Beschluss des I. Bundeskongresses am 4.-6. April 2008 in Leipzig
Der neoliberale Umbau der Gesellschaft betrifft junge Menschen besonders stark. Das beinhaltet die Privatisierung der Bildungseinrichtungen, den Ausbildungsplatzmangel und Studiengebühren. Schon in früher Kindheit teilt das deutsche Bildungssystem die Gesellschaft in Arme und Reiche, Profiteure und Opfer einer neoliberalen Globalisierung. Nur 12% der Studierenden sind noch aus Arbeiterfamilien und jedes Jahr fehlen rund 150.000 Ausbildungsplätze. Die fast deutschlandweite Einführung des achtstufigen Gymnasiums soll zudem diejenigen SchülerInnen noch früher aus der höheren Bildung aus selektieren, deren Eltern weder deutschsprachige AkademikerInnen sind noch ein hohes Einkommen zur Finanzierung von Nachhilfelehrkräften haben.
Wer dabei durch das weitmaschige Netz dieses Bildungssystems fällt, hat bis 25 Jahre nicht mal mehr Anspruch auf Hartz IV, wenn sie/er auch eine Bedarfsgemeinschaft mit ihren/seinen Eltern bilden kann. Aber selbst dort, wo junge Menschen eine Chance auf den Einstieg ins Berufsleben bekommen, sind sie in besonderem Maße von Leiharbeit, Zeitarbeit, Praktika und den zunehmend prekären Beschäftigungsverhältnissen betroffen. In den oftmals noch von der SPD dominierten Gewerkschaften finden sich vor dem Hintergrund der traditionellen Ausklammerung von Neueinstellungen, Leiharbeitnehmer:innen und befristet Beschäftigten bei den Tarifauseinandersetzung viele junge Menschen immer weniger wieder. Ein leider nicht unerheblicher Anteil dieser jungen Menschen verliert sich in politischer Frustration oder orientiert sich nach rechts.
Als sozialistischer Jugendverband entwickeln wir dagegen die Perspektive einer Bewegung gegen Neoliberalismus und für Demokratie und die Besserstellung der von Arbeit abhängigen Bevölkerung. Eine solche Bewegung kann nur funktionieren, wenn sie über parlamentarische Initiativen hinausgeht und die Änderung der konkreten Kräfteverhältnisse im gesellschaftlichen Alltag anstrebt. Wir arbeiten sowohl mit als auch in den Gewerkschaften und begreifen uns als Teil der globalisierungskritischen, der Ökologie- und der Friedensbewegung. Vor dem Hintergrund der Rückkehr des deutschen Militarismus wirken wir 2008 besonders beim Aufbau einer Bewegung für den Rückzug der Bundeswehr aus Afghanistan mit.
Wir wollen neue politische Räume erschließen: in der Schule, in der Berufsschule, im Betrieb, in Gewerkschaften. Überall dort wollen wir für eine Gesellschaft jenseits von kapitalistischer Verwertungslogik, jenseits von Krieg und Unterdrückung, jenseits von Ausbeutung und Erniedrigung eintreten. Linksjugend[’solid] steht für eine Ausweitung der Demokratie in Wirtschaft und Gesellschaft sowie eine Verbesserung der sozialen Sicherungssysteme. Wir wirken deshalb darauf hin, auch die innerverbandlichen Mitgestaltungsmöglichkeiten besonders für SchülerInnen, Azubis, Frauen und MigrantInnen kontinuierlich zu verbessern. Wir treten für die Verteidigung und den Ausbau von Freiräumen in den Jugendkulturen ein.
Der globalisierte Kapitalismus setzt die sozialistische Bewegung mehr als je zuvor vor die Herausforderung, die Bewegung gegen Neoliberalismus und Krieg auch international stärker zu vernetzen und international koordinierte Aktionsformen zu finden. Mit unseren Bündnispartner:innen in Deutschland und international setzen wir deshalb auf eine Stärkung der Sozialforums- der Friedensund der Arbeitnehmer:innenbewegung.
