie spiegelt. Dies ist ein Zustand, den wir für intolerabel halten.
In Mainstream-Pornographie dominieren sexistische und rassistische Stereotype. Dabei wird ein standardisierter „Optimal“-Körper in den Mittelpunkt gerückt und als einzig begehrenswertes Ideal dargestellt, es besteht kein Bezug zur in der Realität bestehenden Diversität von Körperformen. Der dargestellte Sex verkommt zu einer Art Leistungssport. Dabei funktioniert alles mechanisch perfekt, nichts erinnert daran, dass dort zwei individuelle Menschen miteinander interagieren – es funktioniert scheinbar alles auf Anhieb, es gibt keine Kommunikation bezüglich Vorlieben und Empfinden, genau so wenig wie Scheitern und Neu-Ausprobieren. Die Komponenten von Sexualität, welche durch das Aufeinandertreffen von Menschen entstehen, werden gänzlich ausgeblendet. Auch in der Pornographie-Industrie schafft sich der Markt das Konsumverhalten, welches seinen Prinzipien am ehesten entspricht: Leistung, Abwertung und Dominanz.
Pornographie ist für viele Menschen ein Teil ihrer Sexualität, formt Interessen und Vorstellungen innerhalb und außerhalb der Sexualität mit.
Somit besteht die Gefahr, dass Jugendliche viel zu oft mit völlig unrealistischen Vorstellungen in ihr Sexualleben starten. Dabei wird ihnen die Möglichkeit wesentlich erschwert, ein selbstbewusstes und natürliches Verhältnis zu sich, ihrem Körper, ihrer Sexualität und ihrer Gesundheit zu entwickeln.
Eine Möglichkeit, mehr Diversität, mehr Schönheit und eine von Normen weniger restringierte Pornographie zu ermöglichen besteht in der Förderung von Pornographie, die sich an den Interessen der Gestaltenden, nicht der Konsumentinnen orientiert.  Die Pornographie als Kunstform, welche sich der Erforschung von Lust und Erregung, Zwischenmenschlichkeit und Einsamkeit und was immer sie gerade darstellen möchte, widmet, ermöglicht auch den Konsumentinnen eine Auseinandersetzung mit der eigenen Sexualität und Umwelt.
Sexualität, in ihrer Individualität und notwendigen Konflikten, ist ein zentraler Bestandteil der Menschlichkeit. In der jetzigen Gesellschaft, von der die Pornographie, gegen die wir uns wenden, ein Teil ist, wird Sexualität oft unter großem Druck und gegen das Individuum geformt. Wir richten uns gegen diese Zerstörung einer potentiellen Glücksquelle für Menschen. Pornographie, wie jede andere Kunstform, muss die Möglichkeiten haben das Schöne und das Grässliche darzustellen, wir richten uns dagegen, ein bestimmtes Aussehen von Kunst erzwingen zu wollen, wie es im Moment durch große Teile der Pornographie-Industrie passiert.
Eines der größten Hindernisse für Künstler*innen in der Pornographie ist die Schwierigkeit funktionierende Finanzierungsmodelle zu gewinnen. Eine zentrale Rolle in dieser Problematik spielen Urheberrechtsverletzungen im PornHub-Netzwerk und ein Mangel an Bereitschaft für Pornographie zu bezahlen. Dieser Mangel an Bereitschaft zur Bezahlung ist eng verknüpft mit den Versuchen von Online-Payment-Anbietern alle Formen von Sexarbeit nicht über ihre Dienste bezahlbar zu machen, was Möglichkeiten einer einfachen und barrierefreien und dabei anonymen Bezahlung zerstört.
Vom Staat fordern wir, dass Möglichkeiten gefunden und umgesetzt werden, Pornographie wie andere Kunstformen davor zu schützen, dass fremde Akteure über die eigene Kunst gegen den eigenen Willen Gewinn erwirtschaften können. Von der Gesellschaft als ganzes müssen Wege gefunden werden Pornographie als Kunstform stärker zu ermöglichen. Die Linksjugend [’solid] soll in Zusammenarbeit mit Künsterlerinnen im Pornographiebereich innerhalb eines Jahres ein realistisches Modell erarbeiten, wie Pornographie gefördert werden kann. Die Linksjugend [’solid] setzt sich gegenüber der Partei DIE LINKE ein auf parlamentarischem Weg die Stellung von Künstlerinnen im Pornographiegenre zu stärken. Der Bsp*R wird damit beauftragt diesen Prozess zu organisieren.
In der Erarbeitung eines solchen Modells soll Bezug genommen werden auf bereits bestehende, erfolgreich finanzierte Kunstprojekte im Genre der Pornographie.

