Bundeswehr raus aus den Schulen und Hochschulen – Kriege und Militarisierung stoppen!

Beschluss des IV. Bundeskongresses am 13.-15. Mai 2011 in Hannover

Auf dem Weg zur Armee im Einsatz
Ob weltweit oder hierzulande auf dem Arbeitsamt oder in den Schulen: Die Bundeswehr befindet sich in der Offensive. Die Bundeswehr hat sich über Jahrzehnte hinweg stetig von einer formalen Verteidigungsarmee hin  zu einer Angriffsarmee gewandelt. Die Bundeswehr ist heute wieder Militärmacht und steht als nun vollwertiges Mitglied an der Seite seiner Bündnispartner innerhalb der NATO. Gemeinsam mit den Mitgliedern des Militärbündnisses geht es um die Sicherung und Erschließung von Rohstoffzugängen, Handelswegen, geostrategischen Einflusssphären und die Verteidigung hegemonialer Ansprüche. Die Transformation der Bundeswehr zu einer Freiwilligen- und Berufsarmee  und die Unterordnung der zivilen Politik unter das Primat einer umfassend integrierten Sicherheitspolitik ist Abschluss einer langen Entwicklung seit 1949. Die Bundeswehr ist heute, trotz Grundgesetz, wieder voll einsatzfähig und überall mit dabei wo es hässlich wird. Die Militarisierung der Schulen und Hochschulen ist ein zentraler Bestandteil dieses Prozesses.

So ist die Bundeswehr vor der Haustür in doppelter Mission unterwegs. Einerseits wird fleißig um Nachwuchs für die Truppen geworben, andererseits wird an der Zustimmung zum Kurs der Regierung in Sachen Afghanistan und ähnlichen Militäreinsätzen gefeilt. Denn die Bundeswehr steht vor großen Herausforderungen. Nicht nur, dass ein Großteil der Bevölkerung den Einsatz in Afghanistan ablehnt. Der Versuch, durch gezielte millionenschwere Öffentlichkeitsarbeit die Stimmung zu kippen, blieb bisher ebenso erfolglos. Auch fehlt der Bundeswehr der Nachwuchs, wofür neben dem oft angeführten so genannten „demografischen Wandel“ unter anderem die mangelnde Attraktivität des Berufsbildes Soldat_in verantwortlich gemacht werden kann. Aufgrund der überalterten Personalstruktur der Bundeswehr werden zudem immer mehr Fachkräfte benötigt. Nun kommt zum 01. Juli 2011 auch noch die Aussetzung der Wehrpflicht dazu. Schon ohne die Aussetzung der Wehrpflicht bräuchte die Bundeswehr jährlich 20.000 neue Rekrut_innen. Um diese Zielmarke zukünftig erreichen zu können, schafft die Bundeswehr spezielle Anreize und wirbt noch aggressiver an Arbeitsämtern, bei Ausbildungsmessen und an Schulen und Hochschulen.

Armee der Armen? – Rekrutierung junger Arbeitsloser
Dass sich die Bundeswehr die hohe Jugendarbeitslosigkeit, die durch die schlechte Wirtschaftslage noch verschärft wird, zu Nutze macht und junge Arbeitslose mit wenig bis gar keinen Berufsperspektiven rekrutiert, ist kein neues Phänomen, aber eines, welches immer größere Ausmaße annimmt. Seit den unter 25-Jährigen Hartz-IV-Empfänger_innen besondere Sanktionen drohen, wenn sie Jobangebote ablehnen, ist die Situation besonders brisant. Denn dadurch stellt sich die Bundeswehr den Arbeitsämtern als attraktiver Arbeitgeber dar. Dort besitzt die Bundeswehr mittlerweile in einer wachsenden Zahl sogar eigene Büros. Kooperationsverträge mit Arbeitsämtern sind längst keine Seltenheit mehr. So wird die Bundeswehr zunehmend zu einer „Armee der Armen“, die diejenigen jungen Menschen anheuert, die kaum Aussicht auf einen Job oder eine Ausbildung mehr haben. Anstelle der aufdringlichen Präsenz der Bundeswehr müssen zivile Berufsangebote geschaffen werden. Hartz IV grundsätzlich und im Besonderen die Hartz-IV-Sanktionen gehören abgeschafft, damit über sie kein Druck ausgeübt werden kann, Jobs bei der Bundeswehr anzunehmen. Es darf keinen Missbrauch der Ängste junger Menschen für die Rekrutierung zur Bundeswehr geben. Kooperationsvereinbarungen müssen seitens der Arbeitsämter gekündigt und durch die Politik verboten werden.

