Solidarität mit den Gefangenen im Budapester Antifa-Prozess


Der Bundeskongress der linksjugend [’solid] erklärt seine Solidarität mit den angeklagten Genossinnen und dem verurteilten Genossen im Budapester Antifa-Prozess und fordert die sofortige Einstellung der Verfahren und die unverzügliche Rücküberstellung und Befreiung der Betroffenen. Eine Auslieferung weiterer Beschuldigter in Ungarn darf es nicht geben.

Drei Genoss:innen waren bei Protesten gegen den „Tag der Ehre“, einem der größten neonazistischen Aufmärschen Europas, festgenommen worden und werden seitdem von den ungarischen Behörden unter unmenschlichen Bedingungen gefangen gehalten. Die Staatsanwaltschaft versucht – teilweise erfolgreich – mit dem Inaussichtstellen jahrzehntelanger Haft unter menschenunwürdigen Bedingungen geständige Einlassungen der Angeklagten zu erpressen, die unter Einhaltung rechtsstaatlicher Verfahrensgrundsätze nie als Beweismittel verwertet werden dürfen. Währenddessen droht einer in Dresden inhaftierten Genossin die Auslieferung nach Ungarn.


Linksjugend [’solid] fordert: Freiheit für alle politischen Gefangenen!

Zur Unterstützung in Prozesskosten und solidarischer Verfahrensbegleitung stellt die linksjugend [’solid] dem Budapest Antifascist Solidarity Committee (BASC) 500€ aus ihrem Spendentopf zur Verfügung.

Zum Hintergrund des Prozesses siehe u.a. :

Matthias Monroy, Aufruhr wegen Budapester Antifa-Prozess, nd v. 31.1.2024, https://www.nd-aktuell.de/artikel/1179649.tag-der-ehre-aufruhr-wegen-budapester-antifa-prozess.html (abgerufen am 9.2.2024)

Carina Book, Ein verhängnisvolles Geständnis?, WOZ Nr. 6/2024 (8.2.2024), https://www.woz.ch/2406/antifa-in-budapest/ein-verhaengnisvolles-gestaendnis/!KBZ4BJAZSKMP (abgerufen am 9.2.2024).

Auf die Straße gegen die Kürzungspolitik!

Die Kürzungspolitik der Ampel verschärft den Rechtsruck, immer mehr Menschen bekommen mehr finanzielle Sorgen.
Dem wollen wir als linksjugend [’solid] uns entgegenstellen.
Der Bundeskongress beschließt deshalb die Durchführung eines bundesweiten Aktionstags im Mai oder Juni an dem die Basisgruppen und Landesverbände mit vom Bundesverband gestellten Material unterschiedlich große, kreative Aktionen bei sich vor Ort machen können.
Das konkrete Darum wird dabei vom Bundessprecher:innenrat zeitnah nach dem Bundeskongress festgelegt.
Der Bundessprecher:innenrat kann eine temporäre AG einberufen, die ihn bei der Vorbereitung des Aktionstages und der Erarbeitung von Materialien unterstützt.

Was tun gegen die AfD? – Faschismus und Antifaschismus gestern und heute


Durch die steigenden Umfrageergebnisse der AfD und die vom Journalist*innenkollektiv
 „Correctiv“ veröffentliche Recherche über ein Treffen von Vertreter*innen der AfD und
 Werteunion, Kapitalist*innen und Aktivist*innen der neuen Rechten, auf der über
 massenhafte Deportationen deutscher Staatsbürger*innen mit Migrationshintergrund
 phantasiert wurde, ist die Gefahr einer Faschisierung in Deutschland stärker in den
 öffentlichen Diskurs gerückt. Vielerorts gab es daraufhin große Proteste gegen die
 AfD. In der linken Debatte bleibt aber unklar, wie eine kluge linke Strategie gegen
 Faschismus aussieht und wie man Faschismus genau versteht.

Was ist Faschismus?



Faschismus ist ein Sammelbegriff für verschiedene rechtsradikale Massenbewegungen,
 die in den letzten 100 Jahren – ausgehend vom italienischen Faschismus – entstanden
 sind, deren Ideologie sowie für die von diesen Bewegungen etablierten politischen
 Systeme. Ihrer sozialen Herkunft nach rekrutierte sich der Faschismus aus
 deklassierten und enttäuschten Teilen aller Klassen, dabei insbesondere aus dem
 Kleinbürgertum, das besonders von Krise und sozialem Abstieg bedroht war.
 Faschistische Ideologie war durch extremen Nationalismus, Antikommunismus,
 Militarismus sowie Ethnozentrismus geprägt, der die Form von Rassismus und/oder
 Antisemitismus annehmen konnte. Faschisten konstatierten eine nationale Krise,
 hervorgerufen durch eine Niederlage der eigenen Nation in der internationalen
 Staatenkonkurrenz und/oder durch die Einebnung althergebrachter gesellschaftlicher
 Hierarchien. Zur Überwindung dieser Krise propagierten Faschisten eine nationale
 Wiedergeburt. Der Faschismus unterschied sich von anderen Formen extrem rechter
 Politik durch seinen massenpolitischen Charakter, seine umstürzlerische Strategie und
 seine scheinrevolutionäre und pseudo-antikapitalistische Rhetorik. Die
 Organisationsstruktur der faschistischen Partei war durch das Führerprinzip
 gekennzeichnet und sie verfügte über paramilitärische Kampfbünde. Der Faschismus als
 Herrschaftssystem mündete stets in der Zerschlagung der Arbeiter*innenbewegung mit
 terroristischen Mitteln, die Vernichtung der bürgerlichen Demokratie mit allen ihren
 Rechten und Freiheiten, der Unterdrückung jedweder Opposition – auch der bürgerlichen
 – und der vollständigen Unterwerfung der Lohnabhängigen unter das Kommando von
 Kapitalist*innen und Großgrundbesitzer*innen. In der fortgeschrittenen Phase
 faschistischer Herrschaft fand eine Verschmelzung der Eliten von Industrie, Banken,
 Militär und Beamtenschaft mit der Führungsgruppe der faschistischen Partei statt.

Faschistische Bewegungen entstanden in historischen Situationen, die sich in
 vielerlei Hinsicht von der heutigen Situation unterscheiden. Der Klassencharakter,
 die Ideologie und Praxis von Parteien wie der AfD weisen neben Gemeinsamkeiten auch
 viele Unterschiede zum historischen Faschismus auf. Eine Analyse des historischen
 Faschismus kann uns aber dabei helfen, strategische Schlussfolgerungen für den Kampf
 gegen die AfD zu ziehen.

Analyse des historischen Faschismus

Der Vergleich zwischen dem italienischen und deutschen Fall verdeutlicht den Kontrast
 zwischen zwei grundsätzlich verschiedenen Typen von historischen Situationen, in
 denen der Faschismus an die Macht gelangte:

Die Arbeiter:innenbewegung in Italien fand sich nach dem ersten Weltkrieg in einer
 Position der besonderen Stärke. Ein Konjunkturaufschwung führte zu niedriger
 Arbeitslosigkeit und infolgedessen zu hoher Streikbereitschaft und steigenden Löhnen.
 Die Arbeiter*innenbewegung führte einen – mit Antonio Gramsci gesprochen –
 Bewegungskrieg und befand sich in einer Offensive des Klassenkampfes. Der Bestand des
 kapitalistischen Herrschaftssystem war ernsthaft durch eine militante
 Arbeiter*innenbewegung gefährdet. In dieser Situation kam der Faschismus in Form
 einer unmittelbaren Reaktion der Kapitalist*innen und Großgrundbesitzer*innen zur
 Rettung des kapitalistischen Systems. Paramilitärische Kampfbünde vor allem
 kleinbürgerlicher Klassenherkunft wurden von den herrschenden Klassen unterstützt, um
 die Arbeiter*innenbewegung terroristisch niederzuschlagen.