Mobilitätswende – Freifahrt für freie Bürger:innen

Beschluss des XI. Bundeskongresses am 13.-15. April 2018 in Erfurt

Leben findet nicht nur an einem Ort statt. Wir sind zu Hause. Wir besuchen Schule, Uni, Arbeit oder Arbeitsamt. Wir sind bei Freundinnen, im Kino oder im Schwimmbad, auf Konzerten oder in Klubs und Kneipen. Wir sind bei den beiden Muttis oder den Großeltern – drei- bis viermal jährlich besuchen wir Großtante Klothilde. Wir sind im Urlaub, auf Ausflügen, auf Demos, Kundgebungen und Sitzblockaden. Mobilität ist ein Grundbedürfnis und ein Grundpfeiler der Teilhabe an gesellschaftlichem Leben; eine inklusive und solidarische Gesellschaft muss also sicherstellen, dass jeder gleichermaßen mobil sein kann.
Wir leben aber nicht in einer inklusiven und solidarischen Gesellschaft, sondern in einer kapitalistischen. Als Dienstleistung wird die Beförderung im öffentlichen Verkehr, ebenso wie auch Fahrzeuge, im Kapitalismus als Ware behandelt und somit nicht nach Bedürfnis verteilt, sondern muss erkauft werden. Ob und im welchem Ausmaß eine Person ihr Bedürfnis nach Mobilität befriedigen kann, hängt also von ihrer jeweiligen finanziellen Situation ab.
So entstehen Privilegien. Es gibt jene, die es sich leisten können, ein Auto zu besitzen, also autonom zu gesellschaftlichen Anlässen zu gelangen, und jene, denen dies nur zu den Fahrzeiten des öffentlichen Verkehrs möglich ist; jene, die ihren Kindern ein Taxi rufen können, wenn sie am Tag einer Klausur den Schulbus verpassen, und jene, deren Kinder dann durch die Prüfung fallen. Manche fliegen jedes Wochenende nach New York oder Tokio, andere konnten sich seit Jahren keinen Urlaub mehr leisten. Eine nicht zu unterschätzende Anzahl an Personen besitzt nicht einmal eine Fahrkarte für den ÖPNV und ist somit völlig an den Radius gebunden, den sie zu Fuß oder (falls sie sich eines leisten kann) mit dem Fahrrad zurücklegen kann.
Die bürgerliche Politik gibt zwar vor, einen vermeintlich „sozial verträglichen“ Rahmen zu schaffen, ist aber in der Tat wie so oft mehr Teil des Problems, also Teil einer Lösung: Die Regierungen liberaler und konservativer, aber auch sozialdemokratischer und grüner Parteien und (seit der weitgehenden Privatisierung des ÖPNVs) in zunehmenden Maße auch die Privatwirtschaft selbst betreiben eine Verkehrspolitik, die lediglich als Teil der Wirtschaftspolitik gedacht wird.
Hinzu kommt die ökologische Dimension. Verkehr ist der einzige Sektor in Deutschland, der steigende Klimabelastungen verursacht – und das bei sinkenden Bevölkerungszahlen! Das selbstzerstörerische Element deutscher Verkehrspolitik ist also nicht erst seit dem Abgas- und Feinstaubskandal von 2017 („Diesel-Gate“) zu erkennen. Während durch den Skandal Teile der Öffentlichkeit zumindest vorübergehend für die Thematik sensibilisiert werden konnten, wurde seitens der Bundes- und Landesregierungen unter Rücksichtnahme auf die deutsche Autoindustrie und -lobby bei Feinstaub- und Emissionsbelastungen weggesehen und Abgasbetrug toleriert. Die CSU ging sogar soweit, Subventionen für Diesel-Kfz zu fordern, um den Absatz wieder anzukurbeln.
Die Linksjugend [’solid] sieht Mobilität als ein Grundrecht aller Menschen an. Im Rahmen einer kritischen Analyse des bestehenden Systems untersuchen wir, wie und warum Menschen ungleichen Zugang zu Mobilität erhalten. Unter Einbezug antikapitalistischer, emanzipatorischer und ökologischer Gesichtspunkte suchen wir nach Strategien, um allen Menschen gleichermaßen Mobilität innerhalb eines nachhaltigen und solidarisch organisierten Gesamtkonzeptes zu ermöglichen.
Dieses Positionspapier versteht sich als unvollständige Sammlung von Kritikansätzen, Zielvorstellungen, Forderungen und Handlungsoptionen. Es versucht, Anknüpfungspunkte für weitere mobilitätspolitische Programmbausteine und ggf. Kampagnen zu schaffen.

