Der Bundeskongress der linksjugend [’solid] erklärt seine Solidarität mit den angeklagten Genossinnen und dem verurteilten Genossen im Budapester Antifa-Prozess und fordert die sofortige Einstellung der Verfahren und die unverzügliche Rücküberstellung und Befreiung der Betroffenen. Eine Auslieferung weiterer Beschuldigter in Ungarn darf es nicht geben.
Drei Genoss:innen waren bei Protesten gegen den „Tag der Ehre“, einem der größten neonazistischen Aufmärschen Europas, festgenommen worden und werden seitdem von den ungarischen Behörden unter unmenschlichen Bedingungen gefangen gehalten. Die Staatsanwaltschaft versucht – teilweise erfolgreich – mit dem Inaussichtstellen jahrzehntelanger Haft unter menschenunwürdigen Bedingungen geständige Einlassungen der Angeklagten zu erpressen, die unter Einhaltung rechtsstaatlicher Verfahrensgrundsätze nie als Beweismittel verwertet werden dürfen. Währenddessen droht einer in Dresden inhaftierten Genossin die Auslieferung nach Ungarn.
Linksjugend [’solid] fordert: Freiheit für alle politischen Gefangenen!
Zur Unterstützung in Prozesskosten und solidarischer Verfahrensbegleitung stellt die linksjugend [’solid] dem Budapest Antifascist Solidarity Committee (BASC) 500€ aus ihrem Spendentopf zur Verfügung.
Zum Hintergrund des Prozesses siehe u.a. :
Matthias Monroy, Aufruhr wegen Budapester Antifa-Prozess, nd v. 31.1.2024, https://www.nd-aktuell.de/artikel/1179649.tag-der-ehre-aufruhr-wegen-budapester-antifa-prozess.html (abgerufen am 9.2.2024)
Carina Book, Ein verhängnisvolles Geständnis?, WOZ Nr. 6/2024 (8.2.2024), https://www.woz.ch/2406/antifa-in-budapest/ein-verhaengnisvolles-gestaendnis/!KBZ4BJAZSKMP (abgerufen am 9.2.2024).
Die Kürzungspolitik der Ampel verschärft den Rechtsruck, immer mehr Menschen bekommen mehr finanzielle Sorgen.
Dem wollen wir als linksjugend [’solid] uns entgegenstellen.
Der Bundeskongress beschließt deshalb die Durchführung eines bundesweiten Aktionstags im Mai oder Juni an dem die Basisgruppen und Landesverbände mit vom Bundesverband gestellten Material unterschiedlich große, kreative Aktionen bei sich vor Ort machen können.
Das konkrete Darum wird dabei vom Bundessprecher:innenrat zeitnah nach dem Bundeskongress festgelegt.
Der Bundessprecher:innenrat kann eine temporäre AG einberufen, die ihn bei der Vorbereitung des Aktionstages und der Erarbeitung von Materialien unterstützt.
Durch die steigenden Umfrageergebnisse der AfD und die vom Journalist*innenkollektiv
„Correctiv“ veröffentliche Recherche über ein Treffen von Vertreter*innen der AfD und
Werteunion, Kapitalist*innen und Aktivist*innen der neuen Rechten, auf der über
massenhafte Deportationen deutscher Staatsbürger*innen mit Migrationshintergrund
phantasiert wurde, ist die Gefahr einer Faschisierung in Deutschland stärker in den
öffentlichen Diskurs gerückt. Vielerorts gab es daraufhin große Proteste gegen die
AfD. In der linken Debatte bleibt aber unklar, wie eine kluge linke Strategie gegen
Faschismus aussieht und wie man Faschismus genau versteht.
Was ist Faschismus?
Faschismus ist ein Sammelbegriff für verschiedene rechtsradikale Massenbewegungen,
die in den letzten 100 Jahren – ausgehend vom italienischen Faschismus – entstanden
sind, deren Ideologie sowie für die von diesen Bewegungen etablierten politischen
Systeme. Ihrer sozialen Herkunft nach rekrutierte sich der Faschismus aus
deklassierten und enttäuschten Teilen aller Klassen, dabei insbesondere aus dem
Kleinbürgertum, das besonders von Krise und sozialem Abstieg bedroht war.
Faschistische Ideologie war durch extremen Nationalismus, Antikommunismus,
Militarismus sowie Ethnozentrismus geprägt, der die Form von Rassismus und/oder
Antisemitismus annehmen konnte. Faschisten konstatierten eine nationale Krise,
hervorgerufen durch eine Niederlage der eigenen Nation in der internationalen
Staatenkonkurrenz und/oder durch die Einebnung althergebrachter gesellschaftlicher
Hierarchien. Zur Überwindung dieser Krise propagierten Faschisten eine nationale
Wiedergeburt. Der Faschismus unterschied sich von anderen Formen extrem rechter
Politik durch seinen massenpolitischen Charakter, seine umstürzlerische Strategie und
seine scheinrevolutionäre und pseudo-antikapitalistische Rhetorik. Die
Organisationsstruktur der faschistischen Partei war durch das Führerprinzip
gekennzeichnet und sie verfügte über paramilitärische Kampfbünde. Der Faschismus als
Herrschaftssystem mündete stets in der Zerschlagung der Arbeiter*innenbewegung mit
terroristischen Mitteln, die Vernichtung der bürgerlichen Demokratie mit allen ihren
Rechten und Freiheiten, der Unterdrückung jedweder Opposition – auch der bürgerlichen
– und der vollständigen Unterwerfung der Lohnabhängigen unter das Kommando von
Kapitalist*innen und Großgrundbesitzer*innen. In der fortgeschrittenen Phase
faschistischer Herrschaft fand eine Verschmelzung der Eliten von Industrie, Banken,
Militär und Beamtenschaft mit der Führungsgruppe der faschistischen Partei statt.
Faschistische Bewegungen entstanden in historischen Situationen, die sich in
vielerlei Hinsicht von der heutigen Situation unterscheiden. Der Klassencharakter,
die Ideologie und Praxis von Parteien wie der AfD weisen neben Gemeinsamkeiten auch
viele Unterschiede zum historischen Faschismus auf. Eine Analyse des historischen
Faschismus kann uns aber dabei helfen, strategische Schlussfolgerungen für den Kampf
gegen die AfD zu ziehen.
Analyse des historischen Faschismus
Der Vergleich zwischen dem italienischen und deutschen Fall verdeutlicht den Kontrast
zwischen zwei grundsätzlich verschiedenen Typen von historischen Situationen, in
denen der Faschismus an die Macht gelangte:
Die Arbeiter:innenbewegung in Italien fand sich nach dem ersten Weltkrieg in einer
Position der besonderen Stärke. Ein Konjunkturaufschwung führte zu niedriger
Arbeitslosigkeit und infolgedessen zu hoher Streikbereitschaft und steigenden Löhnen.
Die Arbeiter*innenbewegung führte einen – mit Antonio Gramsci gesprochen –
Bewegungskrieg und befand sich in einer Offensive des Klassenkampfes. Der Bestand des
kapitalistischen Herrschaftssystem war ernsthaft durch eine militante
Arbeiter*innenbewegung gefährdet. In dieser Situation kam der Faschismus in Form
einer unmittelbaren Reaktion der Kapitalist*innen und Großgrundbesitzer*innen zur
Rettung des kapitalistischen Systems. Paramilitärische Kampfbünde vor allem
kleinbürgerlicher Klassenherkunft wurden von den herrschenden Klassen unterstützt, um
die Arbeiter*innenbewegung terroristisch niederzuschlagen.