In Deutschland hingegen kam der Faschismus in einer Situation der relativen Schwäche
 der Arbeiter*innenbewegung an die Macht, bei der gleichzeitig der bürgerlich-liberale
 Status Quo durch eine vom Kapitalismus verursachte schwere Wirtschaftskrise ins
 Wanken geriet. Hohe Arbeitslosigkeit, infolgedessen niedrige Streikbereitschaft und
 sinkende Löhne – verstärkt durch die Austeritätspolitik einer bürgerlichen Regierung
 – führten zu einer schwachen Verhandlungsposition der Arbeit gegenüber dem Kapital.
 Die Arbeiter*innenbewegung befand sich in einem Stellungskrieg und in der Defensive.
 In dieser Situation, in der zugleich eine glaubhafte Alternative von links fehlte, da
 die SPD sich zum Teil an der katastrophalen Austeritätspolitik beteiligte und die KPD
 selbst zu schwach war, um das kapitalistische System zum Umsturz zu bringen, sowie
 unwillens war, die Austeritätspolitik auf reformerischem Wege zu beenden, konnte der
 Faschismus die in breiten Teilen der Bevölkerung herrschende Unzufriedenheit für
 seine Agenda nutzen und so vor allem durch parlamentarische Wahlen und weniger durch
 Gewalt an Bedeutung gewinnen. An die Macht gelangte der Faschismus in Deutschland
 schließlich durch ein Bündnis der faschistischen Partei mit den alten Eliten aus dem
 Militär, der Großgrundbesitzer*innenklasse sowie Teilen der Kapitalist*innenklasse.

Insbesondere in Krisensituationen schafft es der Faschismus durch ein
 scheinrevolutionäres Programm aus deklassierten und enttäuschten Teilen aller Klassen
 Anhänger*innen zu rekrutieren. Dabei arbeiten Faschisten mit einer Rhetorik, die ein
 „Wir“ und ein „die Anderen“ konstruiert und soziale Unterschiede innerhalb des „Wir“,
 innerhalb der „Volksgemeinschaft“, zu überwinden verspricht. Anstatt beispielsweise
 als Arbeiter*innenklasse gegen Ausbeutung zu kämpfen, verspricht man eine ideelle –
 nicht aber materielle – Einebnung des Klassengegensatzes zum Zweck des gesteigerten
 Erfolgs der Nation in der Staatenkonkurrenz. Dadurch politisiert der Faschismus
 Unzufriedenheit ganz anders als linke Klassenpolitik, kanalisiert die Wut weg vom
 eigenen Chef hin zu als fremd und bedrohlich dargestellten Gruppen und tastet die
 kapitalistische Ordnung und die bürgerliche Herrschaft nicht an. Linke Klassenpolitik
 versucht stattdessen, individuelle Unterdrückungs- und Ausbeutungserfahrungen in den
 Kontext einer grundlegenden Systemkritik einzubetten.

Ideologisch zeichnet sich der Faschismus durch ein naturalistisches und
 antirationales Bild vom Menschen und der Welt aus: Herrschafts- und
 Ausbeutungsverhältnisse werden von Faschisten nicht als geschichtlich geworden, von
 Menschen gemacht und somit als veränderbar verstanden, sondern als ewig, von Natur
 aus gegeben und damit als unhinterfragbar aufgefasst. Der Faschismus propagiert, eine
 „natürliche Ordnung“ zu schaffen, in der jede und jeder dem von der Natur aus
 vorbestimmten Platz in der sozialen Hierarchie zugeordnet wird. Er bedient sich in
 seiner Rhetorik eines – mit Ernst Bloch gesprochen – „Wärmestroms“, der an die
 Gefühle der Menschen und populäre Mythen anknüpft, im Gegensatz zu einem
 „Kältestrom“, der an die menschliche Vernunft appelliert. Diese naturalistische und
 antirationale Ideologie verknüpft der Faschismus mit einer hochmodernen
 Organisationsform und einem ausgesprochen ausgefeilten Zweckrationalismus in
 Strategie und Taktik.

Aktuelle Lage


Mit der AfD hat sich eine Partei mit faschistischem Potential in der deutschen
 Parteienlandschaft etabliert. Anfangs beschworene Brandmauern wurden allmählich
 aufgegeben, was erste Kooperationen auf Kommunal- und Landesebene zeigen, wie bspw.
 die Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten in Thüringen mit
 AfD-Stimmen. Die AfD ist der parlamentarische Arm der radikalen Rechten und trägt
 ihre Positionen in die Parlamente, was verschiedene personelle Überschneidungen zur
 neuen Rechten in Europa wie der „Identitären Bewegung“ zeigt.

Die AfD weist sowohl Gemeinsamkeiten als auch erhebliche Unterschiede zum
 historischen Faschismus auf. Vom historischen Faschismus unterscheidet sie sich
 dadurch, dass sie ihre Wähler*innen nicht mehr vor allem im Kleinbürgertum findet,
 das im Gegensatz zur ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts demographisch keinen
 relevanten Teil der Bevölkerung mehr ausmacht. Stattdessen wählen vor allem
 Arbeiter*innen die AfD – nicht selten solche, die von sozialem Abstieg bedroht sind
 oder bereits sozial abgestiegen sind, wie die hohen Wahlerfolge der AfD in
 strukturschwachen Regionen zeigen. Das kleinbürgerliche Element lässt sich allein
 noch im Führungspersonal der AfD erkennen, das sich überwiegend aus den bürgerlichen
 Mittelklassen rekrutiert, wie etwa aus Kleinunternehmer*innen (Tino Chrupalla),
 Vermögensverwalter*innen (Alice Weidel, Peter Boehringer), Rechtsanwält*innen
 (Stephan Brandner) und beamtete Lehrer*innen (Björn Höcke).

Wenngleich das wirtschaftspolitische Programm der AfD neoliberal geprägt ist und
 damit auf eine Kräfteverschiebung zugunsten des Kapitals und auf Kosten der Arbeit
 abzielt, hat der weit überwiegende Teil der Kapitalist*innenklasse im Gegensatz zum
 historischen Faschismus derzeit kein Interesse an einer Machtübertragung an die AfD.
 Insbesondere der nun in das öffentliche Bewusstsein gerückte Deportationsplan der
 AfD, der etwa ein Siebtel der Bevölkerung in Deutschland betreffen würde, ist nicht
 im Verwertungsinteresse des Kapitals, das in Zeiten von Arbeitskräftemangel dringend
 auch auf migrantische Arbeiter*innen angewiesen ist. Die euroskeptischen Positionen
 der AfD schrecken das Kapital ebenfalls ab, weil die deutsche Wirtschaft
 exportorientiert ist und daher den EU-Binnenmarkt als Absatz für ihre Waren braucht.
 Diese manifesten Unterschiede zwischen der AfD-Programmatik und den Interessen des
 Kapitals bedeuten aber keineswegs, dass sich die Kapitalist*innenklasse nicht mit der
 AfD arrangieren wird, wenn die AfD in Regierungsverantwortung kommt. Länder, in denen
 Parteien wie die AfD bereits an der Macht sind, wie etwa Ungarn oder Italien, zeigen
 aber, dass diese Parteien radikale Forderungen, die im direkten Widerspruch zu den
 Interessen des Kapitals stehen, schlichtweg nicht umsetzen. Auch verfügt die AfD über
 keine paramilitärischen Kampfbünde, die eine potentiell revolutionäre
 Arbeiter*innenbewegung terrorisiert, die es derzeit und auf absehbare Zeit nicht
 gibt. Geraten Parteien wie die AfD als stärkste Kraft dauerhaft in
 Regierungsverantwortung, kommt es bisher auch nicht zu schlagartigen Entmachtungen
 der Parlamente und zur sofortigen Kriminalisierung jeder Opposition. Vielmehr hat man
 es, wie etwa in Ungarn, mit einem schleichenden Prozess der autoritären Formierung
 von Staat und Gesellschaft sowie der Aushöhlung bürgerlicher und sozialer Rechte
 sowie rechtsstaatlicher Prinzipien zu tun, wenngleich die bürgerliche Demokratie ihre
 formelle Hülle beibehält. Die Gemeinsamkeiten mit dem historischen Faschismus
 beziehen sich vor allem auf die Ideologie – insbesondere den Ethnozentrismus – und
 die Art und Weise, wie soziale Unzufriedenheit politisiert und in systemkonforme
 Bahnen gelenkt wird.

