Antimuslimischem Rassismus den Kampf ansagen!

Beschluss des IV. Bundeskongresses am 13.-15. Mai 2011 in Hannover

Die rechte Gefahr droht nicht nur durch die Straßengewalt der Schlägernazis. FaschistInnen im Nadelstreifen gefährden europaweit ebenso Demokratie und soziale Rechte. Mit fremdenfeindlicher Propaganda erreichen diese BrandstifterInnen auch die Mitte der Gesellschaft. Seit einigen Jahren sind insbesondere die Angst vor und der Hass gegen MuslimInnen auf dem Vormarsch: VertreterInnen aus Politik und Medien warnen vor einer vermeintlichen Islamisierung Deutschlands oder einer angeblichen Ablösung des Grundgesetzes durch die Sharia und einer vermeintlichen Bedrohung islamischen Terrors. Gleichzeitig nehmen aus der Mitte der Gesellschaft Proteste gegen Moscheen und fremdenfeindliche Hetze gegen MuslimInnen zu. Als Teil der antirassistischen Linken stellen wir uns daher mit aller Kraft gegen jede Form der Menschenfeindlichkeit!

Die seit einigen Jahren zunehmende Feindschaft gegen MuslimInnen ist ein neuer Rassismus!
Die ideologischen MeinungsmacherInnen versuchen ihre Hetze als Kritik an der „islamischen Kultur“ zu tarnen. Die gesellschaftlichen Probleme werden im Zusammenhang mit den in Deutschland lebenden MuslimInnen betrachtet und auf ihr kulturelles Verhalten sowie ihre „islamischen Eigenarten“ zurückgeführt. Mit Extrembeispielen wie der so genannten „Ehrenmorde“ oder des islamistischen Terrorismus wird MuslimInnen eine bestimmte Natur(gewalt) zugeschrieben, die mit der „deutschen Kultur“ unvereinbar sei. „Deutsch-Sein“ und „Muslimisch-Sein“ werden als Gegensätze konstruiert. Hinzu kommen, wie beispielsweise beim SPD-Politiker Thilo Sarrazin, wissenschaftliche Scheinargumente: Alle Völker hätten ein besonderes Gen.
Wenn kulturelles Verhalten als „natürlich“ und unveränderbar verstanden wird, verfügt es über alle Qualitäten der Vorstellung von „biologischen“ Eigenschaften. Beide, sowohl „kulturelle“ als auch „biologische“ Eigenschaften können also genutzt werden, um soziale Unterschiede zu reproduzieren und gesellschaftliche Gruppen als „natürlich“ verschieden zu markieren. Kultur ist aber nicht natürlich und unveränderbar, sondern immer in Bewegung und entsteht durch Sozialisierung sowie ständigen Austausch mit anderen Menschen. Aufgrund dieser Verbindung von Kultur und den scheinbar unveränderbaren den Menschen „natürlich“ innewohnenden Eigenschaften empfinden wir Begriffe wie „Islamophobie“ und „Islamfeindlichkeit“ zur Beschreibung der Feindschaft gegen MuslimInnen als bagatellisierend. Wir erkennen in dieser speziellen Form der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit den antimuslimischen Rassismus.

Die so genannten Islamkritiker betreiben keine Religionskritik!
Einige selbsternannte „Islamkritiker“ verschleiern ihren Rassismus als Religionskritik. Gesellschaftliche Missstände, wie die Unterdrückung von Frauen, die Einschränkung der Vielfalt von Sexualitäten, die Verweigerung eines selbstbestimmten Lebens in einigen mehrheitlich muslimischen Ländern, werden auf die Religion zurückgeführt. Als Beweis werden willkürlich und zusammenhangslos Textstellen religiöser Schriften zitiert oder auf irgendwelche fundamentalistischen Spinner verwiesen. Für uns ist jede Form der Unterdrückung mit einer freien Gesellschaft nicht vereinbar. Damit allerdings die Ausgrenzung und Diskriminierung der (vermeintlichen) Mitglieder dieser Religionsgemeinschaft zu rechtfertigen, hat aber mit Religionskritik nichts zu tun. Wir weigern uns, Religionskritik für Menschenfeindlichkeit zu instrumentalisieren.
Als Teil der emanzipatorischen Linken streiten wir für ein freies, selbstbestimmtes Leben für alle Menschen – gleich welcher Herkunft. Mit Blick auf andere religiösen Strömungen stellen wir fest, dass den Menschen mit einer konservativ-religiösen Ideologie auch hier und dort das schöne Leben verweigert wird. Wir kämpfen daher für eine Befreiung von allen Verschleierungsideologien, die die Menschen von der Wirklichkeit ablenken. Für eine Kritik aller Religionen!