Vernunftgesetz Nachhaltigkeit
Der Mensch ist als biologisches Lebewesen abhängig von seiner natürlichen Lebensgrundlage. Der Verkehrssektor hat einen wesentlichen Anteil an der genau diese Lebensgrundlage bedrohenden Klimakatastrophe – aktuell werden 20% der Treibgasemissionen in Deutschland durch Verkehr verursacht; wie bereits erwähnt ist es sogar der einzige Sektor mit steigender Klimabelastung.
Linke Mobilitätspolitik muss darauf abzielen, diesen Anteil auf (nahezu) 0% zu reduzieren. Verbrennungsmotoren jedweder Art sind somit perspektivisch nicht haltbar; sie können nicht Bestandteil seriöser linker Mobilitätsansätze sein und sind folglich nicht förderungswürdig. Eine Forderung à la „Autos für alle“ mag zwar dem Wunsch nach sozialer Gerechtigkeit entspringen; es ist aber weder sozial, noch gerecht kommenden Generationen die Lebensgrundlage zu entziehen.

Verkehrsraumgestaltung – Wem gehört die Straße?
Jahrzehntelang galt der motorisierte Verkehr als Maß aller Dinge. Das Konzept der „autogerechten Stadt“ wurde durch Politiker*innen aller Parteien maßgeblich vorangetrieben. Es galt „freie Fahrt für freie Bürger“ und alles, was sonst noch so auf Straßen unterwegs war, galt als zu beseitigendes Hindernis. Straßenbahnen wurden abgebaut, zu Fuß Gehende und Rad Fahrende in den Seitenraum verdrängt. Es wurden zwei-, drei- und vierspurige Schnell- und Hauptstraßen gebaut und dafür ganze Siedlungen durchschnitten, aber egal – Hauptsache man kam gut durch. Und die Umwelt? Das wächst nach.
Hintergrund waren vor allem wirtschaftliche Interessen. Der Bau und Ausbau von Verkehrsinfrastruktur erfolgte primär dort, wo dies dem Transport von Gütern zuträglich war. Auch öffentliche Verkehrsmittel wurden nicht etwa geschaffen, um den Bedürfnissen von Menschen ohne Auto nachzukommen, sondern um Fabriken mit einer ausreichenden Zahl an Arbeiter*innen zu versorgen; ländliche Gebiete, deren Erschließung keine wirtschaftlichen Vorteile bot, erhielten keine oder eine nur mangelhafte Anbindung an den öffentlichen Verkehr (dies äußert sich auch heute noch darin, dass in ländlichen Gebieten häufig nur morgens (zur Arbeit) und nachmittags/abends (von der Arbeit) Busbetrieb stattfindet, während am Wochenende nicht selten gar keine Bedienung erfolgt).
Nicht-wirtschaftliche Interessen, wie das Interesse von Kindern, auf der Straße vor ihrem Wohnhaus zu spielen, oder die Belange des Naturschutzes fanden keinerlei Beachtung. Die Umweltbewegung und insbesondere die Aktivitäten der grün-alternativen Listen und später der Partei „Die Grünen“ konnten zwar bei einigen Verantwortlichen eine leichte Kurskorrektur erzielen (bspw. entstanden die ersten Tempo-30-Zonen), das Gesamtbild konnte jedoch nicht verändert werden: dem motorisierten Verkehr wird ein unverhältnismäßig hoher Anteil am Verkehrsraum zugestanden, während für rekreative Elemente wie Parks und Grünstreifen, Spielflächen sowie für die Verkehrsinfrastruktur Rad Fahrender und zu Fuß Gehender unverhältnismäßig wenig Fläche vorgesehen ist.
Beispiel Berlin: 60% des Verkehrsraums sind für Pkw reserviert, obwohl diese nur ein Drittel der Wege zurücklegen. Rad Fahrende erhalten dagegen nur 3% der Fläche, obwohl 15% der Wege mit dem Rad zurückgelegt werden. Hinzu kommt, dass selbst diese 3% des Öfteren zugeparkt, nicht geräumt oder sonstwie blockiert sind.