In Deutschland hingegen kam der Faschismus in einer Situation der relativen Schwäche
der Arbeiter*innenbewegung an die Macht, bei der gleichzeitig der bürgerlich-liberale
Status Quo durch eine vom Kapitalismus verursachte schwere Wirtschaftskrise ins
Wanken geriet. Hohe Arbeitslosigkeit, infolgedessen niedrige Streikbereitschaft und
sinkende Löhne – verstärkt durch die Austeritätspolitik einer bürgerlichen Regierung
– führten zu einer schwachen Verhandlungsposition der Arbeit gegenüber dem Kapital.
Die Arbeiter*innenbewegung befand sich in einem Stellungskrieg und in der Defensive.
In dieser Situation, in der zugleich eine glaubhafte Alternative von links fehlte, da
die SPD sich zum Teil an der katastrophalen Austeritätspolitik beteiligte und die KPD
selbst zu schwach war, um das kapitalistische System zum Umsturz zu bringen, sowie
unwillens war, die Austeritätspolitik auf reformerischem Wege zu beenden, konnte der
Faschismus die in breiten Teilen der Bevölkerung herrschende Unzufriedenheit für
seine Agenda nutzen und so vor allem durch parlamentarische Wahlen und weniger durch
Gewalt an Bedeutung gewinnen. An die Macht gelangte der Faschismus in Deutschland
schließlich durch ein Bündnis der faschistischen Partei mit den alten Eliten aus dem
Militär, der Großgrundbesitzer*innenklasse sowie Teilen der Kapitalist*innenklasse.
Insbesondere in Krisensituationen schafft es der Faschismus durch ein
scheinrevolutionäres Programm aus deklassierten und enttäuschten Teilen aller Klassen
Anhänger*innen zu rekrutieren. Dabei arbeiten Faschisten mit einer Rhetorik, die ein
„Wir“ und ein „die Anderen“ konstruiert und soziale Unterschiede innerhalb des „Wir“,
innerhalb der „Volksgemeinschaft“, zu überwinden verspricht. Anstatt beispielsweise
als Arbeiter*innenklasse gegen Ausbeutung zu kämpfen, verspricht man eine ideelle –
nicht aber materielle – Einebnung des Klassengegensatzes zum Zweck des gesteigerten
Erfolgs der Nation in der Staatenkonkurrenz. Dadurch politisiert der Faschismus
Unzufriedenheit ganz anders als linke Klassenpolitik, kanalisiert die Wut weg vom
eigenen Chef hin zu als fremd und bedrohlich dargestellten Gruppen und tastet die
kapitalistische Ordnung und die bürgerliche Herrschaft nicht an. Linke Klassenpolitik
versucht stattdessen, individuelle Unterdrückungs- und Ausbeutungserfahrungen in den
Kontext einer grundlegenden Systemkritik einzubetten.
Ideologisch zeichnet sich der Faschismus durch ein naturalistisches und
antirationales Bild vom Menschen und der Welt aus: Herrschafts- und
Ausbeutungsverhältnisse werden von Faschisten nicht als geschichtlich geworden, von
Menschen gemacht und somit als veränderbar verstanden, sondern als ewig, von Natur
aus gegeben und damit als unhinterfragbar aufgefasst. Der Faschismus propagiert, eine
„natürliche Ordnung“ zu schaffen, in der jede und jeder dem von der Natur aus
vorbestimmten Platz in der sozialen Hierarchie zugeordnet wird. Er bedient sich in
seiner Rhetorik eines – mit Ernst Bloch gesprochen – „Wärmestroms“, der an die
Gefühle der Menschen und populäre Mythen anknüpft, im Gegensatz zu einem
„Kältestrom“, der an die menschliche Vernunft appelliert. Diese naturalistische und
antirationale Ideologie verknüpft der Faschismus mit einer hochmodernen
Organisationsform und einem ausgesprochen ausgefeilten Zweckrationalismus in
Strategie und Taktik.
Aktuelle Lage
Mit der AfD hat sich eine Partei mit faschistischem Potential in der deutschen
Parteienlandschaft etabliert. Anfangs beschworene Brandmauern wurden allmählich
aufgegeben, was erste Kooperationen auf Kommunal- und Landesebene zeigen, wie bspw.
die Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten in Thüringen mit
AfD-Stimmen. Die AfD ist der parlamentarische Arm der radikalen Rechten und trägt
ihre Positionen in die Parlamente, was verschiedene personelle Überschneidungen zur
neuen Rechten in Europa wie der „Identitären Bewegung“ zeigt.
Die AfD weist sowohl Gemeinsamkeiten als auch erhebliche Unterschiede zum
historischen Faschismus auf. Vom historischen Faschismus unterscheidet sie sich
dadurch, dass sie ihre Wähler*innen nicht mehr vor allem im Kleinbürgertum findet,
das im Gegensatz zur ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts demographisch keinen
relevanten Teil der Bevölkerung mehr ausmacht. Stattdessen wählen vor allem
Arbeiter*innen die AfD – nicht selten solche, die von sozialem Abstieg bedroht sind
oder bereits sozial abgestiegen sind, wie die hohen Wahlerfolge der AfD in
strukturschwachen Regionen zeigen. Das kleinbürgerliche Element lässt sich allein
noch im Führungspersonal der AfD erkennen, das sich überwiegend aus den bürgerlichen
Mittelklassen rekrutiert, wie etwa aus Kleinunternehmer*innen (Tino Chrupalla),
Vermögensverwalter*innen (Alice Weidel, Peter Boehringer), Rechtsanwält*innen
(Stephan Brandner) und beamtete Lehrer*innen (Björn Höcke).
Wenngleich das wirtschaftspolitische Programm der AfD neoliberal geprägt ist und
damit auf eine Kräfteverschiebung zugunsten des Kapitals und auf Kosten der Arbeit
abzielt, hat der weit überwiegende Teil der Kapitalist*innenklasse im Gegensatz zum
historischen Faschismus derzeit kein Interesse an einer Machtübertragung an die AfD.
Insbesondere der nun in das öffentliche Bewusstsein gerückte Deportationsplan der
AfD, der etwa ein Siebtel der Bevölkerung in Deutschland betreffen würde, ist nicht
im Verwertungsinteresse des Kapitals, das in Zeiten von Arbeitskräftemangel dringend
auch auf migrantische Arbeiter*innen angewiesen ist. Die euroskeptischen Positionen
der AfD schrecken das Kapital ebenfalls ab, weil die deutsche Wirtschaft
exportorientiert ist und daher den EU-Binnenmarkt als Absatz für ihre Waren braucht.
Diese manifesten Unterschiede zwischen der AfD-Programmatik und den Interessen des
Kapitals bedeuten aber keineswegs, dass sich die Kapitalist*innenklasse nicht mit der
AfD arrangieren wird, wenn die AfD in Regierungsverantwortung kommt. Länder, in denen
Parteien wie die AfD bereits an der Macht sind, wie etwa Ungarn oder Italien, zeigen
aber, dass diese Parteien radikale Forderungen, die im direkten Widerspruch zu den
Interessen des Kapitals stehen, schlichtweg nicht umsetzen. Auch verfügt die AfD über
keine paramilitärischen Kampfbünde, die eine potentiell revolutionäre
Arbeiter*innenbewegung terrorisiert, die es derzeit und auf absehbare Zeit nicht
gibt. Geraten Parteien wie die AfD als stärkste Kraft dauerhaft in
Regierungsverantwortung, kommt es bisher auch nicht zu schlagartigen Entmachtungen
der Parlamente und zur sofortigen Kriminalisierung jeder Opposition. Vielmehr hat man
es, wie etwa in Ungarn, mit einem schleichenden Prozess der autoritären Formierung
von Staat und Gesellschaft sowie der Aushöhlung bürgerlicher und sozialer Rechte
sowie rechtsstaatlicher Prinzipien zu tun, wenngleich die bürgerliche Demokratie ihre
formelle Hülle beibehält. Die Gemeinsamkeiten mit dem historischen Faschismus
beziehen sich vor allem auf die Ideologie – insbesondere den Ethnozentrismus – und
die Art und Weise, wie soziale Unzufriedenheit politisiert und in systemkonforme
Bahnen gelenkt wird.