Der Grund für die steigenden Umfrageergebnisse der AfD in den letzten Monaten sowie
 die damit verbundenen Wahlerfolge auf kommunaler und Landesebene liegen in der
 sozialen Krise, die wesentlich durch die Austeritätspolitik der regierenden
 Ampelkoalition verursacht wird. Diese Legitimitätskrise des hegemonialen Blocks
 vermag die politische Linke aufgrund interner Zankereien nicht zu füllen, sodass
 dieses Vakuum von rechts gefüllt wird. Als besonderes negatives Verdienst der
 Ampelkoalition muss hervorgehoben werden, dass sie es geschafft hat, jedweden
 Klimaschutz in breiten Teilen der Bevölkerung mit einer Verteuerung von Energie und
 Lebensmitteln in Verbindung zu bringen. Die AfD kann sich in den Augen breiter Teile
 der Bevölkerung gegenüber der katastrophalen Klima- und Wirtschaftspolitik der
 Ampelkoalition als glaubhafte Alternative inszenieren, indem sie eine Rückkehr zu
 fossilen Energieträgern propagiert und die menschengemachten Ursachen des
 Klimawandels leugnet. Auch die Existenzängste von Arbeiter*innen, die durch den
 möglicherweise erfolgenden Wegfall von Industriearbeitsplätzen aufgrund der
 ökologischen Transformation der Wirtschaft verursacht wird, sind ein gefundenes
 Fressen für die AfD.

Diese krisenhafte Situation alleine macht natürlich niemanden automatisch zum
 Rechtsradikalen – beim Prozess der Faschisierung spielen auch sozialpsychologische
 Prozesse eine Rolle. Für uns als politische Linke macht es jedoch Sinn, sich weniger
 auf die subjektiven Faktoren zu konzentrieren, sondern die begünstigenden
 gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zu bekämpfen.

Antifaschistische Strategie


Um unserem Anspruch als antifaschistischer Jugendverband gerecht zu werden, reicht es
 nicht aus, Nazis doof zu finden: Gegen rechts hilft am besten eine starke Linke, die
 die sozialen Ursachen, die für den Aufstieg der Rechten verantwortlich sind, wirksam
 bekämpft, statt sich nur auf moralische Appelle zu verlassen. Wir müssen deshalb am
 Aufbau einer starken, klassenkämpferischen Linken arbeiten.

Um die sozialen Ursachen des rechten Aufstiegs anzugehen, gilt es, die
 Austeritätspolitik der Ampelkoalition zu bekämpfen. Dazu müssen wir uns in aktuellen
 Klassenkämpfen für konkrete Verbesserungen und gegen die Kürzungspolitik einbringen.
 Langfristig müssen wir auch alle Institutionen angreifen, die eine Austeritätspolitik
 festschreiben. Dazu gehören die Schuldenbremse, ein ungerechtes Steuersystem, das vor
 allem auf die Besteuerung von Löhnen und Konsum statt auf große Vermögen und
 Kapitalrenditen abzielt, den Status der Europäischen Zentralbank als eine von
 demokratischer Kontrolle „unabhängigen“ Institution, die sich einseitig auf
 Preisstabilität fokussiert und den Kampf gegen Arbeitslosigkeit vernachlässigt, und
 ein reaktionäres Streikrecht, das es Arbeiter*innen verbietet, politische und wilde
 Streiks zu führen. Darüber hinaus müssen wir als radikale Linke eine systemische
 Kritik in die Bewegungen einbringen, welche über die Forderungen nach mehr
 Sozialstaat und ein Ende des Austeritätsregimes hinausgehen. Krisen sind dem
 Kapitalismus immanent, also kann am Ende nur eine Überwindung dieses krisenhaften
 Systems uns vor seinen potentiellen Folgen dauerhaft schützen.

Beim Klimaschutz darf die politische Linke das Soziale nicht vernachlässigen. Die
 beste Prävention gegen rechte Sozialdemagogie sind niedrige Lebensmittel- und
 Energiepreise. Wir dürfen Arbeiter*innen nicht das Gefühl vermitteln, dass ihnen mit
 Klimaschutz etwas weggenommen wird. Dieses Gefühl nämlich ist ebenfalls willkommener
 Nährboden für die AfD. Vielmehr gilt es, etwa durch eine Ausfinanzierung des
 öffentlichen Personenverkehrs Pendler*innen neue Formen des „öffentlichen Luxus“ zu
 ermöglichen. Insbesondere die Beteiligung an Kampagnen wie „Wir fahren zusammen“, die
 von der Gewerkschaft ver.di und der Klimagerechtigkeitsbewegung „Fridays for Future“
 initiiert worden ist, kann dafür einen wichtigen Beitrag leisten. Darüber hinaus
 müssen wir als politische Linke ein realistisches und sozialverträgliches Konzept zur
 ökologischen Transformation der Wirtschaft vorlegen, das die Verbindung zu den
 Arbeiter*innen und Gewerkschaften aktiv sucht, statt sich über diese hinwegzusetzen.
 Wenngleich sich die konkrete Tätigkeit von Arbeiter*innen ändern wird, muss unsere
 Botschaft lauten: Jeder Arbeitsplatz bleibt erhalten!

Obwohl es mit der Austeritätspolitik eine Gemeinsamkeit zwischen der aktuellen und
 historischen Wirtschaftslage gibt, die der NSDAP zur Macht verhalf, gibt es auch
 entscheidende Unterschiede, an die eine antifaschistische Strategie anknüpfen kann.
 Die im Gegensatz zur Situation Anfang der 1930er Jahre aktuell – trotz
 austeritätsbedingter Rezession – niedrige Arbeitslosigkeit und der
 Arbeitskräftemangel führt zu einer tendenziell vorteilhaften Verhandlungsposition der
 Arbeit gegenüber dem Kapital. Auch möchten Arbeiter*innen die Reallohnverluste durch
 die Inflation wieder wettmachen. Diese beiden Faktoren haben zu einer mächtigen
 Streikwelle geführt, die bis zum jetzigen Zeitpunkt anhält. Gewerkschaftliche Streiks
 führen Arbeiter*innen mit und ohne Migrationshintergrund durch gemeinsame
 Organisations- und Kampferfahrungen zusammen. Sie wirken damit einem rassistischen
 Bewusstsein, an das die AfD anknüpfen kann, entgegen. Durch die Unterstützung von
 Streikposten und – darüber hinaus – die Erarbeitung einer langfristigen Strategie,
 wie wir uns als Verband in Gewerkschaften und Arbeitskämpfe einbringen können, kann
 die Linksjugend [’solid] einen wichtigen Beitrag dazu leisten.
 Gleichzeitig gilt es aber auch, Faschisten konkret entgegenzutreten – auf der Straße,
 in öffentlichen Diskussionen, in den Parlamenten und auf der Familienfeier. Gegen
 zunehmende rechte Gewalt stellt sich die Frage der konkreten Verteidigungsfähigkeit,
 gegen rechte Diskurshegemonie insbesondere im digitalen Raum braucht es eine linke
 Medienstrategie.