Beispiel Saarbrücken: Radspuren und -wege weißen häufig nicht einmal die gesetzliche Mindestbreite auf. In einer von der Stadt in Auftrag gegebenen Analyse der Verkehrssituation heißt es dazu unter anderem: „Die untersuchten Radfahrstreifen orientieren sich in Saarbrücken entweder an den empfohlenen Minimalbreiten oder sind zu gering bemessen. […] Neben der zu schmalen Bemessung wurde [an einigen Stellen] der Sicherheitsabstand zu längsparkenden Kfz nicht berücksichtigt.“ Einige Radspuren sind derart schlecht gemacht, dass sie ernsthaft für Parkstreifen gehalten werden: „Neben dem bewussten Parken auf den Radverkehrsanlagen – bspw. aufgrund mangelnder Rücksicht oder fehlender Kontrollen – ist auch ein ‚Bewusstseinsdefizit‘ für die Radverkehrsanlagen wahrscheinlich: Ohne Fahrradpiktogramm werden Radfahrstreifen in einigen Fällen von Autofahre[nden] für Parkstreifen gehalten“.
In aller Regel sind diese Radspuren und -wege dann auch noch benutzungspflichtig. Die Benutzungspflicht wird in der Regel willkürlich und häufig auch illegal (d.h. entgegen geltender Gestaltungsvorschriften) verhängt. Illegalerweise benutzungspflichtige Radwege dürfen von Rad Fahrenden jedoch nicht ignoriert werden, sondern müssen befahren werden, bis die zuständige Behörde die Benutzungspflicht wieder aufhebt. Die Linksjugend [’solid] fordert dem Beispiel der Städte Köln und Hamburg zu folgen und die Radwege-Benutzungspflicht bundesweit aufzuheben.
Auch gesonderte Busspuren existieren nur sehr selten in hinreichendem Umfang – den Platz hat man ja für die Autos gebraucht. Die Linksjugend [’solid] fordert ein alltagstaugliches Netz an hinreichend breiten Bus- und Radspuren. Dieses ist gegebenenfalls auf Kosten bestehender Pkw-Spuren anzulegen.
Die wenigsten Straßenräume in Deutschland sind barrierefrei. Deutschlandweit waren zudem im Jahr 2009 lediglich 71% der Bahnhöfe barrierefrei ausgebaut; im Saarland sogar nur 44%. Auch 2016 war dort noch jeder vierte Bahnsteig nicht stufenfrei erreichbar, 35% verfügten nicht über taktile Leitstreifen. Zwar sind 10% der Menschen zwingend und bis zu 40% situativ auf Barrierefreiheit angewiesen, doch Barrierefreiheit spielt bei der Gestaltung von Verkehrsräumen häufig keine Rolle, da eine barrierefreie Gestaltung teuer und somit oft finanziell nicht rentabel ist. So werden Menschen zusätzliche Steine in den Weg gelegt, die eigentlich besonders darauf angewiesen sind, unabhängig von Dritten bspw. eine Straße überqueren oder eine Busfahrt antreten zu können. Die Linksjugend [’solid] fordert die sofortige Versetzung sämtlicher Verkehrsräume (inkl. aller Bahnhöfe, Haltepunkte und Bushaltestellen) in einen barrierefreien Zustand, um die Teilhabe aller Menschen an gesellschaftlichem Leben sicherzustellen.
Die Linksjugend [’solid] will neue Maßstäbe zur Gestaltung von Verkehrsräumen entwickeln. Als Globalziel wollen wir die Frage „Wem gehört die Straße?“ stellen. Wir verurteilen alle Ansätze einer wirtschaftlich gedachten Verkehrspolitik, denn für uns steht fest: Der Verkehrsraum steht allen zu, die sich darin bewegen und aufhalten wollen.