Der Grund für die steigenden Umfrageergebnisse der AfD in den letzten Monaten sowie
die damit verbundenen Wahlerfolge auf kommunaler und Landesebene liegen in der
sozialen Krise, die wesentlich durch die Austeritätspolitik der regierenden
Ampelkoalition verursacht wird. Diese Legitimitätskrise des hegemonialen Blocks
vermag die politische Linke aufgrund interner Zankereien nicht zu füllen, sodass
dieses Vakuum von rechts gefüllt wird. Als besonderes negatives Verdienst der
Ampelkoalition muss hervorgehoben werden, dass sie es geschafft hat, jedweden
Klimaschutz in breiten Teilen der Bevölkerung mit einer Verteuerung von Energie und
Lebensmitteln in Verbindung zu bringen. Die AfD kann sich in den Augen breiter Teile
der Bevölkerung gegenüber der katastrophalen Klima- und Wirtschaftspolitik der
Ampelkoalition als glaubhafte Alternative inszenieren, indem sie eine Rückkehr zu
fossilen Energieträgern propagiert und die menschengemachten Ursachen des
Klimawandels leugnet. Auch die Existenzängste von Arbeiter*innen, die durch den
möglicherweise erfolgenden Wegfall von Industriearbeitsplätzen aufgrund der
ökologischen Transformation der Wirtschaft verursacht wird, sind ein gefundenes
Fressen für die AfD.
Diese krisenhafte Situation alleine macht natürlich niemanden automatisch zum
Rechtsradikalen – beim Prozess der Faschisierung spielen auch sozialpsychologische
Prozesse eine Rolle. Für uns als politische Linke macht es jedoch Sinn, sich weniger
auf die subjektiven Faktoren zu konzentrieren, sondern die begünstigenden
gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zu bekämpfen.
Antifaschistische Strategie
Um unserem Anspruch als antifaschistischer Jugendverband gerecht zu werden, reicht es
nicht aus, Nazis doof zu finden: Gegen rechts hilft am besten eine starke Linke, die
die sozialen Ursachen, die für den Aufstieg der Rechten verantwortlich sind, wirksam
bekämpft, statt sich nur auf moralische Appelle zu verlassen. Wir müssen deshalb am
Aufbau einer starken, klassenkämpferischen Linken arbeiten.
Um die sozialen Ursachen des rechten Aufstiegs anzugehen, gilt es, die
Austeritätspolitik der Ampelkoalition zu bekämpfen. Dazu müssen wir uns in aktuellen
Klassenkämpfen für konkrete Verbesserungen und gegen die Kürzungspolitik einbringen.
Langfristig müssen wir auch alle Institutionen angreifen, die eine Austeritätspolitik
festschreiben. Dazu gehören die Schuldenbremse, ein ungerechtes Steuersystem, das vor
allem auf die Besteuerung von Löhnen und Konsum statt auf große Vermögen und
Kapitalrenditen abzielt, den Status der Europäischen Zentralbank als eine von
demokratischer Kontrolle „unabhängigen“ Institution, die sich einseitig auf
Preisstabilität fokussiert und den Kampf gegen Arbeitslosigkeit vernachlässigt, und
ein reaktionäres Streikrecht, das es Arbeiter*innen verbietet, politische und wilde
Streiks zu führen. Darüber hinaus müssen wir als radikale Linke eine systemische
Kritik in die Bewegungen einbringen, welche über die Forderungen nach mehr
Sozialstaat und ein Ende des Austeritätsregimes hinausgehen. Krisen sind dem
Kapitalismus immanent, also kann am Ende nur eine Überwindung dieses krisenhaften
Systems uns vor seinen potentiellen Folgen dauerhaft schützen.
Beim Klimaschutz darf die politische Linke das Soziale nicht vernachlässigen. Die
beste Prävention gegen rechte Sozialdemagogie sind niedrige Lebensmittel- und
Energiepreise. Wir dürfen Arbeiter*innen nicht das Gefühl vermitteln, dass ihnen mit
Klimaschutz etwas weggenommen wird. Dieses Gefühl nämlich ist ebenfalls willkommener
Nährboden für die AfD. Vielmehr gilt es, etwa durch eine Ausfinanzierung des
öffentlichen Personenverkehrs Pendler*innen neue Formen des „öffentlichen Luxus“ zu
ermöglichen. Insbesondere die Beteiligung an Kampagnen wie „Wir fahren zusammen“, die
von der Gewerkschaft ver.di und der Klimagerechtigkeitsbewegung „Fridays for Future“
initiiert worden ist, kann dafür einen wichtigen Beitrag leisten. Darüber hinaus
müssen wir als politische Linke ein realistisches und sozialverträgliches Konzept zur
ökologischen Transformation der Wirtschaft vorlegen, das die Verbindung zu den
Arbeiter*innen und Gewerkschaften aktiv sucht, statt sich über diese hinwegzusetzen.
Wenngleich sich die konkrete Tätigkeit von Arbeiter*innen ändern wird, muss unsere
Botschaft lauten: Jeder Arbeitsplatz bleibt erhalten!
Obwohl es mit der Austeritätspolitik eine Gemeinsamkeit zwischen der aktuellen und
historischen Wirtschaftslage gibt, die der NSDAP zur Macht verhalf, gibt es auch
entscheidende Unterschiede, an die eine antifaschistische Strategie anknüpfen kann.
Die im Gegensatz zur Situation Anfang der 1930er Jahre aktuell – trotz
austeritätsbedingter Rezession – niedrige Arbeitslosigkeit und der
Arbeitskräftemangel führt zu einer tendenziell vorteilhaften Verhandlungsposition der
Arbeit gegenüber dem Kapital. Auch möchten Arbeiter*innen die Reallohnverluste durch
die Inflation wieder wettmachen. Diese beiden Faktoren haben zu einer mächtigen
Streikwelle geführt, die bis zum jetzigen Zeitpunkt anhält. Gewerkschaftliche Streiks
führen Arbeiter*innen mit und ohne Migrationshintergrund durch gemeinsame
Organisations- und Kampferfahrungen zusammen. Sie wirken damit einem rassistischen
Bewusstsein, an das die AfD anknüpfen kann, entgegen. Durch die Unterstützung von
Streikposten und – darüber hinaus – die Erarbeitung einer langfristigen Strategie,
wie wir uns als Verband in Gewerkschaften und Arbeitskämpfe einbringen können, kann
die Linksjugend [’solid] einen wichtigen Beitrag dazu leisten.
Gleichzeitig gilt es aber auch, Faschisten konkret entgegenzutreten – auf der Straße,
in öffentlichen Diskussionen, in den Parlamenten und auf der Familienfeier. Gegen
zunehmende rechte Gewalt stellt sich die Frage der konkreten Verteidigungsfähigkeit,
gegen rechte Diskurshegemonie insbesondere im digitalen Raum braucht es eine linke
Medienstrategie.
Die zwei Notwendigkeiten – einerseits durch den Aufbau einer starken
klassenkämpferischen Linken und das Aufzeigen einer Systemalternative, die die
Ursache des Rechtsrucks angeht, gleichzeitig aber andererseits möglichst großen und
deshalb notwendigerweise breiten Gegenwind zur extremen Rechte zu organisieren –
führte Linke historisch immer wieder vor schwere bündnispolitische Entscheidungen.
