Gegen Transfeindlichkeit, für die Grundlagen eines materialistischen und proletarischen Feminismus

Beschluss des XIV. Bundeskongresses am 26.-28. November 2021 online

 „Die institutionalisierte Intoleranz und Unterdrückung, denen wir heute gegenüberstehen, hat es nicht immer gegeben. Sie sind zusammen mit der Einteilung der Gesellschaft in Ausbeuter und Ausgebeutete entstanden. (…) Der Kampf gegen unerträgliche Zustände nimmt auf der ganzen Welt zu. Und die kämpferische Rolle von transsexuellen Frauen, Männern und jugendlichen in der heutigen Fightback-Bewegung hilft bereits dabei, die Zukunft zu gestalten.“ – Leslie Feinberg

Materialistischer Feminismus begreift Patriarchat und Binarismus, d.h. die äußere Zuschreibung von Menschen als weiblich oder männlich als historisches Produkt der Klassengesellschaft. In der bürgerlichen Kernfamilie findet das System seine moderne Form als Grundlage der sozialen Reproduktion des Kapitalismus. Es entstand zusammen mit der Arbeitsteilung und der damit einhergehenden Zuschreibung von Männlichkeit und Weiblichkeit zu verschiedenen Arbeitsformen, wobei Reproduktionsarbeit als weiblich definiert wurde.

 Dass die heute weitestgehend noch als Norm geltende Binarität in Europa entstanden ist und sich von da aus auch auf Gesellschaften, die auf verschiedene Weisen selbst patriarchal waren, aber mehr als zwei Geschlechter kannten, ausgebreitet hat, zeigt ebenfalls, dass Binarität ein historisches Produkt und kein naturgegebener Fakt ist.

 Der Kern der Analyse ist dabei nicht das unterdrückte einzelne Subjekt, das sich von der Gesellschaft, die es unterdrückt, einfach befreien muss, um sein „wahres Selbst“ zu finden. Ebenso kann es nicht das Ziel sein, zu vorherigen idealisierten Gesellschaftsstrukturen zurückzukehren.

 Die vom Patriarchat unterdrückten Gruppen bilden an sich eine Interessensgemeinschaft, nicht nur durch ihre Stellung im Patriarchat, sondern auch durch ökonomische Marginalisierung und Gewalterfahrung, von denen sie beide betroffen sind. Jedoch hat sie noch kein gemeinsames Bewusstsein.

 Dieses gilt es, gemeinsam aufzubauen, einerseits durch Klärungsprozesse, andererseits durch gemeinsame Kämpfe. Die Probleme, die innerhalb dieser Klärungsprozesse auftreten, sind weder von vornherein gelöst noch unlösbar. Wenn eine Frau den Wunsch äußert, im Frauenhaus keiner männlich gelesenen Person zu begegnen, dann ist das zuallererst ein pragmatisches Problem und muss nicht zur politischen Unvereinbarkeit stilisiert werden. Wenn man hingegen wegen des Mangels an Frauenhäusern, fordert, dass die knappen Ressourcen doch wenigstens den „eigentlichen“ Subjekten des Feminismus zur Verfügung stehen müssten, dann ist die Trennungslinie zwischen trans und cis Frauen an dieser Stelle nicht zu unterscheiden von einer zwischen schwarzen und weißen, oder armen und reichen Frauen. Die selektive Einteilung von trans Menschen, besonders trans Frauen, von Seiten einiger transfeindlicher Feminist:innen findet oft an willkürlichen, sich von Fall zu Fall auch widersprechender Kategorien statt: Zum Beispiel, sich zu sehr an Stereotype an Weiblichkeit anpassend, aber andererseits anderen Transfeind:innen nicht feminin genug.

 In diesen Fällen werden bestimmte trans Menschen als Faustpfand gegen andere trans Menschen hergenommen, damit die Person sich gegen den Vorwurf der Transfeindlichkeit abschirmen kann.

 Auch das Festklammern an Biologismen, also die Rhetorik von einem biologischen Geschlecht versus „gefühltem“ Geschlecht zeugt bestenfalls von einem positivistischen Vulgärmaterialismus, der nicht in der Lage ist, die gesellschaftlichen Machtverhältnisse herauszufordern, sieht er die gegebenen Umstände doch auf die eine oder andere Weise als gesetzt an, wodurch er schon fast wieder in eine idealistische Haltung zurückfällt.

Bei dieser Analyse ist zwischen Fehlleitung und Ideologie zu unterscheiden. Da wir vor ungelösten Klärungsprozessen stehen und eine Spaltung der sozialistischen feministischen Bewegung ohne wenigstens den ernsthaften Versuch einer Klärung zuerst die Macht rechter wie „linker“ bürgerlichen Kräfte stärken wird, richtet sich der Antrag explizit gegen den Ausschluss von Radikalfeminist:innen.

Transfeindliches Verhalten liegt insbesondere aber nicht ausschließlich dann vor, wenn trans Menschen absichtlich gemisgendert werden, ihnen offen ihr Geschlecht abgesprochen wird, nichtbinäres Empfinden der eigenen Geschlechtlichkeit generell für „Unsinn“ erklärt und trans Menschen pauschal unter den Verdacht gestellt werden, mittels Lügen in Frauen- oder Lesbenräume eindringen zu wollen.

 Doch müssen trans Menschen, für die die Zerschlagung des Patriarchats eine Überlebensfrage ist, sich in der Linksjugend organisieren können. Darum ist der Ausschluss von Personen, die sich transfeindlich geäußert haben, eine Grundvoraussetzung des feministischen Kampfes in Deutschland. Ebenso sind die diversen Einzelberichte über unsägliches Verhalten, von Scherzkandidaturen auf der Liste zur Sicherung der Mindestquotierung durch cis Männer, die sich zum Spaß als trans erklärt hatten bis hin zu Versuchen, die Kandidatur von trans Frauen in der Partei die Linke zu verhindern, die den Antragssteller:innen zu Ohren gekommen sind, nicht einfach peinlich, sondern ein Zeichen von tief verankertem Chauvinismus.

 Die Linksjugend beschließt,

  •  keine Vorträge auf jeglichen Ebenen mehr mit Personen zu organisieren, die sich transfeindlich geäußert haben und sich nicht unmissverständlich von diesen Äußerungen distanzieren, explizit dazu zählt Naida Pintul;
  • Veranstaltungen der Linksjugend sollen ein transinklusiver Raum sein. Wenn transfeindliches Verhalten dazu führt, dass dies nicht mehr gewährleistet ist, ist in Parteilichkeit für und enger Absprache mit den Betroffenen zu intervenieren.
  • geschlossen Transfeindlichkeit in der Partei DIE LINKE zu benennen und bekämpfen.

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