Der Linksjugend [’solid] Bundesverband wird im kommenden Jahr neben vielen weiteren dezentralen Aktionen, (z.B. gegen Überwachung), regionalen Mobilisierungen (z.B. Sicherheitskonferenz) oder thematischen Kampagnen (z.B. Stadtentwicklung, Prekarisierung, Ökologie und Klima) fünf bundesweite Schwerpunktprojekte vorantreiben, um uns für die zukünftigen Auseinandersetzungen zu stärken: Mindestens zwei weitere Ausgaben der Verbandszeitung „zora“ sollen noch 2008 herausgegeben werden, um als Verband auch in der Öffentlichkeit politische Schwerpunkte zu setzen. Der Mitgliederrundbrief „megafon“ soll als regelmäßiges Informations-, Berichts- und Debattenorgan die innerverbandliche Kommunikation und Transparenz zwischen den Basisgruppen, den Landesverbänden und dem Bundesverband verbessern.
Mit dem 1968-Kongress vom 2.-5. Mai 2008 in Berlin wollen wir eine inhaltliche und strategische Auseinandersetzung mit der letzten großen „Jugendrevolte“ in Deutschland vor 40 Jahren beginnen. Während die großen Massenmedien in ihren Beiträgen zu 1968 über die Anzahl der Sexualpartner von Rainer Langhans und Uschi Obermaier spekulieren, wird Linksjugend [’solid] die politische Studierendenbewegung, die Schüler:innenbewegung und die Streikbewegung von Azubis und jungen ArbeiterInnen im Aufstieg und im Niedergang der „68er“ auf ihre Erfolge und Misserfolge untersuchen. Ein Ziel dieses Kongresses wird sein, aus den Analysen über vergangene Bewegungen Perspektiven für eine zukünftige zu erlangen, die den Kapitalismus herauszufordern in der Lage ist. Über die Sommermonate wird der Linksjugend [’solid] Bundesverband dann in enger Kooperation mit den Gruppen vor Ort eine Neuauflage des Projekts „Aufmucken gegen Rechts“ organisieren. Das heißt, wir werden Konzerte organisieren und Initiativen für selbst verwaltete Jugendzentren unterstützen und CDs mit verschiedensten musikalischen Beiträgen (von Pop bis Punk, von Hiphop bis Elektro) gegen Neonazis und Rassismus kostenlos vor Schulen und Berufsschulen verteilen. Damit versuchen wir sowohl Nazis in die Defensive zu bringen als auch mit unserer Perspektive einer sozialistischen Gesellschaft junge Menschen für eine Mitarbeit bei uns zu überzeugen.
In der ersten Augustwoche findet das erste Linksjugend [’solid] Sommercamp statt. Als Jugendverband sehen wir dieses Event als einen Ansatz, eigene Freiräume zu inhaltlichen Debatten um eine sozialistische Politik zu schaffen, um neue Aktionsformen zu entwickeln, Direct-ActionTrainings durchzuführen und die Vernetzung und den Austausch unserer Verbandsmitglieder voranzutreiben. Außerdem wird der Linksjugend [’solid] Bundesverband gemeinsam mit der außerparlamentarischen Bewegung und den Gewerkschaftsjugenden eine bundesweite Mobilisierung zum europäischen Sozialforum (ESF) vom 17.-21.9. ins schwedische Malmö anstoßen. Das europäische Sozialforum ist der wohl wichtigste Treffpunkt der außerparlamentarischen Bewegung in Europa. Einem Europa der Konzerne, einem Europa des Krieges, einem Europa der Abschottung und einem Europa der Bürokraten setzen wir dort ein soziales, ein friedliches und ein demokratisches Europa entgegen.
Es gibt eine Welt zu gewinnen – gemeinsam und solidarisch für eine sozialistische Zukunft!