Die zwei Notwendigkeiten – einerseits durch den Aufbau einer starken
 klassenkämpferischen Linken und das Aufzeigen einer Systemalternative, die die
 Ursache des Rechtsrucks angeht, gleichzeitig aber andererseits möglichst großen und
 deshalb notwendigerweise breiten Gegenwind zur extremen Rechte zu organisieren –
 führte Linke historisch immer wieder vor schwere bündnispolitische Entscheidungen.
 Das eine Extrem – Sektierertum – ist historisch beispielsweise in Form der
 Sozialfaschismusthese wirksam geworden. Die Linie der KPD, alle Kräfte von SPD bis
 NSDAP zu unterschiedlichen Flügeln des gleichen Feindes zu erklären, wurde sowohl in
 der akademischen Geschichtsschreibung als auch in der Geschichtsschreibung der
 kommunistischen Bewegung selbst einhellig als schwerer Fehler mit dramatischen
 historischen Konsequenzen benannt, weshalb die KPD und die Dritte Internationale
 diese Linie auch später einhellig verwarf und durch die gegensätzliche
 Volksfrontstrategie ersetzte. Andererseits zeigte sich immer wieder, auch aktuell,
 dass eine kritiklose Einreihung der politischen Linken in Bündnissen, die bis weit
 ins bürgerliche Spektrum hineinreichen, oft dazu beiträgt, linke Alternativen zur
 herrschenden Politik unsichtbar zu machen und den Aufstieg faschistischer Kräfte
 sogar noch weiter zu unterstützen.

Bündnisfähigkeit und Eigenständigkeit stellen dabei ein Spannungsverhältnis dar, das
 sich nicht einseitig auflösen lässt. Hier die richtige Antwort zu finden, braucht
 immer eine konkrete Analyse der konkreten Situation und lässt sich nicht
 überhistorisch-abstrakt klären. Klar ist aber, dass rein negative Bündnisse, die
 keine Positionen außer abstraktem Antifaschismus haben, am Ende dem Rechtsruck nicht
 nachhaltig Einhalt gebieten werden können. In jeder Situation braucht es also eine
 Verbindung von antifaschistischen Positionen mit Forderungen nach einer sozialeren
 und demokratischeren Gesellschaft. Auch in breiteren Bündnisformationen treten wir
 für eine sozialististische Perspektive ein.

Basisdemokratische Alternative zur Antragsberatungskommission durch digitale Mittel

Beschluss des XVI. Bundeskongresses II. Tagung vom 23.-24. Februar 2024


Vor dem nächsten Bundeskongress wird die Antragsberatungskommission an einem neuen
 Ansatz für die Priorisierung von Anträgen arbeiten. Dieser Ansatz kombiniert die
 Priorisierung durch die Kommission selbst mit direkten Abstimmungen unter den
 Delegierten des Bundeskongresses.

Die Kommission wird weiterhin Anträge nach ihrem Inhalt gruppieren und solche
 priorisieren, die beispielsweise aufgrund ihrer Dringlichkeit, ihrer allgemeinen
 politischen Bedeutung, ihres starken Rückhalts im Verband oder ihrer unmittelbaren
 Auswirkungen auf die Verbandsarbeit in naher Zukunft besonders wichtig sind. Dadurch
 soll vermieden werden, dass nur besonders umstrittene Anträge behandelt werden,
 während wichtige, aber weniger emotionale Anträge vernachlässigt werden und die
 Handlungsfähigkeit des Verbands gefährdet wird.

Zu inhaltlichen Anträgen oder Themenfeldern, die sich nicht durch genannte Faktoren
 hervorheben, soll eine direktdemokratische Priorisierung stattfinden. Konkret heißt
 das, dass die Antragsberatungskommission eine Abstimmung zu Beginn des
 Bundeskongresses vorbereitet, bei der der Bundeskongress direktdemokratisch
 entscheiden kann, welche Anträge oder Themenfelder in welcher Reihenfolge behandelt
 werden.

Schuldenbremse abschaffen – Ausbau von Sozialen und Bildung schafft Frieden und hilft gegen rechts!

Beschluss des XVI. Bundeskongresses II. Tagung vom 23.-24. Februar 2024


Die neoliberale Wende, die verstärkt seit den 1980er Jahren von Regierenden in den
 entwickelten kapitalistischen Ländern eingeleitet worden ist und die auf eine
 Kräfteverschiebung zugunsten des Kapitals und auf Kosten der Arbeit abzielte, zeigt
 sich auch in der Schuldenbremse.

Die Schuldenbremse ist dabei eine verfassungsrechtliche Regelung, die die
 Kreditaufnahme durch öffentliche Haushalte stark einschränkt. Sie wurde in
 Deutschland erstmals 2009 auf Wirken der Großen Koalition durch eine Änderung des
 Grundgesetzes im Bund verankert. Im nachfolgenden Jahrzehnt folgten viele
 Bundesländer dem Beispiel des Bundes. In dieser Form ist sie in Deutschland
 einzigartig. Keine andere entwickelte Industrienation verfügt über eine vergleichbare
 Institution.

Durch die Schuldenbremse werden öffentliche Haushalte faktisch daran gehindert,
 öffentliche Güter auszufinanzieren, Sozialleistungen bedarfsgerecht bereit zu stellen
 und dringend benötigte Investitionen, wie etwa im Hinblick auf die ökologische
 Transformation der Wirtschaft, zu tätigen. Sie ist eine in der Verfassung
 festgeschriebene Austeritätspolitik. Das zeigt sich auch aktuell, wo die
 Ampelkoalition bei vielen Sozialausgaben kürzt, um die Schuldenbremse einzuhalten.
 Die dadurch vertiefte soziale Ungleichheit bildet erst den Nährboden, auf denen die
 AfD ihre menschenverachtende Konkurrenzideologie ausbreiten kann. Der AfD gelingt es
 dadurch, den gesellschaftlichen Diskurs sowie die Bundesregierung nach rechts zu
 drängen, was sich etwa in der Verschärfung des Asylrechts zeigt.

Im Interesse der Arbeiter*innenklasse gilt es, die Schuldenbremse abzuschaffen. Dazu
 ist aber eine Analyse über die ökonomische Wirkungsweise der Schuldenbremse
 notwendig. Auch muss herausgearbeitet werden, welche Klassen und Klassenfraktionen
 ein Interesse an einer Abschaffung der Schuldenbremse haben, um so bündnispolitische
 Schlussfolgerungen daraus zu ziehen.


Analyse der Schuldenbremse


Im Gegensatz zu den Einschätzungen einiger linker Gegner*innen der Schuldenbremse,
 wonach es sich bei der Schuldenbremse um eine irrationale Ideologie handelt, die der
 Wirtschaft klassenübergreifend nur Nachteile verschaffe, stärkt die Schuldenbremse
 die Verhandlungsposition des Kapitals gegenüber der Arbeit in dreifacher Hinsicht:

Erstens werden durch die Schuldenbremse Sozialausgaben gekürzt und die Ausgaben für
 öffentliche Güter eingespart, wie man derzeit etwa an den Bürgergeld-Kürzungen der
 Ampelkoalition sieht. Dadurch wird die Marktabhängigkeit von Arbeiter*innen erhöht.
 Das bedeutet, dass Arbeiter*innen ihre Bedürfnisse im geringeren Ausmaß durch die
 Inanspruchnahme von Sozialleistungen und von (meist vergünstigten oder kostenlosen)
 öffentlichen Dienstleistungen decken können. Um ihre Bedürfnisse dennoch zu
 befriedigen, werden Arbeiter*innen abhängiger vom Einkommen, das sie aus dem Verkauf
 ihrer Arbeitskraft auf dem Arbeitsmarkt erzielen. Dadurch sinkt der Reservationslohn,
 d.h. die Mindesthöhe des Lohns, zu dem ein Arbeitnehmer gerade noch bereit ist, seine
 Arbeitskraft zu verkaufen. Damit sinkt das Lohnniveau und steigen die Profite der
 Kapitalist*innen. Die Arbeiterschaft wird durch die verstärkte Marktabhängigkeit
 zudem diszipliniert und Arbeitskämpfe werden im Keim erstickt, was die Autorität der
 Kapitalist*innen stärkt.