vision zero – Für eine Welt ohne Verkehrsunfälle!
Eine weitere, wohl die fatalste, Folge der Straßenraumgestaltung „autogerechter Städte“ ist der Mangel an Verkehrssicherheit. Um dem motorisierten Verkehr nicht die freie Fahrt zu nehmen und um Geld zu sparen (schon der Bau eines Zebrastreifens kostet bis zu 80 000€), sind Straßenübergänge nicht hinreichend vorhanden und nur äußerst selten wirklich sicher oder gar barrierefrei gestaltet.
Menschen, die aus finanziellen, gesundheitlichen oder Altersgründen keinen Pkw fahren können, dürfen oder wollen, nehmen unter einem erheblich höherem Risiko zu Fuß oder mit dem Rad am Straßenverkehr teil. Jeden Tag verunglücken in Deutschland durchschnittlich drei Menschen tödlich in Folge von Verkehrsunfällen. Viele mehr verletzen sich. Auch indirekte Gesundheitsschäden durch Verkehrslärm und Abgase belasten die Menschen.
Die Linksjugend [’solid] bekennt sich klar zur vision zero, also dem Ziel von null Verkehrstoten. Im Sinne der Verkehrssicherheit fordern wir ein generelles Tempolimit von 120km/h auf Autobahnen und Kraftfahrstraßen, sowie eine Herabsetzung der Innerorts-Geschwindigkeit auf 30km/h. Alle Konzepte der Verkehrsberuhigung (bspw. Einbahnstraßen, verkehrsberuhigte Bereiche, Fußgängerzonen, Shared Space, Fahrradstraßen, …) müssen ausgeweitet werden.
Diese bieten außerdem die Gelegenheit, den Straßenraum umzugestalten und zu begrünen, sodass die Straße wieder Raum des öffentlichen Lebens und die durch Kraftfahrzeuge erzeugten Klimaschäden zumindest partiell kompensiert werden können.