Das eine Extrem – Sektierertum – ist historisch beispielsweise in Form der
Sozialfaschismusthese wirksam geworden. Die Linie der KPD, alle Kräfte von SPD bis
NSDAP zu unterschiedlichen Flügeln des gleichen Feindes zu erklären, wurde sowohl in
der akademischen Geschichtsschreibung als auch in der Geschichtsschreibung der
kommunistischen Bewegung selbst einhellig als schwerer Fehler mit dramatischen
historischen Konsequenzen benannt, weshalb die KPD und die Dritte Internationale
diese Linie auch später einhellig verwarf und durch die gegensätzliche
Volksfrontstrategie ersetzte. Andererseits zeigte sich immer wieder, auch aktuell,
dass eine kritiklose Einreihung der politischen Linken in Bündnissen, die bis weit
ins bürgerliche Spektrum hineinreichen, oft dazu beiträgt, linke Alternativen zur
herrschenden Politik unsichtbar zu machen und den Aufstieg faschistischer Kräfte
sogar noch weiter zu unterstützen.
Bündnisfähigkeit und Eigenständigkeit stellen dabei ein Spannungsverhältnis dar, das
sich nicht einseitig auflösen lässt. Hier die richtige Antwort zu finden, braucht
immer eine konkrete Analyse der konkreten Situation und lässt sich nicht
überhistorisch-abstrakt klären. Klar ist aber, dass rein negative Bündnisse, die
keine Positionen außer abstraktem Antifaschismus haben, am Ende dem Rechtsruck nicht
nachhaltig Einhalt gebieten werden können. In jeder Situation braucht es also eine
Verbindung von antifaschistischen Positionen mit Forderungen nach einer sozialeren
und demokratischeren Gesellschaft. Auch in breiteren Bündnisformationen treten wir
für eine sozialististische Perspektive ein.
Beschluss des XVI. Bundeskongresses II. Tagung vom 23.-24. Februar 2024
Vor dem nächsten Bundeskongress wird die Antragsberatungskommission an einem neuen
Ansatz für die Priorisierung von Anträgen arbeiten. Dieser Ansatz kombiniert die
Priorisierung durch die Kommission selbst mit direkten Abstimmungen unter den
Delegierten des Bundeskongresses.
Die Kommission wird weiterhin Anträge nach ihrem Inhalt gruppieren und solche
priorisieren, die beispielsweise aufgrund ihrer Dringlichkeit, ihrer allgemeinen
politischen Bedeutung, ihres starken Rückhalts im Verband oder ihrer unmittelbaren
Auswirkungen auf die Verbandsarbeit in naher Zukunft besonders wichtig sind. Dadurch
soll vermieden werden, dass nur besonders umstrittene Anträge behandelt werden,
während wichtige, aber weniger emotionale Anträge vernachlässigt werden und die
Handlungsfähigkeit des Verbands gefährdet wird.
Zu inhaltlichen Anträgen oder Themenfeldern, die sich nicht durch genannte Faktoren
hervorheben, soll eine direktdemokratische Priorisierung stattfinden. Konkret heißt
das, dass die Antragsberatungskommission eine Abstimmung zu Beginn des
Bundeskongresses vorbereitet, bei der der Bundeskongress direktdemokratisch
entscheiden kann, welche Anträge oder Themenfelder in welcher Reihenfolge behandelt
werden.
Beschluss des XVI. Bundeskongresses II. Tagung vom 23.-24. Februar 2024
Die neoliberale Wende, die verstärkt seit den 1980er Jahren von Regierenden in den
entwickelten kapitalistischen Ländern eingeleitet worden ist und die auf eine
Kräfteverschiebung zugunsten des Kapitals und auf Kosten der Arbeit abzielte, zeigt
sich auch in der Schuldenbremse.
Die Schuldenbremse ist dabei eine verfassungsrechtliche Regelung, die die
Kreditaufnahme durch öffentliche Haushalte stark einschränkt. Sie wurde in
Deutschland erstmals 2009 auf Wirken der Großen Koalition durch eine Änderung des
Grundgesetzes im Bund verankert. Im nachfolgenden Jahrzehnt folgten viele
Bundesländer dem Beispiel des Bundes. In dieser Form ist sie in Deutschland
einzigartig. Keine andere entwickelte Industrienation verfügt über eine vergleichbare
Institution.
Durch die Schuldenbremse werden öffentliche Haushalte faktisch daran gehindert,
öffentliche Güter auszufinanzieren, Sozialleistungen bedarfsgerecht bereit zu stellen
und dringend benötigte Investitionen, wie etwa im Hinblick auf die ökologische
Transformation der Wirtschaft, zu tätigen. Sie ist eine in der Verfassung
festgeschriebene Austeritätspolitik. Das zeigt sich auch aktuell, wo die
Ampelkoalition bei vielen Sozialausgaben kürzt, um die Schuldenbremse einzuhalten.
Die dadurch vertiefte soziale Ungleichheit bildet erst den Nährboden, auf denen die
AfD ihre menschenverachtende Konkurrenzideologie ausbreiten kann. Der AfD gelingt es
dadurch, den gesellschaftlichen Diskurs sowie die Bundesregierung nach rechts zu
drängen, was sich etwa in der Verschärfung des Asylrechts zeigt.
Im Interesse der Arbeiter*innenklasse gilt es, die Schuldenbremse abzuschaffen. Dazu
ist aber eine Analyse über die ökonomische Wirkungsweise der Schuldenbremse
notwendig. Auch muss herausgearbeitet werden, welche Klassen und Klassenfraktionen
ein Interesse an einer Abschaffung der Schuldenbremse haben, um so bündnispolitische
Schlussfolgerungen daraus zu ziehen.
Analyse der Schuldenbremse
Im Gegensatz zu den Einschätzungen einiger linker Gegner*innen der Schuldenbremse,
wonach es sich bei der Schuldenbremse um eine irrationale Ideologie handelt, die der
Wirtschaft klassenübergreifend nur Nachteile verschaffe, stärkt die Schuldenbremse
die Verhandlungsposition des Kapitals gegenüber der Arbeit in dreifacher Hinsicht:
Erstens werden durch die Schuldenbremse Sozialausgaben gekürzt und die Ausgaben für
öffentliche Güter eingespart, wie man derzeit etwa an den Bürgergeld-Kürzungen der
Ampelkoalition sieht. Dadurch wird die Marktabhängigkeit von Arbeiter*innen erhöht.
Das bedeutet, dass Arbeiter*innen ihre Bedürfnisse im geringeren Ausmaß durch die
Inanspruchnahme von Sozialleistungen und von (meist vergünstigten oder kostenlosen)
öffentlichen Dienstleistungen decken können. Um ihre Bedürfnisse dennoch zu
befriedigen, werden Arbeiter*innen abhängiger vom Einkommen, das sie aus dem Verkauf
ihrer Arbeitskraft auf dem Arbeitsmarkt erzielen. Dadurch sinkt der Reservationslohn,
d.h. die Mindesthöhe des Lohns, zu dem ein Arbeitnehmer gerade noch bereit ist, seine
Arbeitskraft zu verkaufen. Damit sinkt das Lohnniveau und steigen die Profite der
Kapitalist*innen. Die Arbeiterschaft wird durch die verstärkte Marktabhängigkeit
zudem diszipliniert und Arbeitskämpfe werden im Keim erstickt, was die Autorität der
Kapitalist*innen stärkt.