Zweitens verhindert die Schuldenbremse eine Wirtschaftspolitik, die für
 Vollbeschäftigung sorgt. Das bedeutet, dass der Staat durch die Schuldenbremse stark
 eingeschränkt wird, öffentliche Investitionen zu tätigen und den Massenkonsum zu
 subventionieren, um dadurch die effektive Nachfrage bis zu einem Punkt zu steigern,
 an dem Vollbeschäftigung erreicht sein würde. Wie der polnische, von Karl Marx und
 John Maynard Keynes beeinflusste Ökonom Michał Kalecki allerdings bemerkte,¹ würde
 durch eine Politik der Vollbeschäftigung die disziplinierende Wirkung von
 Arbeitslosigkeit auf die Arbeiter*innenklasse verloren gehen. Die Drohung des Chefs,
 jemanden bei allzu laxer Arbeitsmoral „aufs Pflaster zu werfen“, wäre bei
 Vollbeschäftigung, bei der Arbeiter*innen ohne viel Mühe einen anderen Arbeitsplatz
 finden würden, nicht sehr wirkungsvoll. Die Schuldenbremse ist damit wiederum der
 bester Garant für die Aufrechterhaltung der Autorität von Kapitalist*innen in ihren
 Betrieben. Auch würde mit Vollbeschäftigung die Streikbereitschaft der Arbeiter*innen
 steigen. Steigende Löhne und sinkende Profite wären die Folge, was ebenfalls nicht im
 Klasseninteresse der Kapitalist*innen liegt.

Drittens schränkt die Schuldenbremse ganz allgemein die Handlungsfähigkeit des
 Staates ein und macht staatliche Wirtschaftspolitik abhängiger von den Wünschen der
 Kapitalist*innen. In einer Rezession wird dem Staat durch die Schuldenbremse die
 Möglichkeit genommen, durch öffentliche Investitionen und Ankurbelung des
 Massenkonsums die Krise zu überwinden. Stattdessen muss der Staat die Bedingungen für
 private Investitionen verbessern. Dies gibt den Kapitalist*innen eine mächtige
 indirekte Kontrolle über die Regierungspolitik. Die Schuldenbremse zwingt die
 Politiker*innen in Regierungsverantwortung automatisch nach der Pfeife des Kapitals
 zu tanzen.

Darüber hinaus gibt es aus Sicht der Kapitalist*innenklasse auch gute Gründe für eine
 Abschaffung der Schuldenbremse:

Erstens wird der Staat durch die Schuldenbremse in seiner Rolle als ideeller
 Gesamtkapitalist eingeschränkt. Kapitalist*innen sind in vielerlei Hinsicht von einer
 gut funktonierenden öffentlichen Infrastruktur abhängig sowie von – zumeist in
 öffentlichen Bildungseinrichtungen – ausgebildeten Arbeitskräften. Eine mangelnde
 öffentliche Infrastruktur wirkt als Bremse fürs private Geschäft.

Zweitens verhindert die Schuldenbremse öffentliche Investitionen in die ökologische
 Transformation der Wirtschaft. Wie der Brandbrief von 50 namhaften deutschen
 Unternehmen (u.a. Puma, Rossmann, Telekom und Thyssenkrupp) vom Januar 2024 zeigt,
 haben Teile der Kapitalist*innenklasse ein Interesse an einem klimafreundlichen Umbau
 der Wirtschaft. Dies tun sie aber nicht aus schlechtem Gewissen, sondern weil der
 „Standort Deutschland“ in Bezug auf klimafreundliche Technologien in der
 internationalen Konkurrenz abgehängt zu werden droht, wie der Verweis auf die
 Vereinigten Staaten und China im Brandbrief zeigt, die „gewaltige Summen in die
 Transformation“ investierten. Die unterzeichnenden Unternehmen fordern daher eine
 „Weiterentwicklung der Schuldenbremse“, also eine Aufweichung dieser, wenngleich
 nicht ihre Abschaffung.²

Drittens kann eine Politik, die auf eine Stärkung der Kaufkraft abzielt – die aber
 durch die Schuldenbremse verhindert wird – insbesondere in Zeiten einer Rezession den
 Unternehmen dabei helfen, ihren Absatz zu steigern. Davon profitieren insbesondere
 Branchen, die unmittelbar für den Konsum produzieren. Es gilt allerdings zu beachten,
 dass eine Stärkung der effektiven Nachfrage auch zu steigenden Löhnen auf Kosten der
 Profite führt, wie oben erläutert. Insbesondere in einer exportorientierten
 Wirtschaft wie der deutschen hat eine Stärkung der Binnennachfrage allein den
 negativen Effekt auf die Kapitalist*innen, dass steigende Löhne die Profite
 auffressen, ohne dass dadurch der Absatz gestärkt werden würde. Das liegt daran, dass
 sich die Nachfrage für diese exportorientierten Industrien nicht im Inland, sondern
 im Ausland befindet. Diese widersprüchliche Interessenkonstellation des Kapitals kann
 auch historisch anhand des New Deal in den Vereinigten Staaten aufgezeigt werden, der
 ein in der Geschichte der USA einmaliges Programm zur Steigerung der Massenkaufkraft
 darstellte. Während nämlich insbesondere die Kapitalist*innen der konsumorientierten
 Wirtschaftszweige, wie der Elektronik- und Bekleidungsindustrie, den keynesianischen
 New Deal unterstützten, gehörten die Kapitalist*innen der arbeitsintensiven
 Industrien, die von Lohnsteigerungen am meisten negativ betroffen waren, tendenziell
 zu den Gegner*innen der Politik Roosevelts.³

Strategie gegen die Schuldenbremse


Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass eine antizyklische Investitionspolitik in
 Zeiten einer Rezession gegen rechts hilft. Während in Deutschland die
 Weltwirtschaftskrise mit einer rabiaten Sparpolitik unter dem Reichskanzler Heinrich
 Brüning beantwortet wurde und so dem Faschismus den Weg bereitete, gelang es
 fortschrittlichen Kräften in den USA 1932 das Ruder herumzureißen. Durch ein
 Klassenbündnis, das die Arbeiter*innenklasse in Form von Gewerkschaften und Teile der
 Kapitalist*innenklasse umfasste, wurde unter der Präsidentschaft Franklin D.
 Roosevelts der New Deal umgesetzt – ein umfassendes Investitionsprogramm in Arbeit,
 Kultur, Bildung und Infrastruktur. Er erwirkte enorme Lebensverbesserungen für viele
 Arbeiter*innen. Auch Teile der Kapitalist*innenklasse profitierten von einer Stärkung
 der Massenkaufkraft. Damit wurde ein Weg aus der Krise aufgezeigt, der sich von der
 Sparpolitik Brünings abhob und den Aufstieg faschistischer Bewegungen entgegenwirkte.
 Auch heute kann eine solche Politik, die auf die Stärkung der Massenkaufkraft
 abzielt, die Unzufriedenheit in breiten Teilen der Bevölkerung verringern. Damit wird
 der AfD, die diese Unzufriedenheit für ihre rassistische Politik instrumentalisiert,
 das Wasser abgegraben.

Weil die Kapitalist*innenklasse bei der Schuldenbremse gespalten ist, macht es für
 uns als Sozialist*innen Sinn, in dieser Frage eine „Volksfrontstrategie“ zu
 verfolgen. Das bedeute, dass wir bei Bündnissen gegen die Schuldenbremse neben
 Gewerkschaften, Sozialverbänden und anderen Akteur*innen, die die Interessen von
 Arbeiter*innen vertreten, auch die Teile der Kapitalist*innenklasse mit ins Boot
 holen, die auf eine Aufweichung oder Abschaffung der Schuldenbremse hinwirken. Wie
 Karl Marx und Friedrich Engels im „Manifest der Kommunistischen Partei“ schrieben,
 erringt die Arbeiter*innenklasse reformerische Erfolge in ihrem Sinne auch dadurch,
 „indem sie die Spaltungen der Bourgeoisie unter sich benutzt.“⁴

Zugleich hat die jahrzehntelange ideologische Indoktrination durch Politik und Medien
 eine Situation geschaffen, in der ein Großteil der Bevölkerung die Beibehaltung der
 Schuldenbremse befürwortet. Um diesen Zustand zu bekämpfen braucht es neben einer
 klugen Bündnispolitik auch eine umfassende ökonomische „Alphabetisierung“ der
 Bevölkerung und den Aufbau einer überzeugenden Gegenerzählung zur Metapher der
 „schwäbischen Hausfrau“ für öffentliche Haushalte.