In der „Integrationsdebatte“ geht es nicht um den Islam, sondern um Armut
BrandstifterInnen wie Sarrazin geht es nicht um Integration. In der „Integrationsdebatte“ wird nie nach den Ursachen für die sozialen Probleme von MigrantInnen gefragt. In Wirklichkeit geht es darum, Forderungen an MigrantInnen zu formulieren. Sie sollen sich kulturell unterordnen, ihre Staatstreue unter Beweis stellen und zu miesen Bedingungen arbeiten. MigrantInnen werden dabei immer als Problem behandelt. Es geht nicht darum, sie einzubinden, sondern sie als gemachte Fremde auszugrenzen.
Den sozialen HetzerInnen geht es vordergründig nicht um den Islam, sondern um Armut. Ihre Aussagen legen eine tiefe Verachtung für Menschen offen, die angeblich wirtschaftlich keine Leistung brächten. Menschliches Leben wird dabei ökonomisch abgewogen. Wer Geld kostet, ist demnach weniger wert, soll sich auch kein selbstbestimmtes Leben leisten dürfen. Von diesen Mechanismen der Stigmatisierung sind aber nicht nur (vermeintliche) MigrantInnen, sondern auch Hartz-IV-EmpfängerInnen, Leih- und ZeitarbeiterInnen, alleinerziehende Mütter und viele mehr betroffen. „Integrationsunwillige“ MigrantInnen und die soziale Unterschicht haben somit vor allem eins gemeinsam: sie sind arm. Wenn es um Integrationserfolg oder -misserfolg geht, dreht es sich schließlich um sozialen Erfolg. MigrantInnen zählen dann als integriert, wenn sie wenigstens zur Mittelschicht zählen. Es geht bei der „Integrationsdebatte“ also nicht um kulturelle Unterschiede, sondern um soziale Gerechtigkeit.

Wir stellen uns gegen jeden Rassismus und soziale Hetze!
Die Aussagen der Hassprediger à la Sarrazin fallen aufgrund der rassistischen Konstante in der deutschen Geschichte auf fruchtbaren Boden. Die angeheizte Debatte über den Islam und die „Integration“ ist also Teil eines breiteren Diskurses der Ungleichheit. Ziel dieses Diskurses ist es, jene Teile der Gesellschaft zu spalten, die aufgrund der kapitalistischen Ausbeutung eine soziale Sprengkraft entwickeln könnten. Der diskursive Druck zwingt die Betroffenen, sich noch stärker in die Verwertungslogik des Arbeitsmarktes einbinden zu lassen. Um der sozialen Stigmatisierung zu entgehen, lassen sie sich jedoch noch mehr ausbeuten. Die untere Mittelschicht hat Angst vor sozialen Abstieg und somit  Angst davor, ebenfalls zu verarmen. Anstatt zu überlegen, wie die Umverteilung nach oben aufhören könnte, treten viele nach unten – angetrieben von den Rufen der MeinungsmacherInnen.
Hinter diesen Stigmatisierungen steht die Absicht, die Wahrheit zu verschleiern. Wenn sich alle Welt vor einer angeblichen Überfremdung durch (muslimische) MigrantInnen fürchtet oder sich über vermeintlich parasitäre SozialhilfeempfängerInnen beschwert, denkt niemand darüber nach, wo überhaupt das ganze Geld hin ist. Um Rassismus und Armut zu bekämpfen, fordern wir ein schönes Leben für alle Menschen. Die Antwort auf rassistische und soziale Ausgrenzung kann daher nur Solidarität heißen!

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