Fahrscheinloser ÖPNV – Wem gehört der Bus?
Zentrales Handlungsfeld linker Mobilitätspolitik ist sicherlich der Öffentliche Personennah- und -fernverkehr (ÖPNV und ÖPFV).
Um diesen ist es aktuell nicht gut gestellt: wurden 1950 noch über 60% des Personenverkehrs im  öffentlichen Verkehr zurückgelegt, waren es 2004 weniger als 20%. Diese Verlagerung hin zum Motorisierten Individualverkehr (MIV) ist nicht nur eine ökologische, sondern auch eine soziale Katastrophe. Mit sinkenden Fahrgastzahlen verschlechtert sich auch das Angebot zunehmend – immer mehr Linien werden ausgedünnt oder komplett eingestellt; zumindest abends/nachts und am Wochenende findet vielerorts keine Bedienung mehr statt. Menschen, die auf den öffentlichen Verkehr angewiesen sind, sind somit immer weniger mobil. Fahrgäste müssen Preiserhöhung um Preiserhöhung schlucken, sodass sich bereits heute Viele ein Ticket vom Mund absparen müssen oder es sich gleich gar nicht mehr leisten können. Das alles grenzt Menschen von gesellschaftlichem Leben aus.
Die Linksjugend [’solid] fordert die vollständige Vergesellschaftung aller Betreiber*innen des Öffentlichen Personenverkehrs. Alle Ortschaften sollen in einem angemessen Takt und einer angemessen Fahrzeit rund um die Uhr durch öffentliche Verkehrsmittel, die alle Menschen unentgeltlich nutzen können, verbunden werden. Mobilität und damit die Teilhabe an gesellschaftlichem Leben betrachten wir als ein Grundrecht, das allen Menschen unveräußerlich zusteht.
Die durchgehende, flächendeckende Bedienung muss jederzeit an jedem Ort gewährleistet sein (zu Schwachlastzeiten (bspw. nachts) und/oder in dünn besiedelten Ortschaften können alternative Bedienungsarten wie Rufbusse oder Anrufsammeltaxen zum Einsatz kommen). Hierin versprechen wir uns ein dickes Plus an sozialer Gerechtigkeit. Jeder kann in gleichem Umfang zu gesellschaftlichen Anlässen an- und abreisen und ist somit nicht von vornherein von diesen ausgeschlossen; wer beispielsweise am Wochenende mit Freundinnen einen trinken gehen möchte, kommt im Anschluss hieran sicher nach Hause. Auch Ausflüge, die Familien mit ihren Kindern beispielsweise zu lokalen Sehenswürdigkeiten durchführen möchten, scheitern nicht bereits am Geldbeutel.
Der Wegfall des Ticketerwerbs für den öffentlichen Verkehr lässt zudem erwarten, dass die Anzahl der Auto Fahrenden drastisch zurückgeht, was unter ökologischen Gesichtspunkt äußerst wünschenswert erscheint. Durch eine Abnahme des Individualverkehrs können Straßenräume verkehrsberuhigend umgestaltet werden, zu Fuß Gehende und Rad Fahrende sich sicherer fortbewegen, Kinder wieder auf der – nun begrünten – Straße spielen… Damit einher geht eine deutliche Steigerung der Nutzer*innenzahl des öffentlichen Verkehrs, sodass dieser eine rapide Effizienzsteigerung durchlaufen sollte.
In der aktuellen Debatte herrscht das Modell eines fahrscheinlosen ÖPNVs, der über eine Nahverkehrsabgabe von 20,00 oder 30,00 EUR ähnlich des Rundfunkbeitrags finanziert werden soll, vor. Obgleich bereits dieses Modell einen enormen Zugewinn an sozialer Gerechtigkeit darstellen würde, ist es aus linker Sicht dennoch zu kritisieren, da Armen genauso tief in die Tasche gelangt wird, wie Reichen. Zudem müssen wir uns gegen jene Modelle des fahrscheinlosen ÖPNVs stellen, die keine Vergesellschaftung der Verkehrsbetriebe vorsehen, da es sich hierbei um Umverteilung von Geldern der Steuern Zahlenden in die Taschen der Privatwirtschaft handelt.

Solidarität mit Menschen ohne Fahrschein
Fahren ohne Fahrschein ist in Deutschland eine Straftat. Immer mehr Menschen müssen so genannte Ersatzfreiheitsstrafen ableisten, weil sie ohne Fahrschein in öffentlichen Verkehrsmitteln mitgefahren sind. So wurde ein Siebtel der Gefangenen des Gefängnisses Plötzensee wegen „Erschleichens von Leistungen“ verurteilt.
Es gibt verschiedene Gründe, ohne Fahrschein mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren. Diese reichen von politischer Überzeugung über Unwissen bis dahin, dass man schlicht kein Geld hat um einen Fahrschein zu bezahlen. Für uns sind alle diese Gründe legitim. Wir wollen daher Strategien erarbeiten, um die Menschen, die ohne Fahrschein fahren, zu unterstützen. Ein erster Schritt dürfte die Verbreitung der „Kontrolletti“-Sticker der Linksjugend [’solid] in öffentlichen Verkehrsmitteln und eine öffentliche Debatte sein 😉
Die Linksjugend [’solid] erklärt sich solidarisch mit Menschen ohne Fahrschein. Wir rufen unsere Mitglieder und Sympathisant*innen auf, Fahrscheinkontrollen solange wie möglich hinauszuzögern und Menschen ohne Fahrschein bspw. per Zuruf oder durch Apps wie Blackdriver vor Kontrollen zu warnen. Wir fordern die sofortige Freilassung aller wegen „Erschleichens von Leistungen“ Gefangenen.