Früh übt sich: Bundeswehr wirbt an Schulen
Auf eine zweifelhafte Tradition können die so genannten Jugendoffiziere zurückschauen, die durch die Schulen der Bundesrepublik touren, um über die Arbeit der Bundeswehr zu informieren. 1958 wurde dieser Beruf ins Leben gerufen, um den Widerstand in der Bevölkerung gegen die erneute Militarisierung der Gesellschaft nach dem Zweiten Weltkrieg zu bekämpfen. Offiziell dürfen sie nicht für die Karriere bei der Bundeswehr werben. Allerdings tun die Jugendoffiziere es indirekt doch, wenn sie beispielsweise über das kostenlose Hochschulstudium informieren – eine viel versprechende Jobperspektive inklusive. In Zeiten von Studiengebühren und einer unsicheren Berufsperspektive ist das ein nicht zu vernachlässigender Anreiz für den Einstieg bei der Bundeswehr. Wer sich bei einer entsprechenden Bundeswehruni einschreibt, verpflichtet sich jedoch gleichzeitig zu Auslandseinsätzen. Doch die Besuche der Jugendoffiziere sind nur der eine Teil der Einflussnahme auf den Unterricht. Immer wichtiger werden aus Sicht der Bundeswehr die Weiterbildungen von Referendar_innen. Während Eltern und Schüler_innen gegen offensichtlich einseitige Propaganda von Jugendoffizieren noch protestieren können, entzieht sich die Ausbildung der jungen Lehrkräfte, die vermeintlich ausgewogen agieren, ihrer Kenntnis.

Gerade das POL&IS-Simulationsspiel (Politik & Internationale Sicherheit), welches an Schulen wie Hochschulen immer wieder als hervorragende Ergänzung zum Unterricht betrachtet wird, ist ein Beispiel für die klar einseitige Vermittlung von Informationen über weltpolitische Zusammenhänge im Bereich der Ökonomie. Es macht die Teilnehmer_innen mit der vermeintlichen Alternativlosigkeit von Krieg vertraut, da das Spiel politische Umwälzungen nicht zulässt, während NATO-Verträge geachtet werden müssen.

Die Linksjugend [’solid] spricht sich gegen jegliche Präsenz der Bundeswehr an Schulen aus und ruft Schüler_innen, Lehrkräfte sowie Eltern auf, Druck auf die Schulleitung auszuüben, keine Bundeswehr einzuladen oder Protest zu organisieren, wenn sich der Besuch nicht mehr abwenden lässt. Die Linksjugend [’solid] lehnt es diesbezüglich ab, den Jugendoffizieren lediglich andere Dikussionsteilnehmer_innen z.B. aus der Friedensbewegung gegenüber zu stellen. So ist die Friedensbewegung nicht mit den gleichen finanziellen und personellen Ressourcen ausgestattet wie die Bundeswehr. Während Jugendoffiziere für ihre Arbeit in den Schulen hohe Gehälter kassieren, arbeiten Aktivist_innen in der Friedensbewegung oft ehrenamtlich und genießen keine professionelle rhetorische Ausbildung.

