Gleiche Rechte für alle! Eheprivilegien abschaffen!

Beschluss des II. Bundeskongresses am 20.-22. März 2009 in Mannheim

Die Ehe ist ein Relikt vergangener Tage. Längst ist es nicht mehr so, dass eine Beziehung ein Leben lang hält. Viel mehr gibt es immer mehr Patchwork – Familien mit „meinen“, „deinen“ und „unseren“ Kindern. Man ist viel selbstverständlicher als je zuvor auch ohne Trauschein zusammen. Die Zahl allein erziehender Eltern wächst, aber auch die Bereitschaft Kinder als Co-Mütter bzw. – Väter zu betreuen. Immer öfter sind die besten FreundInnen eine wichtigere Konstante im Leben als die aktuelle Liebesbeziehung. Für all diese, von der Norm „Ehe“ abweichenden Lebenswirklichkeiten, bestehen bislang keine individuell anpassbaren rechtlichen Regelungsmöglichkeiten.

Insbesondere Lesben und Schwule haben in ihrer Mehrzahl die überkommenen Rollenerwartungen und Leitbilder des Zusammenlebens für sich nie als passend empfunden. Sie stehen mit ihrer sexuellen Orientierung entgegen der Norm. Daher fällt ihnen die kritische Hinterfragung eben dieser Norm leichter als Heterosexuellen. 

Es kann nicht verwundern, dass insbesondere lesbische Frauen die feministische Patrichatskritik vorangebracht haben. Ein großer Teil der lesbischen Frauen und ein Teil der schwulen Männer lehnt die vorgefundene Ehe für sich strikt ab. Dies nicht allein aus praktischen Gründen, sondern auch aus einem politischen Bewusstsein heraus.

Die Behauptung, von konservativer Seite, die Ehe sei eine besonders verlässliche, verantwortungsvolle und für Kinder förderliche Lebensform, ist mit Blick auf die Realität als Mythos zu bezeichnen. Die Qualität von Beziehungen ist nicht aus der Lebensweise abzuleiten! Solange dieser Mythos in der gesellschaftlichen Diskussion virulent ist, scheint eine Diskriminierung aller übrigen Lebensformen für Teile der BürgerInnenschaft durchaus plausibel. 

Für Linksjugend [‘solid] ist nicht einzusehen, warum die Vielfalt der Lebensformen vom Gesetzgeber bislang völlig ignoriert wurde. Allein die Ehe und die Lebenspartnerschaft – als ihr homosexuelles Pedant – sind als zwischenmenschliche Bindung anerkannt. Mit dem Lebenspartnerschaftsgesetz hat die damalige rot-grüne Bundesregierung das erste Sondergesetz für Homosexuelle seit der Abschaffung des Schwulenparagraphen 175 Strafgesetzbuch (Homosexuelle Handlungen / aufgehoben 1994) geschaffen. Wieso der Gesetzgeber glaubt, mit diesen beiden Gesetzen die volle Bandbreite der zwischenmenschlichen Beziehungen beschreiben zu können und wo der Qualitative Unterschied zwischen Homo- und Heterosexuellen Beziehungen besteht ist für Linksjugend [‘solid] nicht nach zu vollziehen. 

Die Ehe wird (unabhängig davon, ob Kinder betreut werden oder nicht) vom Staat materiell gefördert: Per Ehegattensplitting wird die patriachalste Form des Zusammenlebens, die Hausfrauenehe subventioniert. Der Gesetzgeber hat diese Regelung 1958 eingeführt, um patriachale Strukturen zu festigen. Heute, in 2008, kostet dies den Staatshaushalt rund 22 Milliarden Euro im Jahr, und alle Parteien außer der LINKEN finden dies auch nicht weiter problematisch. Darüber hinaus genießen Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst eine Reihe finanzieller Vorteile. Alle fiskalischen Alimentierungen der Ehe müssen abgeschafft werden!

Wir sehen als ersten Schritt zur Gleichstellung aller Lebensweisen die Aufhebung der finanziellen Abhängigkeitsverhältnisse unter Erwachsenen an. Es muss konsequent zu einen Individualprinzip übergegangen werden. Jeder und jede hat einen Anspruch auf eine eigenständige Existenzsicherung – ungeachtet der Beziehung in der er oder sie lebt! Die entwürdigende Unterhaltsverpflichtung zwischen Erwachsenen ist genau so wie das Ehegattensplitting aufzuheben. 

Auch fordert Linksjugend [‘solid] Rechte wie das Aufenthaltsrecht für Partner aus Nicht-EU-Staaten, das Auskunfts- und Vertretungsrecht im Krankheitsfall sowie das Zeugnisverweigerungsrecht für alle nur denkbaren Beziehungen. Es ist nicht einzusehen, dass andere Beziehungsformen als die Ehe und die Lebenspartnerschaft in diesen Punkten benachteiligt sind. 

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