Alle(s) auf die Schienen
Dem schienengebundenen Verkehr muss besonderes Augenmerk gewidmet werden, da es sich um eine wenig unfallträchtige, effiziente und ökologische Fortbewegungsart handelt. Der schienengebundene Verkehrt sollte daher sowohl für den Personen-, als auch für den Güterverkehr das Grundgerüst darstellen. Dem motorisierten Verkehr (der dann Optimalfall elektrisch betrieben wird) soll dabei eine Zubringerfunktion zukommen.
Die Reaktivierung stillgelegter sowie der Neubau von Bahn- und Tramstrecken können hier sinnvolle Schlüsselprojekte sein. An bestehenden Bahnstrecken sollten bei Bedarf weitere Haltepunkte eingerichtet werden.

Aber können nicht einfach alle mit Elektroautos fahren?
In der Bevölkerung geistert ja der Irrglaube umher, der Verkehr könne einfach „auf Elektro umgestellt“ werden – dann ginge von Auto ja kein Klimaschaden mehr aus und alles wäre super. Diese Umstellung ist aber alles andere als einfach. Zunächst ist festzuhalten, dass Elektroautos beim Betrieb mit Kohlestrom nur marginal weniger umweltschädlich sind als Benziner. Daher müsste gewährleistet sein, dass Elektroautos ihren Strom aus erneuerbaren Energien beziehen. Flächendeckende Auflade-Stationen müssten gestellt werden. Zudem würde der Bau einer großen Zahl elektrisch betriebener Pkw viele nicht-regenerative Ressourcen verbrauchen. Auch würde nicht die Spaltung der Gesellschaft in Auto-Besitzerinnen und nicht-Auto-besitzerinnen nicht aufgehoben. Gerade für den Lieferverkehr und/oder für Einsatzfahrzeuge der Polizei und Feuerwehr ist die Umstellung auf Elektroautos aber eine sinnvolle Alternative. Auch im Bereich des ÖPNV ist eine zeitnahe Umstellung auf Elektromobilität schnellstmöglich umzusetzen. Zudem muss auch der Umfang des (elektrisch oder nicht elektrisch betriebenen) MIV allgemein reduziert werden, um Flächenverbrauch und Landschaftszerschneidung zu unterbinden.

Feminismus steht bei uns nicht nur im Programm! – Feministische Strukturen in der Linksjugend [’solid] stärken!

Beschluss des XI. Bundeskongresses am 13.-15. April 2018 in Erfurt

Der Bundessprecher*innenrat wird in Zusammenarbeit mit dem BAK Feminismus und dem Bundes-Awareness-Team beauftragt, auf bundesweiten Bildungsveranstaltungen wie dem Sommercamp oder der Winterakademie mind. einen Einstiegs-Workshop zu Awarenessarbeit anzubieten. Diese Workshops können unterschiedliche Formate haben, sollen jedoch das Ziel haben, interessierten Genoss*innen die Möglichkeit zu bieten, sich zur Awarenessarbeit zu befähigen.

Der Bundessprecher*innenrat wird außerdem in Zusammenarbeit mit dem BAK Feminismus und dem Bundes-Awareness-Team beauftragt, noch im Jahr 2018 ein Wochenendseminar in einer gut erreichbaren Stadt für eine Awareness-Ausbildung sowie zur Weiterentwicklung der Bundes-Awareness-Struktur zu organisieren.

Queer – Gleichberechtigung aller Lebensweisen

Beschluss des XI. Bundeskongresses am 13.-15. April 2018 in Erfurt

Der BSp*R erarbeitet in Zusammenarbeit mit dem BAK Feminismus Material zum Thema „Queer und Sozialismus“ auf Grundlage des folgenden Textes:

