Wir haben etwas zu verbergen: Unsere Privatsphäre.

Beschluss des VII. Bundeskongresses am 28.-30. März 2014 in Frankfurt am Main

Die Überwachungs- und Repressions-Apparate von Nationalstaaten auf der ganzen Welt ziehen 20 Jahre nach Beginn der digitalen Revolution nach. Kommunikationsmittel wie das Internet, die einen weltweiten, freien und verlässlichen Austausch in Aussicht gestellt haben, wenden sie in ungekanntem Maße gegen die Privatsphäre und Selbstbestimmung ihrer Nutzer*innen. Die Linksjugend[‘solid] hält fest an dem Ideal der informationellen Selbstbestimmung und Privatsphäre. Wir versprechen uns von den Geheimdiensten und ihrer wachsenden Macht keinen Schutz vor Bedrohungen wie Kriminalität oder Terrorismus, sondern sehen in ihnen selbst eine Bedrohung für unsere Freiheit, Selbstbestimmung und Sicherheit.  Die chinesische Überwachungs- und Zensur-Infrastruktur, das „Golden Shield“ galt lange als angsteinflößendes Musterbeispiel staatlicher Allmacht über moderne IT-Infrastruktur zur Unterdrückung der Bevölkerung. Ähnliche Kontrolle versuchen verschiedene Diktaturen, wie Iran oder Weißrussland über das Internet zu gelangen.  Seit der Veröffentlichung von geheimen Dokumenten der amerikanischen National Security Agency und des britischen Government Communications Headquarters durch den Whistleblower Edward Snowden herrscht Klarheit darüber, dass auch demokratische Staaten und ihre Geheimdienste nach einer umfassenden Kontrolle unserer Kommunikation streben und dabei beängstigende Fortschritte machen. Den veröffentlichten Dokumenten zufolge überwacht die NSA den größten Teil des weltweiten Internets, überwacht fast alle Handy- und Festnetztelefone in den USA, erhebt Handy-Standortdaten auf der ganzen Welt und hat ihre Kontrolle auch auf nicht-digitale Kommunikationswege ausgedehnt, überwacht also den Postverkehr in den USA, sowie auch in Deutschland. Damit hat die NSA die umfassendste globale Überwachung der Welt geschaffen.  Der GCHQ erreicht ein ähnliches Maß an Überwachung durch das Abhorchen des Transatlantik-Kabels. Ergänzt wird die Überwachung von der neuen, als „Porno-Filter“ verharmlosten britischen Internetzensur-Infrastruktur. 
Zuletzt wurden die Überwachungsmaßnahmen des französischen Direction Générale de la Sécurité Extérieure aufgedeckt, die sich auf die Überwachung von Telefon, SMS, Emails, und Nutzer von Google, Facebook, Microsoft, Apple und Yahoo erstreckt.

Die Problem ist global
Anstatt eine Empörung über die weltweiten Rechtsbrüche und das Eindringen in die Privatsphäre von Milliarden Bürger*innen und eine allgemeiner Bestrebungen zur geheimdienstlichen Abrüstung anzustoßen, wecken die Überwachungsmaßnahmen bei anderen Nationalstaaten vor allem Begehrlichkeiten. In Deutschland ist die Vorratsdatenspeicherung wieder im Gespräch und das russische Parlament stattet den russischen Auslandsgeheimdienst FSB mit denselben Überwachungs-Vollmachten aus, wie die NSA sie hat. Trotzdem sehen wir uns mit einer öffentlichen Debatte konfrontiert, die Überwachung und Zensur vor allem auf die USA reduziert und die bedrohlichen Entwicklungen in anderen Ländern ausblendet oder sogar den Ausbau der deutschen Geheimdienste zum Schutz vor ausländischer Überwachung verklärt oder ein nationales Internet mit nationaler Infrastruktur als Lösung vorschlägt.  Wir wissen, dass nicht mangelnder Wille ein Gleichziehen anderer, z.B. deutscher Geheimdienste mit der NSA behindert, sondern – bisher – nur der Mangel an den technischen Mitteln.  Die Begehrlichkeiten der Bundesregierung an einem Stück vom Überwachungskuchen ist so groß, dass nicht einmal die Überwachung der eigenen Minister*innen und der Kanzlerin ein Umdenken einleitet. Stattdessen schöpfen deutsche Geheimdienste, Ermittlungsbehörden und das Militär bereits umfassend aus den illegal erhobenen Datenmengen verbündeter Geheimdienste und tun ihr Bestes diese Datenerhebungen zu unterstützen.