In linken Kontexten müssen wir zudem der keynesianisch inspirierten Erzählung
 entschieden entgegentreten, wonach das Festhalten an der Schuldenbremse und eine
 Sparpolitik irrational sei, weil dies der Wirtschaft klassenübergreifend nur
 Nachteile verschaffe. Diese Erzählung ignoriert den Klassenwiderspruch und die
 Tatsache, dass Austeritätspolitik allgemein die Verhandlungsposition der Arbeit
 gegenüber dem Kapital schwächt.

—–


Anmerkungen:

¹ vgl. Kalecki, Michał [1943] (2018): Political Aspects of Full Employment.
 jacobin.com. Online verfügbar unter:
 https://jacobin.com/2018/05/political-aspects-of-full-employment-kalecki-job-
 guarantee,
 zuletzt geprüft am 11.02.2024

² Zitate aus: Stiftung KlimaWirtschaft (2024): Die Transformation als
 Jahrhundertprojekt. Was die Wirtschaft von der Politik braucht. klimawirtschaft.org.
 Online verfügbar unter:
 https://klimawirtschaft.org/publikationen/positionen/unternehmensappell2024, zuletzt
 geprüft am 11.02.2024

³ vgl. Phillips-Fein, Kim (2009): Invisible Hands. The Businessmen’s Crusade Against
 the New Deal. New York, London: W. W. Norton, Kapitel 1: Paradise Lost [ebook]

⁴ MEW 4, S. 471

Gegen jeden Antisemitismus – Für eine konkrete Antisemitismusdefinition

Beschluss des XVI. Bundeskongresses II. Tagung vom 23.-24. Februar 2024

Die linksjugend [’solid] erkennt an, dass Antisemitismus in unserer Gesellschaft seit
 Jahrhunderten verankert ist. Viele unserer Vorfahren tragen Schuld, dass dieser
 Antisemitismus im unvergleichlichem Verbrechen am jüdischen Volk, der Shoa, gipfelte.
 Mit dem Sieg über den deutschen Faschismus wurde der Antisemitismus keineswegs
 überwunden. Antisemitische Verschwörungserzählungen beschränken sich nicht auf
 neonazistische Kleingruppen, sondern stoßen in vermeintlich über politischen
 Massenbewegungen auf breite Akzeptanz. Im Kontext des eskalierenden Nahostkonfliktes
 werden jüdische Menschen immer häufiger angegriffen und für die Politik des
 israelischen Staates verurteilt. Doch genau weil der gesellschaftliche Antisemitismus
 so anpassungsfähig und perfide ist, können seine Ausprägungen nicht erschöpfend
 aufgezählt werden. 

Als antifaschistischer Jugendverband verstehen wir es als unsere historische und
 politische Verantwortung, den gesellschaftlichen Antisemitismus in allen seinen
 Erscheinungsformen anzugreifen. Dieser Verantwortung können wir aber nur dann gerecht
 werden, wenn wir fähig sind, einen kontinuierlich veränderlichen und oft verdeckt
 auftretenden Antisemitismus als solchen zu erkennen und zu benennen. Voraussetzung
 dafür ist eine robuste und akademisch anerkannte Antisemitismusdefinition.

Als linksjugend [’solid] setzen wir unserer Analyse und Kritik von Antisemitismus
 deswegen die Jerusalemer Erklärung zum Antisemitismus (JDA) zur Grundlage. Die JDA
 wurde von Antisemitismusforscher:innen entwickelt, und wird von vielen renommierten
 Wissenschaftler:innen unterstützt. Ziel der JDA ist es, eine präzise
 Antisemitismusdefiniton zu liefern, und anhand von Beispielen aufzuzeigen, welche
 Aussagen und Handlungen, auch im Kontext des Nahostkonfliktes, in jedem Fall
 antisemitisch sind, und welche nicht. Die Verfasser:innen und Unterstützer:innen der
 JDA vertreten unterschiedliche Positionen zum Nahostkonflikt. Ziel der JDA ist es
 nicht, in diesem Konflikt eine bestimmte Position vorwegzunehmen, sondern die
 Antisemitismusdefinition gegen Missverständnisse, Unklarheiten und politische
 Instrumentalisierung abzusichern. 

Als pluralistischer Jugendverband ist es uns wichtig, dass wir Räume schaffen, in dem
 junge Menschen miteinander Diskutieren, und ihre eigene Position herausbilden können.
 In diesen Räumen müssen inakzeptablen Aussagen klare Grenze gesetzt werden, und diese
 Grenzen begründet werden. Auf Grundlage der JDA können wir diesem Anspruch in Bezug
 auf Antisemitismus gerecht werden. Innerhalb dieser Grenzen hindert die JDA uns nicht
 daran, individuell und als Verband politische Positionen zu beziehen und nach außen
 zu vertreten, und unser Ziel ist es weiterhin unsere Positionierung selbstkritisch
 und kontinuierlich zu reflektieren, und gemeinsam an aktuelle Entwicklungen angepasst
 auszuarbeiten.

Die gesamte Jerusalemer Erklärung auf Deutsch:


https://jerusalemdeclaration.org/wp-content/uploads/2021/03/JDA-deutsch-final.ok_.pdf

Website der Jerusalemer Erklärung zum Antisemitismus auf Englisch, inklusive der
 Unterzeichner:innen:


https://jerusalemdeclaration.org/

Selbstbestimmung, Sicherheit, Gerechtigkeit und Frieden für alle im Nahen Osten

Beschluss des XVI. Bundeskongresses II. Tagung vom 23.-24. Februar 2024

Die schrecklichen Ereignisse in Israel und Palästina, die uns in den vergangenen
 Monaten tief erschüttert und bewegt haben, zeigen einmal mehr, dass ein „Weiter so!“
 unmöglich ist. Solange es keine grundlegende Lösung gibt, die die Interessen aller
 Bevölkerungsgruppen in Israel und Palästina berücksichtigt, wird es immer wieder zu
 Gewalt und Leid in unerträglichem Ausmaß kommen. Gleichzeitig verstärkt der Israel-
 Palästina-Konflikt autoritäre Tendenzen im Inneren von Israel und Palästina und trägt
 zur wachsenden Dominanz der extremen Rechten in beiden Gebieten bei. Ohne eine Lösung
 des Konflikts sind dem Kampf für Demokratie, Emanzipation und soziale Gerechtigkeit
 sowohl in Israel als auch in Palästina immer Grenzen gesetzt.