Zweitens verhindert die Schuldenbremse eine Wirtschaftspolitik, die für
Vollbeschäftigung sorgt. Das bedeutet, dass der Staat durch die Schuldenbremse stark
eingeschränkt wird, öffentliche Investitionen zu tätigen und den Massenkonsum zu
subventionieren, um dadurch die effektive Nachfrage bis zu einem Punkt zu steigern,
an dem Vollbeschäftigung erreicht sein würde. Wie der polnische, von Karl Marx und
John Maynard Keynes beeinflusste Ökonom Michał Kalecki allerdings bemerkte,¹ würde
durch eine Politik der Vollbeschäftigung die disziplinierende Wirkung von
Arbeitslosigkeit auf die Arbeiter*innenklasse verloren gehen. Die Drohung des Chefs,
jemanden bei allzu laxer Arbeitsmoral „aufs Pflaster zu werfen“, wäre bei
Vollbeschäftigung, bei der Arbeiter*innen ohne viel Mühe einen anderen Arbeitsplatz
finden würden, nicht sehr wirkungsvoll. Die Schuldenbremse ist damit wiederum der
bester Garant für die Aufrechterhaltung der Autorität von Kapitalist*innen in ihren
Betrieben. Auch würde mit Vollbeschäftigung die Streikbereitschaft der Arbeiter*innen
steigen. Steigende Löhne und sinkende Profite wären die Folge, was ebenfalls nicht im
Klasseninteresse der Kapitalist*innen liegt.
Drittens schränkt die Schuldenbremse ganz allgemein die Handlungsfähigkeit des
Staates ein und macht staatliche Wirtschaftspolitik abhängiger von den Wünschen der
Kapitalist*innen. In einer Rezession wird dem Staat durch die Schuldenbremse die
Möglichkeit genommen, durch öffentliche Investitionen und Ankurbelung des
Massenkonsums die Krise zu überwinden. Stattdessen muss der Staat die Bedingungen für
private Investitionen verbessern. Dies gibt den Kapitalist*innen eine mächtige
indirekte Kontrolle über die Regierungspolitik. Die Schuldenbremse zwingt die
Politiker*innen in Regierungsverantwortung automatisch nach der Pfeife des Kapitals
zu tanzen.
Darüber hinaus gibt es aus Sicht der Kapitalist*innenklasse auch gute Gründe für eine
Abschaffung der Schuldenbremse:
Erstens wird der Staat durch die Schuldenbremse in seiner Rolle als ideeller
Gesamtkapitalist eingeschränkt. Kapitalist*innen sind in vielerlei Hinsicht von einer
gut funktonierenden öffentlichen Infrastruktur abhängig sowie von – zumeist in
öffentlichen Bildungseinrichtungen – ausgebildeten Arbeitskräften. Eine mangelnde
öffentliche Infrastruktur wirkt als Bremse fürs private Geschäft.
Zweitens verhindert die Schuldenbremse öffentliche Investitionen in die ökologische
Transformation der Wirtschaft. Wie der Brandbrief von 50 namhaften deutschen
Unternehmen (u.a. Puma, Rossmann, Telekom und Thyssenkrupp) vom Januar 2024 zeigt,
haben Teile der Kapitalist*innenklasse ein Interesse an einem klimafreundlichen Umbau
der Wirtschaft. Dies tun sie aber nicht aus schlechtem Gewissen, sondern weil der
„Standort Deutschland“ in Bezug auf klimafreundliche Technologien in der
internationalen Konkurrenz abgehängt zu werden droht, wie der Verweis auf die
Vereinigten Staaten und China im Brandbrief zeigt, die „gewaltige Summen in die
Transformation“ investierten. Die unterzeichnenden Unternehmen fordern daher eine
„Weiterentwicklung der Schuldenbremse“, also eine Aufweichung dieser, wenngleich
nicht ihre Abschaffung.²
Drittens kann eine Politik, die auf eine Stärkung der Kaufkraft abzielt – die aber
durch die Schuldenbremse verhindert wird – insbesondere in Zeiten einer Rezession den
Unternehmen dabei helfen, ihren Absatz zu steigern. Davon profitieren insbesondere
Branchen, die unmittelbar für den Konsum produzieren. Es gilt allerdings zu beachten,
dass eine Stärkung der effektiven Nachfrage auch zu steigenden Löhnen auf Kosten der
Profite führt, wie oben erläutert. Insbesondere in einer exportorientierten
Wirtschaft wie der deutschen hat eine Stärkung der Binnennachfrage allein den
negativen Effekt auf die Kapitalist*innen, dass steigende Löhne die Profite
auffressen, ohne dass dadurch der Absatz gestärkt werden würde. Das liegt daran, dass
sich die Nachfrage für diese exportorientierten Industrien nicht im Inland, sondern
im Ausland befindet. Diese widersprüchliche Interessenkonstellation des Kapitals kann
auch historisch anhand des New Deal in den Vereinigten Staaten aufgezeigt werden, der
ein in der Geschichte der USA einmaliges Programm zur Steigerung der Massenkaufkraft
darstellte. Während nämlich insbesondere die Kapitalist*innen der konsumorientierten
Wirtschaftszweige, wie der Elektronik- und Bekleidungsindustrie, den keynesianischen
New Deal unterstützten, gehörten die Kapitalist*innen der arbeitsintensiven
Industrien, die von Lohnsteigerungen am meisten negativ betroffen waren, tendenziell
zu den Gegner*innen der Politik Roosevelts.³
Strategie gegen die Schuldenbremse
Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass eine antizyklische Investitionspolitik in
Zeiten einer Rezession gegen rechts hilft. Während in Deutschland die
Weltwirtschaftskrise mit einer rabiaten Sparpolitik unter dem Reichskanzler Heinrich
Brüning beantwortet wurde und so dem Faschismus den Weg bereitete, gelang es
fortschrittlichen Kräften in den USA 1932 das Ruder herumzureißen. Durch ein
Klassenbündnis, das die Arbeiter*innenklasse in Form von Gewerkschaften und Teile der
Kapitalist*innenklasse umfasste, wurde unter der Präsidentschaft Franklin D.
Roosevelts der New Deal umgesetzt – ein umfassendes Investitionsprogramm in Arbeit,
Kultur, Bildung und Infrastruktur. Er erwirkte enorme Lebensverbesserungen für viele
Arbeiter*innen. Auch Teile der Kapitalist*innenklasse profitierten von einer Stärkung
der Massenkaufkraft. Damit wurde ein Weg aus der Krise aufgezeigt, der sich von der
Sparpolitik Brünings abhob und den Aufstieg faschistischer Bewegungen entgegenwirkte.
Auch heute kann eine solche Politik, die auf die Stärkung der Massenkaufkraft
abzielt, die Unzufriedenheit in breiten Teilen der Bevölkerung verringern. Damit wird
der AfD, die diese Unzufriedenheit für ihre rassistische Politik instrumentalisiert,
das Wasser abgegraben.
Weil die Kapitalist*innenklasse bei der Schuldenbremse gespalten ist, macht es für
uns als Sozialist*innen Sinn, in dieser Frage eine „Volksfrontstrategie“ zu
verfolgen. Das bedeute, dass wir bei Bündnissen gegen die Schuldenbremse neben
Gewerkschaften, Sozialverbänden und anderen Akteur*innen, die die Interessen von
Arbeiter*innen vertreten, auch die Teile der Kapitalist*innenklasse mit ins Boot
holen, die auf eine Aufweichung oder Abschaffung der Schuldenbremse hinwirken. Wie
Karl Marx und Friedrich Engels im „Manifest der Kommunistischen Partei“ schrieben,
erringt die Arbeiter*innenklasse reformerische Erfolge in ihrem Sinne auch dadurch,
„indem sie die Spaltungen der Bourgeoisie unter sich benutzt.“⁴
Zugleich hat die jahrzehntelange ideologische Indoktrination durch Politik und Medien
eine Situation geschaffen, in der ein Großteil der Bevölkerung die Beibehaltung der
Schuldenbremse befürwortet. Um diesen Zustand zu bekämpfen braucht es neben einer
klugen Bündnispolitik auch eine umfassende ökonomische „Alphabetisierung“ der
Bevölkerung und den Aufbau einer überzeugenden Gegenerzählung zur Metapher der
„schwäbischen Hausfrau“ für öffentliche Haushalte.