Selbstschutz ist keine politische Lösung
Ein oft vorgebrachter Vorschlag zur vermeintlichen Bekämpfung dieser Entwicklungen ist die Verschlüsselung und Anonymisierung des Datenverkehrs. Dabei handelt es sich zwar um ein mächtiges, aber auch lediglich um ein technisches und kein politisches Werkzeug.  Ein gesamtgesellschaftliches Problem wird damit lediglich an das Individuum weitergeleitet. Wer nicht über ausreichendes Wissen und Fähigkeiten verfügt, wird von solchen Lösungen im Stich gelassen.  Die Anwendung von Verschlüsselung und Anonymisierung ist derzeit noch so kompliziert, dass es für die meisten Menschen zu umständlich, aufwendig oder unmöglich ist, sie einzusetzen. Diese Schwierigkeiten sind aber kein einfach behebbarer Umstand, sondern die logische Folge der Herausforderungen, der sich solche Ansätze stellen müssen. Es gibt kaum vertrauenswürdige Infrastruktur. Weder die Internet-Provider, noch die Internet-Content-Anbieter, nicht einmal die Hardware-Hersteller sind vertrauenswürdig. Sie alle unterliegen gesetzlichen Zwängen und ökonomischen Anreizen mit Ermittlungsbehörden und Geheimdiensten zu kooperieren. Auch Verschlüsselungssoftware-Unternehmen haben sich als nicht vertrauenswürdig herausgestellt. Unter solchen Umständen ist es extrem schwierig vertrauenswürdige Software zu entwickeln, die leicht zu bedienen ist.  Besonders gerne wird dafür Open-Source-Software beworben, da bei dieser Schwachstellen leichter entdeckt werden können und sie keinen ökonomischen Zwängen unterliegt. Doch auch diese befindet sie sich zwangsläufig in einem ewigen Wettlauf gegen Geheimdienste mit gigantischen Budgets, die in der Lage sind enormes Know-How zu versammeln und ihre Fähigkeit Verschlüsselungen zu knacken immer geheim halten. Eine vertrauensvolles Verhältnis in unsere Kommunikation kann so unmöglich geschaffen werden.  Trotzdem wir Verschlüsselung und Anonymisierung  nicht für eine gesamtgesellschaftliche Lösung halten, sind diese Technologien im Moment die effektivste Möglichkeit, es der staatlichen Spitzelei so schwer wie möglich zu machen, unsere Kommunikation zu überwachen. Wir möchten möglichst viele Menschen dazu motivieren sich mit diesen Werkzeugen vertraut zu machen und sie einzusetzen.

Freiheit statt Angst!
Die vernehmbarsten Gegner dieser Entwicklungen sind ironischerweise Unternehmen wie Google und Facebook, die selbst durch das massenhafte Sammeln und Auswerten personenbezogener Daten funktionieren oder nationale Unternehmen, die Wirtschaftsspionage befürchten. Ihr Interesse ist nicht das Recht auf Privatsphäre, Meinungsfreiheit und informationelle Selbstbestimmung, sondern die Wahrung der Grundlagen ihres Geschäftsmodells. Was wir brauchen ist eine Bewegung, die sich weder durch nationale Ideologien, noch durch technische Scheinlösungen vom Ziel abbringen lässt, eine Gesellschaft zu schaffen, in der die Privatsphäre der Menschen unangetastet bleibt. Eine Gesellschaft ohne Überwachung und Geheimdienste.  Das Recht auf Privatsphäre, Meinungsfreiheit, Redefreiheit, die Sicherheit vor staatlicher Willkür, die Menschenwürde und die Demokratie sind unvereinbar mit der Überwachung und Ausspitzelung Geheimdienste. Vielmehr handelt es sich bei den Überwachungsmaßnahmen um die Infrastruktur zum Angriff auf Bürger*innen- und Menschenrechte, fortschrittliche Bewegungen und politische Opposition und zur Aufrechterhaltung und Durchsetzung von Macht- und Herrschaftsverhältnissen. Wir fordern:

  • die Abschaffung der Geheimdienste, im deutschen Kontext also des Verfassungsschutz, Bundesnachrichtendienst und Militärischen Abschirmdienst.
  • die sofortige Einstellung des Zugriffs deutscher Behörden auf illegal erhobene Daten befreundeter Geheimdienste
  • Asyl für Edward Snowden und alle, die bei den Enthüllungen unterstützend gewirkt haben. Für eine gesetzliche Unterstützung von Whistle-Blower*innen
  • Asyl für Edward Snwoden und alle, die bei den Enthüllungen unterstützend gewirkt haben. Für eine gesetzliche Unterstützung von Whistle-Blower*innen, denn jede*r muss das Recht haben, ihr*sein*en Arbeitgeber*in öffentlich für deren Methoden und Arbeitsbedingungen angreifen zu können! Außerdem unterstützen wir den Vorschlag Edward Snowden den Nobelpreis zu verleihen
  • Die Sicherung der Privatsphäre auch außerhalb des Internets, z.B. durch die Beendigung der Kameraüberwachung im öffentlichen Raum oder der biometrischen Datenerfassung
  • die Umstrukturierung der IT-Infrastruktur, damit deren Überwachung so umsätndlich wie möglich wird, z.B. durch Dezentralisierung

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