Die Linksjugend [‘solid] stellt fest:

1. Forderungen, die auf die Vertreibung entweder der jüdischen oder der
 palästinensischen Bevölkerung hinauslaufen, sind zutiefst menschenfeindlich.
 Keine politische Lösung, die massenhafte Vertreibung der derzeit dort lebenden
Menschen aus der Region voraussetzt, wird Frieden und Gerechtigkeit bringen.
2. Seit der Gründung des Staates Israel war die palästinensische Bevölkerung
 stets Subjekt einer gewalttätigen und entwürdigenden Politik. Die
 menschenverachtende Politik der aktuellen extrem-rechten Israelischen Regierung
 findet angesichts der Massakrierung und Vertreibung von Millionen
 Palästinensern im Gazastreifen einen Höhepunkt. Das riesige Ausmaß an Tod und
 Zerstörung in der Enklave betont die Wichtigkeit einer humanen und friedlichen
 Lösung des Konfliktes.
3. Sowohl Zionismus als auch palästinensische Nationalbewegung knüpfen an reale
 Unterdrückungserfahrungen der jüdischen bzw. der palästinensischen Bevölkerung
 an. Sowohl Israelis als auch Palästinenser:innen bauen ihre nationale Identität
 auf eine lange Geschichte von Präsenz in der Region auf. Wie jeder Nationalismus
 auf der Welt sind auch die jeweiligen Nationalismen hier teilweise mythologisch
 aufgeladen und interpretieren Geschichte stromlinienförmiger, als sie ist, aber
 beide nationalen Identitäten können an eine reale Geschichte von Präsenz in und
 Vertreibung aus der Region, die heute Israel und Palästina bildet, anknüpfen.
4. Es gibt sowohl in Israel als auch in Palästina bei der überwältigenden Mehrheit
 jeweils die Forderung danach, einen eigenen israelischen bzw. palästinensischen
 Staat zu haben. Ökonomisch hat man es mit zwar eng verflochtenen Gebieten zu
 tun, zwischen denen aber in Bezug auf Einkommen, Vermögen, Infrastruktur und
 Wirtschaftsstruktur ein gigantischer Graben liegt. Weder eine Ein-Staaten-Lösung
 noch zwei Staaten, die ihre Angelegenheiten vollkommen getrennt behandeln,
 scheinen also materiell lebensfähig zu sein.
5. Israel und Palästina sind beide Länder, in denen verschiedene Klassen um die
 Macht ringen, in denen es verschiedene ethnische Gruppen mit anderen
 Hintergründen gibt und in denen verschiedene politische Programme – sowohl
 generell als auch bezogen auf die Lösung des Nahostkonflikts – miteinander
 konkurrieren. Eine Positionierung zum Konflikt, die Nationen nicht als
 historisch entstandene Konstrukte, sondern als einheitlich handelnde Kollektive
 auffasst, wird der Realität also nicht gerecht.



Die Linksjugend [‘solid] beschließt deshalb:

1. Wir stehen für Selbstbestimmung, Sicherheit, Gerechtigkeit und Frieden in Israel
 und Palästina ein. Diese Ziele können nicht auf militärischem Weg oder durch den
 Sieg einer der kriegsführenden Strukturen errungen werden, sondern nur durch den
 gemeinsamen Kampf der israelischen und palästinensischen Arbeiter:innenklasse
 für eine politische Lösung des Konflikts und eine demokratische und soziale
 Ordnung in der Region, die Selbstbestimmung und kollektive wie individuelle
 Rechte von Israelis und Palästinenser:innen wahrt.
2. Wir treten deshalb als konkrete realpolitische Perspektive in der politischen
 Auseinandersetzung für eine von der Bewegung vor Ort geforderte Zwei-Staaten-
 Lösung ein. Neben einem demokratischen, souveränen Staat Israel steht bei dieser
 auch ein demokratischer, souveräner Staat Palästina. Diese Staaten müssen jedoch
 mit der Realität umgehen, dass sie in einem gemeinsamen Raum befinden und durch
 enge Verbindungen geprägt sind. Eine völlige Separation in allen Fragen wäre
 nicht machbar und würde zu weiterem Leid führen, weshalb Ansätze wie das „Two
 States, One Homeland“-Konzept zu berücksichtigen sind, die die Zwei-Staaten-
 Lösung mit konföderalen Elementen kombinieren. Grundsätzlich befürworten wir
 alle Lösungen, die demokratischen Rückhalt genießen und die volle Gewährleistung
 voller individueller und kollektiver Rechte garantieren. Diese müssen dabei
 nicht auf einen staatlichen Rahmen innerhalb des momentanen politischen Systems
 begrenzt sein.
3.Aufgrund der engen Verflechtungen zwischen Israel und Palästina und der
 multiethnischen Realität auf diesem Gebiet braucht es in vielen Fragen
 gemeinsame politische Institutionen, beispielsweise in der Frage der
 Wasserversorgung, in wirtschaftlichen Fragen und bzgl. gemeinsamer
 Sicherheitskonzepte.
4.Auch nach dem Erreichen einer Zwei-Staaten-Lösung werden weiterhin Menschen mit
 palästinensischer Identität in Israel und Menschen mit israelischer Identität in
 Palästina leben. Auch freundschaftliche und familiäre Bindungen werden nicht an
 der Grenze stoppen. Es braucht deshalb Bewegungsfreiheit sowie
 grenzüberschreitend gültige und durchsetzbare Rechte für alle Bewohner:innen von
 Israel und Palästina. Diese Rechte müssen sowohl Freiheitsrechte und
 demokratische Rechte als auch soziale Rechte umfassen. Zur Garantie der
 grenzüberschreitenden Gültigkeit dieser Rechte könnte ein gemeinsamer
 Gerichtshof eine mögliche Lösung sein.
5.Jerusalem als multikulturelle Stadt, die sowohl für Israelis als auch für
 Palästinenser:innen eine große Bedeutung hat und Bezugspunkt für drei
 Weltreligionen hat, muss für alle in der Region lebenden Menschen zugänglich
 sein. Gemeinsame demokratische Institutionen zur Verwaltung der Stadt sind
 essentiell dafür, hier Konflikte zu vermeiden.
6. Die Linksjugend [`solid] distanziert sich sowohl von der rechtsextremen und
 menschenrechtsverletzenden Regierung Netanjahus, als auch von der jihadistischen
 Terrororganisation der Hamas. Beide agieren reaktionär und handeln daher nicht
 im Sinne der Arbeiter:Innen bzw. der Zivilbevölkerung in Israel bzw. in
 Palästina und verdienen daher nicht die Solidarität Linker Bewegungen und
 Organisationen. Unsere Solidarität gilt der Zivilbevölkerung in beiden Gebieten,
 nicht den Regierungen.

Kein Jugendverband ohne Inklusion!

Beschluss des XVI. Bundeskongresses II. Tagung vom 23.-24. Februar 2024

Inklusion ist ein Grundprinzip des Jugendverbandes. Menschen
mit Behinderungen chronischen Erkrankungen und andere Menschen
mit Inklusionsbedarf haben das Recht auf gleichberechtigte Teilhabe im Jugendverband.
Zur Verbesserung der Durchsetzung des Rechts auf gleiche Teilhabe beruft sich der XVII. Bundeskongress durch Wahl eine*n oder zwei Inklusionsbeauftragte auf eine Amtszeit von zwei Jahren. Eine etwaig innerhalb der Amtszeit erforderliche werdende Nachwahl ist möglich.
Die*der Inklusionsbeauftragte bzw. die Inklusionsbeauftragten ist/sind Ansprechpartner*in(nen) für Menschen mit Inklusionsbedarf.
Er*sie achtet im bzw. sie achten im Vorfeld von Veranstaltungen des Bundesverbandes in Absprache mit der Bundesgeschäftsstelle auf den Abbau von Barrieren und steht/stehen im Austausch mit dem Bundessprecher*innenrat und den Landesverbänden. Er*sie berichten bzw. sie berichten dem Länderrat.
Zum Ablauf der zweijährigen Amtszeit wird das Amt evaluiert. Der Verband berät je nach Ergebnis der Evaluation eine Verstetigung des Amtes durch Satzungsänderung.

Asyl, Migration, Faschismus – Gegen Rechts heisst gegen das Kapital

Beschluss des XVI. Bundeskongresses II. Tagung vom 23.-24. Februar 2024

Nach den Enthüllungen über das Potsdamer Treffen diverser rechter Akteure, darunter
auch Mitglieder der CDU, in denen groß angelegte Pläne zur Ausbürgerung und
 Deportation von Personen mit Migrationshintergrund ausgearbeitet wurden, hat es
 diverse Massendemonstrationen in der ganzen BRD gegeben. Ihr Anliegen ist in Teilen
 diffus. Sie wenden sich unter anderem “gegen rechts”, gegen Abschiebungen oder für
 ein Verbot der AfD durch die staatlichen Behörden.