In linken Kontexten müssen wir zudem der keynesianisch inspirierten Erzählung
entschieden entgegentreten, wonach das Festhalten an der Schuldenbremse und eine
Sparpolitik irrational sei, weil dies der Wirtschaft klassenübergreifend nur
Nachteile verschaffe. Diese Erzählung ignoriert den Klassenwiderspruch und die
Tatsache, dass Austeritätspolitik allgemein die Verhandlungsposition der Arbeit
gegenüber dem Kapital schwächt.
—–
Anmerkungen:
¹ vgl. Kalecki, Michał [1943] (2018): Political Aspects of Full Employment.
jacobin.com. Online verfügbar unter:
https://jacobin.com/2018/05/political-aspects-of-full-employment-kalecki-job-
guarantee, zuletzt geprüft am 11.02.2024
² Zitate aus: Stiftung KlimaWirtschaft (2024): Die Transformation als
Jahrhundertprojekt. Was die Wirtschaft von der Politik braucht. klimawirtschaft.org.
Online verfügbar unter:
https://klimawirtschaft.org/publikationen/positionen/unternehmensappell2024, zuletzt
geprüft am 11.02.2024
³ vgl. Phillips-Fein, Kim (2009): Invisible Hands. The Businessmen’s Crusade Against
the New Deal. New York, London: W. W. Norton, Kapitel 1: Paradise Lost [ebook]
⁴ MEW 4, S. 471
Beschluss des XVI. Bundeskongresses II. Tagung vom 23.-24. Februar 2024
Die linksjugend [’solid] erkennt an, dass Antisemitismus in unserer Gesellschaft seit
Jahrhunderten verankert ist. Viele unserer Vorfahren tragen Schuld, dass dieser
Antisemitismus im unvergleichlichem Verbrechen am jüdischen Volk, der Shoa, gipfelte.
Mit dem Sieg über den deutschen Faschismus wurde der Antisemitismus keineswegs
überwunden. Antisemitische Verschwörungserzählungen beschränken sich nicht auf
neonazistische Kleingruppen, sondern stoßen in vermeintlich über politischen
Massenbewegungen auf breite Akzeptanz. Im Kontext des eskalierenden Nahostkonfliktes
werden jüdische Menschen immer häufiger angegriffen und für die Politik des
israelischen Staates verurteilt. Doch genau weil der gesellschaftliche Antisemitismus
so anpassungsfähig und perfide ist, können seine Ausprägungen nicht erschöpfend
aufgezählt werden.
Als antifaschistischer Jugendverband verstehen wir es als unsere historische und
politische Verantwortung, den gesellschaftlichen Antisemitismus in allen seinen
Erscheinungsformen anzugreifen. Dieser Verantwortung können wir aber nur dann gerecht
werden, wenn wir fähig sind, einen kontinuierlich veränderlichen und oft verdeckt
auftretenden Antisemitismus als solchen zu erkennen und zu benennen. Voraussetzung
dafür ist eine robuste und akademisch anerkannte Antisemitismusdefinition.
Als linksjugend [’solid] setzen wir unserer Analyse und Kritik von Antisemitismus
deswegen die Jerusalemer Erklärung zum Antisemitismus (JDA) zur Grundlage. Die JDA
wurde von Antisemitismusforscher:innen entwickelt, und wird von vielen renommierten
Wissenschaftler:innen unterstützt. Ziel der JDA ist es, eine präzise
Antisemitismusdefiniton zu liefern, und anhand von Beispielen aufzuzeigen, welche
Aussagen und Handlungen, auch im Kontext des Nahostkonfliktes, in jedem Fall
antisemitisch sind, und welche nicht. Die Verfasser:innen und Unterstützer:innen der
JDA vertreten unterschiedliche Positionen zum Nahostkonflikt. Ziel der JDA ist es
nicht, in diesem Konflikt eine bestimmte Position vorwegzunehmen, sondern die
Antisemitismusdefinition gegen Missverständnisse, Unklarheiten und politische
Instrumentalisierung abzusichern.
Als pluralistischer Jugendverband ist es uns wichtig, dass wir Räume schaffen, in dem
junge Menschen miteinander Diskutieren, und ihre eigene Position herausbilden können.
In diesen Räumen müssen inakzeptablen Aussagen klare Grenze gesetzt werden, und diese
Grenzen begründet werden. Auf Grundlage der JDA können wir diesem Anspruch in Bezug
auf Antisemitismus gerecht werden. Innerhalb dieser Grenzen hindert die JDA uns nicht
daran, individuell und als Verband politische Positionen zu beziehen und nach außen
zu vertreten, und unser Ziel ist es weiterhin unsere Positionierung selbstkritisch
und kontinuierlich zu reflektieren, und gemeinsam an aktuelle Entwicklungen angepasst
auszuarbeiten.
Die gesamte Jerusalemer Erklärung auf Deutsch:
https://jerusalemdeclaration.org/wp-content/uploads/2021/03/JDA-deutsch-final.ok_.pdf
Website der Jerusalemer Erklärung zum Antisemitismus auf Englisch, inklusive der
Unterzeichner:innen:
https://jerusalemdeclaration.org/
Beschluss des XVI. Bundeskongresses II. Tagung vom 23.-24. Februar 2024
Die schrecklichen Ereignisse in Israel und Palästina, die uns in den vergangenen
Monaten tief erschüttert und bewegt haben, zeigen einmal mehr, dass ein „Weiter so!“
unmöglich ist. Solange es keine grundlegende Lösung gibt, die die Interessen aller
Bevölkerungsgruppen in Israel und Palästina berücksichtigt, wird es immer wieder zu
Gewalt und Leid in unerträglichem Ausmaß kommen. Gleichzeitig verstärkt der Israel-
Palästina-Konflikt autoritäre Tendenzen im Inneren von Israel und Palästina und trägt
zur wachsenden Dominanz der extremen Rechten in beiden Gebieten bei. Ohne eine Lösung
des Konflikts sind dem Kampf für Demokratie, Emanzipation und soziale Gerechtigkeit
sowohl in Israel als auch in Palästina immer Grenzen gesetzt.
Die Linksjugend [‘solid] stellt fest:
1. Forderungen, die auf die Vertreibung entweder der jüdischen oder der
palästinensischen Bevölkerung hinauslaufen, sind zutiefst menschenfeindlich.
Keine politische Lösung, die massenhafte Vertreibung der derzeit dort lebenden
Menschen aus der Region voraussetzt, wird Frieden und Gerechtigkeit bringen.
2. Seit der Gründung des Staates Israel war die palästinensische Bevölkerung
stets Subjekt einer gewalttätigen und entwürdigenden Politik. Die
menschenverachtende Politik der aktuellen extrem-rechten Israelischen Regierung
findet angesichts der Massakrierung und Vertreibung von Millionen
Palästinensern im Gazastreifen einen Höhepunkt. Das riesige Ausmaß an Tod und
Zerstörung in der Enklave betont die Wichtigkeit einer humanen und friedlichen
Lösung des Konfliktes.