Sexuelle und geschlechtliche Vielfalt ist gesellschaftliche Realität. In den letzten Jahren wurden einige Fortschritte erkämpft, aber die vollständige Gleichberechtigung, Gleichstellung und Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt – gegen Homo-, Trans- und Interphobie – sind leider noch nicht erreicht.
Zwar ist die sogenannte „Ehe für alle“ ein Fortschritt für die Gleichberechtigung von Lesben und Schwulen, doch noch immer dürfen homosexuelle Paare nicht vollständig adoptieren. Für andere Beziehungsformen gibt es bisher nicht die Möglichkeit, vor dem Staat füreinander Verantwortung zu übernehmen. Während mit der Eheöffnung ein Schritt in die richtige Richtung getan wurde, ist insbesondere die Situation für Menschen mit uneindeutigen biologischen Geschlechtsmerkmalen (Intersexualität) oder für Menschen, bei denen biologische und soziale Geschlechtsmerkmale nicht übereinstimmen (Transsexualität), noch immer dramatisch. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist der Weg frei, das Geschlecht aus allen rechtlichen Normen zu streichen, um die bisher praktizierte Ungerechtigkeit zu umgehen.
Geschlechtergerechtigkeit muss schon im Kindesalter gefördert und dabei Raum für persönliche Entfaltung und geschlechtliche Vielfalt gesichert werden. Als Anlaufstelle für LSBTTIQ* fehlt es noch an genügend queeren Beratungs- und Aufklärungszentren sowie staatlichen Antidiskriminierungsstellen.
Es werden weiterhin ohne Zustimmung der Betroffenen medizinisch nicht notwendige Operationen an Menschen zum Zwecke der Geschlechtsangleichung durchgeführt. Hinzu kommt, dass noch immer queere Menschen überproportional von Übergriffen und Gewalttaten betroffen sind – sowohl im Privaten als auch in der Öffentlichkeit. Homo- und trans*feindliche Übergriffe nehmen seit dem Aufschwung von Rechtspopulismus und anderen menschenverachtenden Gruppen sogar zu. Fast alle queeren Jugendlichen haben bereits Diskriminierung erfahren. Die Selbstmordrate bei queeren Jugendlichen ist um einiges höher als die der restlichen Peer-Group. Die Verfolgung von queeren Menschen im Nationalsozialismus ist immer noch nicht vollständig aufgearbeitet; Rehabilitierung und Entschädigung von Opfern gibt es nicht.
Die Linksjugend [‘solid] will daher:

  • die Schaffung einer Stelle sowie das Einsetzen einer verantwortlichen Person (Referent*in) für LSBTTIQ*-Angelegenheiten im Bund und in der Europäischen Union
  • die Mittel der Jugendarbeit für LSBTTIQ* den Herausforderungen anpassen – gerade Jugendliche brauchen in der schwierigen Coming Out-Phase Unterstützung durch Gewaltpräventions- und Beratungsangebote
  • eine menschenwürdige Behandlung und Unterbringung von LSBTTIQ*- Geflüchteten sowie eine bedarfsgerechte Finanzierung von Beratungs-, Wohn- und Hilfsangeboten – dem besonderen Schutzbedürfnis muss Rechnung getragen werden
  • das Ende der Diskriminierung bei Blut und Organspende
  • die Gleichberechtigung aller Lebensweisen – Diskriminierung privat, an der Schule, der Universität, der Ausbildungsstätte und am Arbeitsplatz lassen wir nicht zu
  • das vollständige Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare
  • die Gleichberechtigung und Emanzipation verschiedener Beziehungsformen und Lebensweisen voranbringen
  • die Abschaffung des Personenstands oder zumindest die Erweiterung um den Zusatz „inter*/divers*“ und damit einhergehend das Verändern aller offiziellen Dokumente
  • Gewaltprävention und Hilfe für Gewaltopfer
  • Inter*- und Trans*menschen verstärkt unterstützen
  • medizinisch nicht notwendige Operationen nur mit Einwilligung der Betroffenen durchführen – das Transsexuellengesetz muss als Sondergesetz aufgehoben und in bestehendes Recht integriert werden
  • mehr Beratungs- und Aufklärungszentren
  • den Schutz vor Diskriminierung durch das Schaffen staatlicher Antidiskriminierungsstellen – der Schutz vor Diskriminierungen aufgrund der körperlichen Variation, sexuellen Identität und Lebensweise soll in das Antidiskriminierungsgesetz aufgenommen werden
  • den Bewusstseinswandel verstärken – Homosexuelle sowie Trans*- und Inter*menschen, die Opfer staatlicher Repression geworden sind, müssen vollständig rehabilitiert und gewürdigt werden.

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