Was klar sein sollte: Die Pläne der AfD und des rechten Flügels der CDU sind in ihrem
 Ausmaß erschreckend und sie sind weitergehend als die bisherigen Pläne der
 Regierungsparteien und der CDU. Sie reihen sich allerdings ein in eine Tradition der
 rassistischen Grenz- und Migrationspolitik, die letztens mit den GEAS-Reformen und
 der Verabschiedung des “Rückführungsverbesserungsgesetzes” deutlich wurde. Wenn also
 jetzt Mitglieder der regierenden Parteien gegen „Remigration“ auf die Straße gehen,
 dann ist das nicht nur verlogen und heuchlerisch, sondern auch gefährlich. Es
 normalisiert die gegenwärtige Praxis von Abschiebungen und legitimiert sie als Teil
 des bürgerlichen Rechtsstaates. So erscheint es für Bürgerliche und Liberale, als ob
 zwischen einer „normalen“ Abschiebung und einer Deportation, wie Teile der AfD sie
 nun immer offener diskutieren, Welten liegen. Tatsächlich war es jedoch die
 Unionsfraktion im Bundestag, die unlängst unter Heranziehung schwammiger Kriterien
 eine erleichterte Ausbürgerung von Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft offen
 forderte und hierfür Zuspruch erhielt [1].
Dies alles ist Resultat einer seit Jahrzehnten andauernden rassistischen Kampagne,
 die die Angst vor einer “Asylflut“ und einer dementsprechenden „Überforderung“
 deutscher Behörden und der Bevölkerung schürt, wie etwa zahlreiche Cover des Magazins
 „Der Spiegel“ aus der Zeit seit 1992 [2] oder hetzerische Berichte der Bild-Zeitung
 belegen. Diese Form der Berichterstattung zusammen mit den Forderungen der
 “Begrenzung“ von Migration aus verschiedensten Parteien schafft ein gefährliches
 Klima für Migrant*innen und Geflüchtete. 2023 haben die Angriffe auf Geflüchtete im
 Vergleich zum Vorjahr stark zugenommen. In den ersten drei Quartalen von 2023 gab es
 1515 dieser Angriffe (1371 im gesamten Jahr 2022) [3].

 Dass auch ehemals für ihre Solidarität mit Geflüchteten bekannte Parteien wie die
 Grünen nun eine solche Politik mittragen, verdeutlicht die Macht dieses Narrativs und
 seine Übernahme durch vermeintlich progressive Akteure.
 Zur Bekämpfung der rassistischen Gewalt müssen wir an die Ursache gehen. Die
 Migrationspolitik Deutschlands und der EU ist geprägt von rassistischer Selektion.
 Migrant*innen werden von den Staaten der EU auf diverse Weise entmenschlicht. Kern
 dieser Entmenschlichung ist ihre ökonomische Verwertung.

 Dass auch ehemals für ihre Solidarität mit Geflüchteten bekannte Parteien wie die
 Grünen nun eine solche Politik mittragen, verdeutlicht die Macht dieses Narrativs und
 seine Übernahme durch vermeintlich progressive Akteure.
 Zur Bekämpfung der rassistischen Gewalt müssen wir an die Ursache gehen. Die
 Migrationspolitik Deutschlands und der EU ist geprägt von rassistischer Selektion.
 Migrant*innen werden von den Staaten der EU auf diverse Weise entmenschlicht. Kern
 dieser Entmenschlichung ist ihre ökonomische Verwertung.

Neben der Prekarisierung findet auch eine extreme Illegalisierung statt. Mit
 zunehmender Verschärfung der Gesetze leben Menschen in Angst vor Abschiebung und vor
 rassistischen Polizeikontrollen, beispielsweise wenn in migrantisch geprägten
 Stadtteilen zusätzliche Polizeiwachen eingerichtet werden oder verstärkte Kontrollen
 stattfinden.

 Auf der anderen Seite dienen Migrant*innen als permanente Drohkulisse, sie stellen
 das „Fremde“ dar. Dies zeigt sich immer wieder in den Debatten um eine „Leitkultur“,
 um „importierten Antisemitismus“ oder über den „Zusammenbruch“ des Asyl-Systems.
 Implizit oder explizit wird deutlich, dass sie unerwünscht sind und entfernt werden
 sollen.

 Diese Doppelrolle dient dem Kapital insofern, dass sie Arbeiter*innen zur Verfügung
 haben, die einerseits den Lohn drücken und andererseits zu schlechte Bedingungen
 vorfinden, um sich als Arbeiter zu organisieren. Zu dieser Bekämpfung des
 Klassenbewusstseins durch die Kapitalisten zählen auch die geschürten Ängste. Nur
 durch ein starkes Klassenbewusstsein kann dieses Spiel entlarvt werden.

Als sozialistischer und antirassistischer Verband ist unser Ziel die Überwindung des
Kapitalismus und der damit einhergehenden (Über-)Ausbeutung und Diskriminierung.
In seinem Weg an die Macht greift der Faschismus dabei die vom Kapitalismus notwendigerweise ausgehende Unzufriedenheit auf, beschränkt sich dabei jedoch nicht auf eine bestimmte Form der Diskriminierung. Heutzutage dienen dem Faschismus besonders Migrant*innen und von antimuslimischen Rassismus Betroffene als Sündenböcke. In erster Linie zielt der Faschismus damit darauf ab eine Heimatfront zur totalen Durchsetzung der imperialistischen Ziele zu schaffen. Weitergehend müssen wir als Sozialist*innen und Antifaschist*innen einen tiefergehenden Diskurs über die Faschismusanalyse und die notwendigen Formen des Antifaschismus führen. Bürgerliche Faschismusanalysen lehnen wir ab, denn sie relativieren den Wirtschafts- und Außenpolitik, die sie zusammen mit den westlichen Staaten durchsetzt
 ein wesentlicher Akteur bei der Entstehung von Krisen und Fluchtursachen. Im
 Kapitalismus sind Kriege, Flucht und Vertreibung traurige Normalität. Migration und
 Flucht sind aber darüber hinaus ein in der Geschichte kapitalistischer Staaten immer
 dagewesenes Phänomen. Wir wehren uns gegen die Instrumentalisierung von Menschen, die
 ein besseres Leben suchen, egal ob sie vor Krieg, Klimakatastrophen oder Armut
 fliehen.

Stattdessen müssen wir die kollektive Absicherung besserer Lebensgrundlagen entgegen
 der Verwertungslogik garantieren, entgegen den ökonomischen Zwängen und der
 rassistischen Logik im kapitalistischen System. Bis dahin müssen wir uns für eine
 Erhaltung und Ausweitung des Asylrechts einsetzen. Für Geflüchtete und Migrant*innen
 müssen eine geeignete Aufnahme und der Zugang zu Bildung und Arbeit sowie die
 Voraussetzungen dazu, Bleibe, Versorgung, Sprache, usw. umfassend gewährleistet
 werden.

 Auch die Friedenspolitik als intrinsischer Teil der Bekämpfung von Fluchtursachen
 müssen wir in den Blick nehmen. Schlussendlich darf das Ziel hierbei nicht eine
 nationale Abschottung sein, sondern die Überwindung nationalistischer und
 chauvinistischer Narrative und die Förderung eines proletarischen Internationalismus,
 der die Grenzen der Nationalstaaten überwindet. Denn unsere kollektive Befreiung
 können und werden wir nur gemeinsam erkämpfen!


[1] https://www.zeit.de/politik/deutschland/2023-11/csu-herrmann-doppelte-staatsbuergerschaft-aberkennung-straftaten
[2] https://uebermedien.de/88481/wie-der-spiegel-sich-aus-einem-foto-sein-bedrohliches-fluechtlings-cover-bastelte/
[3] https://www.tagesschau.de/inland/uebergriffe-gefluechtete-100.html

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