3. Sowohl Zionismus als auch palästinensische Nationalbewegung knüpfen an reale
Unterdrückungserfahrungen der jüdischen bzw. der palästinensischen Bevölkerung
an. Sowohl Israelis als auch Palästinenser:innen bauen ihre nationale Identität
auf eine lange Geschichte von Präsenz in der Region auf. Wie jeder Nationalismus
auf der Welt sind auch die jeweiligen Nationalismen hier teilweise mythologisch
aufgeladen und interpretieren Geschichte stromlinienförmiger, als sie ist, aber
beide nationalen Identitäten können an eine reale Geschichte von Präsenz in und
Vertreibung aus der Region, die heute Israel und Palästina bildet, anknüpfen.
4. Es gibt sowohl in Israel als auch in Palästina bei der überwältigenden Mehrheit
jeweils die Forderung danach, einen eigenen israelischen bzw. palästinensischen
Staat zu haben. Ökonomisch hat man es mit zwar eng verflochtenen Gebieten zu
tun, zwischen denen aber in Bezug auf Einkommen, Vermögen, Infrastruktur und
Wirtschaftsstruktur ein gigantischer Graben liegt. Weder eine Ein-Staaten-Lösung
noch zwei Staaten, die ihre Angelegenheiten vollkommen getrennt behandeln,
scheinen also materiell lebensfähig zu sein.
5. Israel und Palästina sind beide Länder, in denen verschiedene Klassen um die
Macht ringen, in denen es verschiedene ethnische Gruppen mit anderen
Hintergründen gibt und in denen verschiedene politische Programme – sowohl
generell als auch bezogen auf die Lösung des Nahostkonflikts – miteinander
konkurrieren. Eine Positionierung zum Konflikt, die Nationen nicht als
historisch entstandene Konstrukte, sondern als einheitlich handelnde Kollektive
auffasst, wird der Realität also nicht gerecht.
Die Linksjugend [‘solid] beschließt deshalb:
1. Wir stehen für Selbstbestimmung, Sicherheit, Gerechtigkeit und Frieden in Israel
und Palästina ein. Diese Ziele können nicht auf militärischem Weg oder durch den
Sieg einer der kriegsführenden Strukturen errungen werden, sondern nur durch den
gemeinsamen Kampf der israelischen und palästinensischen Arbeiter:innenklasse
für eine politische Lösung des Konflikts und eine demokratische und soziale
Ordnung in der Region, die Selbstbestimmung und kollektive wie individuelle
Rechte von Israelis und Palästinenser:innen wahrt.
2. Wir treten deshalb als konkrete realpolitische Perspektive in der politischen
Auseinandersetzung für eine von der Bewegung vor Ort geforderte Zwei-Staaten-
Lösung ein. Neben einem demokratischen, souveränen Staat Israel steht bei dieser
auch ein demokratischer, souveräner Staat Palästina. Diese Staaten müssen jedoch
mit der Realität umgehen, dass sie in einem gemeinsamen Raum befinden und durch
enge Verbindungen geprägt sind. Eine völlige Separation in allen Fragen wäre
nicht machbar und würde zu weiterem Leid führen, weshalb Ansätze wie das „Two
States, One Homeland“-Konzept zu berücksichtigen sind, die die Zwei-Staaten-
Lösung mit konföderalen Elementen kombinieren. Grundsätzlich befürworten wir
alle Lösungen, die demokratischen Rückhalt genießen und die volle Gewährleistung
voller individueller und kollektiver Rechte garantieren. Diese müssen dabei
nicht auf einen staatlichen Rahmen innerhalb des momentanen politischen Systems
begrenzt sein.
3.Aufgrund der engen Verflechtungen zwischen Israel und Palästina und der
multiethnischen Realität auf diesem Gebiet braucht es in vielen Fragen
gemeinsame politische Institutionen, beispielsweise in der Frage der
Wasserversorgung, in wirtschaftlichen Fragen und bzgl. gemeinsamer
Sicherheitskonzepte.
4.Auch nach dem Erreichen einer Zwei-Staaten-Lösung werden weiterhin Menschen mit
palästinensischer Identität in Israel und Menschen mit israelischer Identität in
Palästina leben. Auch freundschaftliche und familiäre Bindungen werden nicht an
der Grenze stoppen. Es braucht deshalb Bewegungsfreiheit sowie
grenzüberschreitend gültige und durchsetzbare Rechte für alle Bewohner:innen von
Israel und Palästina. Diese Rechte müssen sowohl Freiheitsrechte und
demokratische Rechte als auch soziale Rechte umfassen. Zur Garantie der
grenzüberschreitenden Gültigkeit dieser Rechte könnte ein gemeinsamer
Gerichtshof eine mögliche Lösung sein.
5.Jerusalem als multikulturelle Stadt, die sowohl für Israelis als auch für
Palästinenser:innen eine große Bedeutung hat und Bezugspunkt für drei
Weltreligionen hat, muss für alle in der Region lebenden Menschen zugänglich
sein. Gemeinsame demokratische Institutionen zur Verwaltung der Stadt sind
essentiell dafür, hier Konflikte zu vermeiden.
6. Die Linksjugend [`solid] distanziert sich sowohl von der rechtsextremen und
menschenrechtsverletzenden Regierung Netanjahus, als auch von der jihadistischen
Terrororganisation der Hamas. Beide agieren reaktionär und handeln daher nicht
im Sinne der Arbeiter:Innen bzw. der Zivilbevölkerung in Israel bzw. in
Palästina und verdienen daher nicht die Solidarität Linker Bewegungen und
Organisationen. Unsere Solidarität gilt der Zivilbevölkerung in beiden Gebieten,
nicht den Regierungen.
Beschluss des XVI. Bundeskongresses II. Tagung vom 23.-24. Februar 2024
Inklusion ist ein Grundprinzip des Jugendverbandes. Menschen
mit Behinderungen chronischen Erkrankungen und andere Menschen
mit Inklusionsbedarf haben das Recht auf gleichberechtigte Teilhabe im Jugendverband.
Zur Verbesserung der Durchsetzung des Rechts auf gleiche Teilhabe beruft sich der XVII. Bundeskongress durch Wahl eine*n oder zwei Inklusionsbeauftragte auf eine Amtszeit von zwei Jahren. Eine etwaig innerhalb der Amtszeit erforderliche werdende Nachwahl ist möglich.
Die*der Inklusionsbeauftragte bzw. die Inklusionsbeauftragten ist/sind Ansprechpartner*in(nen) für Menschen mit Inklusionsbedarf.
Er*sie achtet im bzw. sie achten im Vorfeld von Veranstaltungen des Bundesverbandes in Absprache mit der Bundesgeschäftsstelle auf den Abbau von Barrieren und steht/stehen im Austausch mit dem Bundessprecher*innenrat und den Landesverbänden. Er*sie berichten bzw. sie berichten dem Länderrat.
Zum Ablauf der zweijährigen Amtszeit wird das Amt evaluiert. Der Verband berät je nach Ergebnis der Evaluation eine Verstetigung des Amtes durch Satzungsänderung.
Beschluss des XVI. Bundeskongresses II. Tagung vom 23.-24. Februar 2024
Nach den Enthüllungen über das Potsdamer Treffen diverser rechter Akteure, darunter
auch Mitglieder der CDU, in denen groß angelegte Pläne zur Ausbürgerung und
Deportation von Personen mit Migrationshintergrund ausgearbeitet wurden, hat es
diverse Massendemonstrationen in der ganzen BRD gegeben. Ihr Anliegen ist in Teilen
diffus. Sie wenden sich unter anderem “gegen rechts”, gegen Abschiebungen oder für
ein Verbot der AfD durch die staatlichen Behörden.