Letztlich muss zuallererst die Zusammenarbeit zwischen den Kultusministerien und der Bundeswehr gestoppt und rückgängig gemacht werden. Entsprechende Kooperationsvereinbarungen, die die Grundlage für diese Zusammenarbeit darstellen und die es mittlerweile in acht Bundesländern gibt, müssen aufgehoben und für die Zukunft verboten werden. Mit Schüler_innen, Lehrkräften und Eltern wollen wir zusammen mit Bündnispartner_innen wie den Gewerkschaften und aus der Friedensbewegung über die Rechte in der Auseinandersetzung mit der Bundeswehr an Schulen aufklären.

Auch an Hochschulen macht die Bundeswehr klassische Informationsveranstaltungen, um von der Notwendigkeit von Kriegseinsätzen zu überzeugen. Darüber hinaus werden kriegsrelevante Forschungs- und Lehrprojekte durchgeführt und immer öfter werden Lehrstühle von Rüstungsunternehmen gesponsort, deren Arbeit unter anderem darin besteht, neue Kriegsstrategien und -technik zu entwickeln. Allein das Bundesverteidigungsministerium hat 2009 Drittmittel in Höhe von 7,6 Milliarden Euro an deutsche Hochschulen vergeben. Wir setzen uns zusammen mit dem Studierendenverband Linke.SDS dafür ein, dass an den Hochschulen keine militärrelevanten Projekte mehr durchgeführt, geschweige denn gefördert werden. Stattdessen wollen wir darauf hinwirken, dass die Bundesländer eine Zivilklausel in ihre Hochschulgesetze bzw. die Hochschulen eine Zivilklausel in ihre Leitbilder aufnehmen, die solche Engagements verhindern.

Kindersoldaten bei der Bundeswehr
In der Bundeswehr verpflichten sich 16-Jährige und werden als Soldat_innen ausgebildet. Doch noch schlimmer ist es, dass die Bundeswehr im Ausland im Zuge der sogenannten „humanitären“ Missionen Kinder im Alter von teilweise erst 14 Jahren an der Waffe ausbildet. Dies ist eine unhaltbare Situation. Es sollte selbstverständlich sein, dass auch die BRD sich an die Beschlüsse gegen den Einsatz und die Ausbildung von Kindersoldaten hält. Die „Straight 18“-Regelung muss umgesetzt werden, was bedeutet, dass die Bundeswehr nicht an Schulen, also bei Minderjährigen werben darf. Die Ausbeutung der Menschen zum Krieg, die viel zu oft gerade Kinder trifft, muss hier für Deutschland als ein erster Schritt zumindest eingegrenzt werden. Die Medien und die Öffentlichkeit prangern für ihre Kriegspropaganda allzu oft den Einsatz von Kindersoldaten in Afrika an. Ihre Doppelmoral zeigt sich, wenn Deutschland nicht nur Kindersoldaten ausbildet, sondern auch in der Bundeswehr selbst unter 18-Jährige, also dem Gesetz nach Kinder, den Dienst an der Waffe schieben lässt. Wir wollen die volle Umsetzung der Kinderrechtskonvention sowie die Einhaltung der „Straight 18“-Regelung.

Um den Ruf bemüht: Öffentlichkeitsarbeit der Bundeswehr
Jährlich fließen Millionen von Euro in die Öffentlichkeitsarbeit der Bundeswehr. Öffentliche Gelöbnisse, Besuche bei Messen und in so genannte Jugendsportevents, bei denen Jugendliche ganz unvermittelt mit Soldat_innen ins Gespräch kommen sollen. Dass es dabei weniger um Sport als vielmehr um Rekrutierung geht, wird schon beim Blick auf die Teilnahmebedingungen deutlich. Denn nur Jugendliche mit deutscher Staatsbürgerschaft – und somit potenzielle Rekrut_innen – dürfen sich für die Sportwettbewerbe anmelden. Gewinnen kann man Reisen mit der Luftwaffe oder zu Bundeswehrstellen im Ausland. Für die „Bw Adventure Games“, die militärischen Drill als Abenteuerspiel verkaufen, wird die Teilnahme zum Teil sogar über die Jugendzeitschrift BRAVO verlost.