Was klar sein sollte: Die Pläne der AfD und des rechten Flügels der CDU sind in ihrem
Ausmaß erschreckend und sie sind weitergehend als die bisherigen Pläne der
Regierungsparteien und der CDU. Sie reihen sich allerdings ein in eine Tradition der
rassistischen Grenz- und Migrationspolitik, die letztens mit den GEAS-Reformen und
der Verabschiedung des “Rückführungsverbesserungsgesetzes” deutlich wurde. Wenn also
jetzt Mitglieder der regierenden Parteien gegen „Remigration“ auf die Straße gehen,
dann ist das nicht nur verlogen und heuchlerisch, sondern auch gefährlich. Es
normalisiert die gegenwärtige Praxis von Abschiebungen und legitimiert sie als Teil
des bürgerlichen Rechtsstaates. So erscheint es für Bürgerliche und Liberale, als ob
zwischen einer „normalen“ Abschiebung und einer Deportation, wie Teile der AfD sie
nun immer offener diskutieren, Welten liegen. Tatsächlich war es jedoch die
Unionsfraktion im Bundestag, die unlängst unter Heranziehung schwammiger Kriterien
eine erleichterte Ausbürgerung von Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft offen
forderte und hierfür Zuspruch erhielt [1].
Dies alles ist Resultat einer seit Jahrzehnten andauernden rassistischen Kampagne,
die die Angst vor einer “Asylflut“ und einer dementsprechenden „Überforderung“
deutscher Behörden und der Bevölkerung schürt, wie etwa zahlreiche Cover des Magazins
„Der Spiegel“ aus der Zeit seit 1992 [2] oder hetzerische Berichte der Bild-Zeitung
belegen. Diese Form der Berichterstattung zusammen mit den Forderungen der
“Begrenzung“ von Migration aus verschiedensten Parteien schafft ein gefährliches
Klima für Migrant*innen und Geflüchtete. 2023 haben die Angriffe auf Geflüchtete im
Vergleich zum Vorjahr stark zugenommen. In den ersten drei Quartalen von 2023 gab es
1515 dieser Angriffe (1371 im gesamten Jahr 2022) [3].
Dass auch ehemals für ihre Solidarität mit Geflüchteten bekannte Parteien wie die
Grünen nun eine solche Politik mittragen, verdeutlicht die Macht dieses Narrativs und
seine Übernahme durch vermeintlich progressive Akteure.
Zur Bekämpfung der rassistischen Gewalt müssen wir an die Ursache gehen. Die
Migrationspolitik Deutschlands und der EU ist geprägt von rassistischer Selektion.
Migrant*innen werden von den Staaten der EU auf diverse Weise entmenschlicht. Kern
dieser Entmenschlichung ist ihre ökonomische Verwertung.
Dass auch ehemals für ihre Solidarität mit Geflüchteten bekannte Parteien wie die
Grünen nun eine solche Politik mittragen, verdeutlicht die Macht dieses Narrativs und
seine Übernahme durch vermeintlich progressive Akteure.
Zur Bekämpfung der rassistischen Gewalt müssen wir an die Ursache gehen. Die
Migrationspolitik Deutschlands und der EU ist geprägt von rassistischer Selektion.
Migrant*innen werden von den Staaten der EU auf diverse Weise entmenschlicht. Kern
dieser Entmenschlichung ist ihre ökonomische Verwertung.
Neben der Prekarisierung findet auch eine extreme Illegalisierung statt. Mit
zunehmender Verschärfung der Gesetze leben Menschen in Angst vor Abschiebung und vor
rassistischen Polizeikontrollen, beispielsweise wenn in migrantisch geprägten
Stadtteilen zusätzliche Polizeiwachen eingerichtet werden oder verstärkte Kontrollen
stattfinden.
Auf der anderen Seite dienen Migrant*innen als permanente Drohkulisse, sie stellen
das „Fremde“ dar. Dies zeigt sich immer wieder in den Debatten um eine „Leitkultur“,
um „importierten Antisemitismus“ oder über den „Zusammenbruch“ des Asyl-Systems.
Implizit oder explizit wird deutlich, dass sie unerwünscht sind und entfernt werden
sollen.
Diese Doppelrolle dient dem Kapital insofern, dass sie Arbeiter*innen zur Verfügung
haben, die einerseits den Lohn drücken und andererseits zu schlechte Bedingungen
vorfinden, um sich als Arbeiter zu organisieren. Zu dieser Bekämpfung des
Klassenbewusstseins durch die Kapitalisten zählen auch die geschürten Ängste. Nur
durch ein starkes Klassenbewusstsein kann dieses Spiel entlarvt werden.
Als sozialistischer und antirassistischer Verband ist unser Ziel die Überwindung des
Kapitalismus und der damit einhergehenden (Über-)Ausbeutung und Diskriminierung.
In seinem Weg an die Macht greift der Faschismus dabei die vom Kapitalismus notwendigerweise ausgehende Unzufriedenheit auf, beschränkt sich dabei jedoch nicht auf eine bestimmte Form der Diskriminierung. Heutzutage dienen dem Faschismus besonders Migrant*innen und von antimuslimischen Rassismus Betroffene als Sündenböcke. In erster Linie zielt der Faschismus damit darauf ab eine Heimatfront zur totalen Durchsetzung der imperialistischen Ziele zu schaffen. Weitergehend müssen wir als Sozialist*innen und Antifaschist*innen einen tiefergehenden Diskurs über die Faschismusanalyse und die notwendigen Formen des Antifaschismus führen. Bürgerliche Faschismusanalysen lehnen wir ab, denn sie relativieren den Wirtschafts- und Außenpolitik, die sie zusammen mit den westlichen Staaten durchsetzt
ein wesentlicher Akteur bei der Entstehung von Krisen und Fluchtursachen. Im
Kapitalismus sind Kriege, Flucht und Vertreibung traurige Normalität. Migration und
Flucht sind aber darüber hinaus ein in der Geschichte kapitalistischer Staaten immer
dagewesenes Phänomen. Wir wehren uns gegen die Instrumentalisierung von Menschen, die
ein besseres Leben suchen, egal ob sie vor Krieg, Klimakatastrophen oder Armut
fliehen.
Stattdessen müssen wir die kollektive Absicherung besserer Lebensgrundlagen entgegen
der Verwertungslogik garantieren, entgegen den ökonomischen Zwängen und der
rassistischen Logik im kapitalistischen System. Bis dahin müssen wir uns für eine
Erhaltung und Ausweitung des Asylrechts einsetzen. Für Geflüchtete und Migrant*innen
müssen eine geeignete Aufnahme und der Zugang zu Bildung und Arbeit sowie die
Voraussetzungen dazu, Bleibe, Versorgung, Sprache, usw. umfassend gewährleistet
werden.
Auch die Friedenspolitik als intrinsischer Teil der Bekämpfung von Fluchtursachen
müssen wir in den Blick nehmen. Schlussendlich darf das Ziel hierbei nicht eine
nationale Abschottung sein, sondern die Überwindung nationalistischer und
chauvinistischer Narrative und die Förderung eines proletarischen Internationalismus,
der die Grenzen der Nationalstaaten überwindet. Denn unsere kollektive Befreiung
können und werden wir nur gemeinsam erkämpfen!
[1] https://www.zeit.de/politik/deutschland/2023-11/csu-herrmann-doppelte-staatsbuergerschaft-aberkennung-straftaten
[2] https://uebermedien.de/88481/wie-der-spiegel-sich-aus-einem-foto-sein-bedrohliches-fluechtlings-cover-bastelte/
[3] https://www.tagesschau.de/inland/uebergriffe-gefluechtete-100.html