Eine andere öffentliche Inszenierung der Bundeswehr sind die Gelöbniszeremonien, bei der militärische Rituale offen banalisiert werden. Kalkül dabei ist die Verankerung des Militärischen in der Gesellschaft. Gelöbnisse dieser Art wurden in der Weimarer Republik hinter Mauern abgehalten und finden erst seit dem Nationalsozialismus wieder in einer ausgewählten Öffentlichkeit statt. In der Regel werden die Gelöbnisse durch ein großes Aufgebot an Polizei von Protesten abgeschirmt. Diese Proteste unterstützt die Linksjugend [’solid] ebenso wie Protest gegen Messestände und andere Events der Bundeswehr. Zahlreiche Beispiele zeigen, dass dieser Widerstand und ein Nicht-Hinnehmen des Werbens als vermeintliche Normalität Erfolge hervorbringen kann. Wir rufen dazu auf, öffentliche Auftritte der Bundeswehr zu stören und in diesen Zusammenhängen auf das Wirken an deutschen Schulen und in Kriegen weltweit hinzuweisen.

Die Linksjugend [‘solid] fordert:

  • das Ende aller Kriege und den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan!
  • den sofortigen Austritt Deutschlands aus der NATO bzw. die sofortige Auflösung der NATO!
  • die Abschaffung von Hartz IV und stattdessen die Schaffung ausreichender Ausbildungsplätze mit garantierter Übernahme sowie ausreichender Studienplätze für alle
  • die Aufhebung aller bestehenden Kooperationsvereinbarungen zwischen Bundeswehr und den Kultusministerien der Länder und ein Ende der Finanzierung von Referendariatsausbildungen oder POL&IS-Simulationsspielen durch die Landeszentralen für politische Bildung
  • dass das Werben der Bundeswehr in staatlichen Bildungseinrichtungen wie Schulen, Hochschulen aber auch auf den Arbeitsämtern per Gesetz verboten wird
  • die Aufnahme einer Zivilklausel in die jeweiligen Hochschulgesetze der Länder sowie in die Leitbilder der Universitäten
  • die Förderung der Kooperation von staatlichen Bildungseinrichtungen mit friedenspolitischen Organisationen und Gruppen und somit die staatliche Förderung der Friedenserziehung
  • dass die BRD sich zur „Straight 18“-Regelung bekennt und die Kinderrechtskonvention in vollem Maße ratifiziert und umsetzt
  • die Enteignung der Rüstungsindustrie, die Überführung in öffentliches Eigentum unter demokratische Verwaltung durch die Beschäftigten und die Umstellung der Produktion auf friedliche Zwecke
  • das sofortige Ende der staatlichen Finanzierung jeglicher Öffentlichkeitsarbeit der Bundeswehr, ob in Form von Gelöbnissen, Sportevents oder Messeständen, Fernseh- oder Internetwerbung
  • die Abschaffung der Bundeswehr, beginnend mit den kriegsfähigen Teilen

Die Linksjugend [‘solid] wird bundesweit koordiniert Anstrengungen unternehmen, verschiedene Formen des Protests und Widerstands gegen die Präsenz der Bundeswehr an Schulen, Hochschulen, auf Arbeitsämtern und bei Ausbildungsmessen zu initiieren und zu unterstützen. Sie organisiert Informationsveranstaltungen, erstellt umfangreiche Materialien und beteiligt sich an entsprechenden Bündnissen. Als Jugendverband werden wir uns außerdem an den Protesten gegen den NATO-Gipfel im Dezember 2011 in Bonn beteiligen und entsprechende Aktivitäten mitvorbereiten

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